Hoff EnsembleProlog
Die audiophilen Spatzen pfeifen es von den Dächern: Der 5.1 Surround-Sound ist tot – es lebe Hi-Resolution-Stereo!
Doch gibt es (noch) einige wenige letzte Surround-Fans, die von 5.1 Hi-Resolution Surround Sound träumen. Und ab und zu – wenn auch sehr selten – werden für sie Träume wahr.
Zwei Anlagen in einem Raum
Seit geraumer Zeit habe ich es als notorischer Raumklang-Freund aufgegeben, mir eine von A bis Z audiophile Surround Anlage, die auch in Stereo Spitzenergebnisse hätte bringen können, in den Wohnraum zu stellen. Das war mir einfach zu teuer und zu aufwendig. Zudem schien die audiophile, mehrkanalige Software auszusterben.
So beschloss ich kürzlich, mit Erlaubnis meiner sehr toleranten Ehefrau, eine mittelmässige 5.1- Anlage für cineastische Zwecke und nicht zuletzt auch um meine relativ grosse Sammlung „antiker“, mehrkanaliger DVD-Audios und SACDs abspielen zu können, in den Abhörraum zu stellen und als Ergänzung dazu noch eine echt audiophile Stereo-Anlage zum genüsslichen Musikhören.
Zwei unterschiedliche Wiedergaben
Die 5.1-Anlage besteht dabei aus folgenden Komponenten: Denon Universal-Blu-ray-Player und Denon Mittelklass AV-Receiver, Kef 2005 Sat-Subwoofer-Surround-Set mit sehr gut klingenden, koaxialen UniQ-Chassis (Test in avguide.ch)
Im stereofonen, audiophilen Orchester spielen momentan ein Paar Piega Coax 10.2, MacBookPro mit Audirvana Plus Player, ein KingRex UD384 DAC samt Akku-Speisung und die legendäre Forte Audio F44 Vorstufe in Kombination mit einer Model 6 Endstufe zum Konzert auf.
Pure Audio Blu-ray - die Nachfolgerin der DVD-Audio?
Die Pure Audio Blu-ray bietet zwar keine bewegten Bilder, so doch 5.1 Surround-Sound und Stereo in hoher Auflösung.Wie man sieht, habe ich meine Surround-Träume - trotz dem jämmerlichen Ende der DVD-Audio und der scheintoten, mehrkanaligen SACD – zwar reduziert, jedoch noch nicht ganz aufgeben.
Aber nun kommt's: Bei meinen Recherchen bezüglich der Rezension „Quiet Winter Night“, bemerke ich, dass es dieses, bei hiresaudio.com herunterzuladende, Album auch auf Pure Audio Blu-ray gibt.
Da sowohl mein Player als auch der AV-Receiver zur neusten Generation gehören, sollte ich diese Disc in 5.1 DTS HD MA 24/192 kHz in ihrer vollen Qualität abspielen können. Wie würde denn das klingen: Spitzen-Software auf Mittelklass-Surround-System? Und noch spannender: wie würde der Vergleich zu audiophilem Hi-Res-Stereo ausfallen?
Doch nun das Wichtigste zuerst, und das ist nicht der Klang, sondern die Musik.
Die Musiker und ihre Musik
Das Hoff Ensemble trägt seit seiner Gründung im Jahre 1993 seinen Namen nach dem Pianisten und Arrangeur Jan Gunnar Hoff.
Der bekannte Trompeter Mathias Eick bildet zusammen mit dem Veteranen-Bassist Arlid Anderson die Eckpfeiler des Ensembles.
Hinzu kommen bei diesem Album diverse norwegische Spitzenmusiker wie der Perkussionist Rune Arnesen, der Gitarrist Børge Petersen-Øverleir, die brillante Geigenspielerin Annbjørg Lien, die dem Album einen ganz bestimmten nordisch-folkloristisch angehauchten Touch verleiht, sowie Gäste wie Helene Bøksle, Åsne Valland Nordli, Sondre Bratland, Unni Wilhelmsen, Tomine Harket, Bjørn Johan Muri, Cecilia Vennersten und Bjørn Eidsvåg.
Die Kirche als Aufnahmestudio
Die Sofienberg Kirche (Oslo) besitzt eine exzellente Akustik und diente hier als Aufnahmestudio.Das im Jahre 2011 in der Sofienberg Kirche (Oslo) aufgenommene Album wurde mit besten Kondensator-Mikrofonen von DPA (vormals Brüel&Kjaer) und der Pyramix Workstation getätigt. Ursprünglich mit dem professionellen Format DXD ( Digital eXtreme Definition) mit 24 Bit und 352,8 kHz Samplingfrequenz aufgenommen, wurden die Aufnahmen in diverse Formate wie DSD für die SACD und PCM für Blu-ray gebracht.
Der Download bei HiResaudio.com erfolgt in Flac und 24/192 kHz. Auf der Bluy-ray sind folgende Formate wählbar: 5.1 DTS HD MA 24/192 kHz und 2.0 LPCM 24/192 kHz.
Anders als bei vielen anderen Surround-Aufnahmen, bei denen unzählige Mikrofone mehr oder weniger sinnvoll auf die 5.1 Kanäle verteilt werden, kommen hier lediglich fünf identische Mikrofone zum Einsatz: drei vorne und zwei hinten. Wie der Subwoofer-Kanal „gefüllt“ wurde , ist nicht zu erfahren.
Besinnlich, aber nicht depressiv
Nun zur Musik: Sie ist wunderschön und lässt sich nirgendwo klar einordnen. Punkto Musik-Stil haben die auch im Film-Business tätigen Komponisten Geir Bohren und Bent Aserud Anleihen bei nordischen Weihnachtsliedern gemacht und sich Stilelemente der traditionellen Volksmusik aus verschiedenen nordischen Ländern ausgeborgt.
Die Musik ist, obwohl viele Moll-Klänge darunter sind, keineswegs traurig, aber besinnlich. Es ist Musik, die innerlich aufstellt, einen erhebt und nicht wie so viele nordische Musik, die gerade im Winter unter Sonnenmangel zu leiden scheint, mit depressivem Einschlag niederdrückt.
Die Interpretation dieser Kompositionen erfolgt ohne jegliche einzelgängerischen Show-Effekte, mit denen sich Künstler in den Vordergrund drängen wollen. So kitschig es klingt: Diese Musiker dienen nur einer Sache: der Musik! Und die ist, ich wiederhole mich ganz bewusst, einfach wunderschön.
Ein Hochgenuss ist es, den diversen Singstimmen zu lauschen, die mit minimalem Vibrato, trotzdem sehr ausdrucksstark und glockenrein intonieren und so Musik erklingen lassen, welche auch abgebrühten Musik-Kritikern leicht feuchte Augen beschert.
Dörf's es bizeli meh si?
Und nun kommt die grosse Frage nach dem oben genannten Motto: Genügen zwei Kanäle – sprich Lautsprecher – oder sollten/müssen es mehr sein, um die ganze musikalische und räumliche Ambiance einer derartigen Musikdarbietung überzeugend in den Abhörraum zu stellen?
Offenbarung in Stereo
Die brillante Geigenspielerin Annbjørg Lien verleiht dem Album mit Instrumenten wie Hardanger Fiddel und Nyckelharpa einen ganz bestimmten nordisch-folkloristisch angehauchten Touch So wird das Quiet Winter Night Album erst mal in Stereo und Flac 24/192 kHz angehört und - nachdem die musikalische Beurteilung ja bereits erfolgt ist und absolute Höchstnoten erhielt - folgendes festgestellt:
Das Aufnahmeteam hat hier einen satten, warmen Klang, der aber einen ungeheuren Obertonreichtum mit unerhörter Feinzeichnung aufweist, eingefangen. Die räumliche Stereo-Projektion ist perfekt: Vor den Hörern baut sich eine sehr breite Klangbühne auf, der es auch an Tiefgang nicht mangelt. Insgesamt eine Stereo-Wiedergabe, die ich mir besser nicht vorstellen kann. Wie hier die Trompete mit warmem Schmelz erschallt, die Hardanger Fiddle und die Nyckelharpa leicht kratzbürstig vor sich hin fiddeln, unerhört schöne Stimmen wie aus dem Nichts erscheinen, da kommt wahre Freude auf.
Was ich mir aber doch noch wünschen könnte, wäre ein Mehr an Rauminformation. Die weiträumige Akustik der Kirche kommt bei der zweikanaligen Wiedergabe für mein Empfinden nur andeutungsweise zur Geltung, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die so charakteristischen Schallrückwürfe von hinten komplett fehlen.
Entschweben in die Welt des Raumklanges
In der Folge wird die Pure Audio Blu-ray Disc in den Blu-ray-Player geschoben, und sogleich werde ich hautnah in die Akustik der Kirche verfrachtet! Der eher kleine Abhörraum mutiert zum Dom.
Das geschieht dermassen überzeugend, dass ich sogar etwas zu frösteln beginne und glaube, der draussen wehende eisige Nordwind drücke durch irgendwelche Ritzen in die nur mässig gut geheizte Kirche hinein.
Nur eine Tatsache nehme ich zunächst etwas störend zur Kenntnis: Man hat mich Mitten ins Ensemble gesetzt und die perkussiven Instrumente erklingen von der Rückseite. Dabei sitze ich im Konzert doch viel lieber etwas weiter hinten.
Vor oder im Orchester?
Fünf identische DPA (vormals Brüel&Kjaer) - Mikrofone werden zwischen das Schlagzeug und die restliche Hoff-Band gestellt. Bei der Wiedergabe dieser Aufnahme wird der Zuhörer genau an die Stelle gesetzt, wo diese Mikrofone jetzt stehen.Bekanntlich gibt es zwei Lager, die in Sachen Positionierung der Zuhörer grundlegend unterschiedliche Auffassungen vertreten:
Der „normale“ Konzerthörer ist es sich gewohnt, alle Musiker vor sich auf der Klang-Bühne zu haben. Von hinten hört er lediglich Raumanteile, also die Schallrückwürfe, welche die Raumgrösse ganz entscheidend charakterisieren.
Im Lager 1 wird also versucht, dem Konzertgänger seine gewohnte Hörposition zu ermöglichen.
Im Lager 2 setzt man den Zuhörer mitten ins Orchester. Aber Hand aufs Herz: wer wünscht sich das schon? Ganz gewiss ist es sehr spektakulär, wenn es von allen Seiten her trompetet, geigt und trommelt. Doch das kann schon nach kurzer Zeit fürchterlich nerven. Tatsache ist, dass sehr viele Hörer ein Unbehagen verspüren, wenn sie von hinten Geräusche oder gar Musik hören.
Diskussionen entfallen...
Doch bei dieser Aufnahme entfallen diese Diskussionen, denn die räumliche Abbildung ist dermassen überzeugend, dass auch „normale“ Konzertgänger, die lieber in den hinteren Reihen sitzen, nach kurzer Einhörzeit restlos überzeugt, ja begeistert sein werden.
Dieses Klangerlebnis in passende Worte zu kleiden, fällt mir wieder einmal sehr schwer. Da kann ich nur raten: Selber mal bei passender Gelegenheit in eine solche Darbietung reinhören und sich dann ein Urteil bilden.
Um nur ein bisschen zu schwärmen: Wie sich nun der Klang dieses Ensembles „wie der Duft einer Blume in der Kirche ausbreitet“ (Ich geb's zu: Das Zitat stammt aus einer Sonab Werbung für ihre Rundstrahler aus den siebziger Jahren.) lässt musikalische Herzen höher schlagen.
Zauberhaft schöne, natürliche und unglaublich räumliche Klänge ab einer schnöden 5.1-Anlage der Mittelklasse - das ist die Sensation!
Geheimnis des guten Raumklanges
Das Geheimnis des guten Raumklanges. Bei der Aufnahme: 5 optimal platzierte und absolut identische Mikrofone. Bei der Wiedergabe: fünf identische Lautsprecher....Die Gründe für dieses aussergewöhnliche Raumklang-Erlebnis liegen für mich klar: Es ist das optimale Zusammenspiel von Aufnahme und Wiedergabe. Fünf optimal platzierte und völlig identische Mikrofon bei der Aufnahme – und bei der Wiedergabe fünf ebenfalls gut platzierte und absolut identische (und erst noch gute) Lautsprecher.
Die bei den meisten Surround-Sound Wiedergaben so enttäuschenden Resultate kommen in der Regel durch Aufnahmen zustande, bei denen unzählige Mikrofone auf ebenso unzähligen Spuren aufgenommen und dann irgendwie auf 5.1 Kanäle abgemischt werden.
Und bei der Wiedergabe dann dasselbe grausige Lied: Vorne links und rechts je eine grosse Box, ev. sogar mit hochwertigen Bändchen oder so. Vorne in der Mitte irgend ein schnuckeliges Mini-System mit soft klingender Gewebe-Kalotte. Von der Rückseite her strahlen zwei kleine audiophile Systeme mit hart klingenden Metall-Kalotten, welche dem phasenverseuchten Klangbrei noch die geschmackliche Krone aufsetzen.
Erkenntnis: Nur mit fünf identischen Mikrofonen bei der Aufnahme und fünf identischen Lautsprechern bei der Wiedergabe ist ein optimaler Raumklang garantiert.
Gretchen-Frage
Nun noch die Gretchen-Frage: Was ist denn nun wirklich „besser“ : Hi-Res-Stereo oder Hi-Res-5.1?
Meiner Ansicht nach haben beide Versionen ihre Berechtigung. Die Stereo-Version ab High-End-Anlage ist in Sachen Klarheit, Transparenz und Feinzeichnung der hier gehörten 5.1-Darbietung überlegen, hat aber bezüglich der Abbildung der Raumgrösse seine Limiten.
Die 5.1-Version ist, wenigstens in diesem Falle, in der Lage, die weiträumigen akustischen Gegebenheiten des Aufnahmeortes – in diese Falle diejenigen der akustisch hervorragenden Sofienberg Kirche in Oslo - überzeugend und mit sehr guter Klangqualität auch in relativ kleine Abhörraume zu transferieren. Und das ist absolut faszinierend.
Fazit
Das „Quiet Winter Night Album“ begeistert sowohl musikalisch wie klanglich und erhält Bestnoten in jeder Beziehung.
Wer auf eine klare, analytische und exakt durchzeichnete Wiedergabe steht, kommt bei der Stereo-Wiedergabe voll auf seine Rechnung.
Wer das Verlangen hat – ohne jede Einwirkung von zusätzlichen „stimulierenden“ Mitteln - in einem Klangrausch aufzugehen und sich beim „Ausnüchtern“ entspannt, aufgestellt und damit weitaus besser als vorher zu fühlen, dem sei die 5.1-Wiedergabe ab Pure Audio Blu-ray bestens empfohlen.
Das Entschweben in einen grenzenlosen, klanglichen Höhenflug ist grandios.

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