MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
11. Mai 2025
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Das im letzten Jahr erschienene Album von Eliane Elias «Time and Again» ist vielleicht nicht das beste in ihrem Palmarès, doch zeigt es die (kommerzialisierte) Vielseitigkeit der Brasilianerin. Alle Stücke wurden von ihr – teilweise in Zusammenarbeit mit ihrem Mann Marc Johnson – komponiert, arrangiert und getextet.

Wie immer ist es das Stimmtimbre, das den Ausschlag gibt, ob man eine Stimme ansprechend findet oder nicht. Doch bei Eliane Elias ist es auch (oder vor allem auch) ihr meisterhaftes Klavierspiel, das es zu bewundern gilt.
Doch beginnen wir von vorn.

Eliane Elias

Am 19. März 1960 in São Paulo geboren, begann Eliane schon im Alter von sieben Jahren ihren Klavierunterricht. Als Zwölfjährige transkribierte sie Soli von Jazzmusikern und mit 15 begann sie Klavierunterricht zu erteilen. In Europa wäre sie wohl als Wunderkind vermarktet worden.

Zwei Jahre später trat sie mit dem brasilianischen Singer-Songwriter Toquinho auf und erhielt kurz darauf eine Einladung, mit Antônio Carlos Jobim auf Tour zu gehen.
1981 übersiedelte sie nach NYC, wo sie an der Juilliard School of Music ihr klassisches Repertoire und ihre Klaviertechnik erweiterte. Sie lernte dort auch den Jazztrompeter Randy Brecker kennen, mit dem sie 1984/85 das Album «Amanda» aufnahm, das ihrer gemeinsamen Tochter gewidmet ist.

1993 veröffentlichte sie auf EMI Classics ein Album mit klassischer Musik, doch ihr Hauptinteresse galt dem Bossa Nova und dem Jazz.

Eliane Elias an ihrem Lieblingsinstrument.Eliane Elias an ihrem Lieblingsinstrument.

Alle ihre Alben und Awards einzeln zu erwähnen, würde zu weit führen. Unter eigenem Namen erschienen mindestens 32 Alben, auf weiteren 14+ Alben spielt sie als «Gast» mit. Sie wurde mindestens neunmal für einen Grammy nominiert u.a. für ihre Zusammenarbeit mit Herbie Hancock, gewann vier davon, wurde vom «DownBeat magazine» mehrmals ausgezeichnet, erhielt fünfmal den japanischen «Gold Disk Award» (vergleichbar mit dem Grammy) und wurde in Holland für ihr Lebenswerk mit dem «Edison Lifetime Achievement Award» ausgezeichnet.

1999 heiratete sie den amerikanischen Bassisten/Arrangeur/Komponisten und Bandleader Marc Johnson, der seither mit ihr auftritt und ihre Alben co-produziert.

«At First Site» heisst die Eröffnungsmelodie des Albums «Time and Again», wird hier jedoch live als instrumentale Version interpretiert. Eliane Elias: piano, Leandro Pellegrino: guitar, Marc Johnson: bass und Rafael Barata: drums

«Time and Again»

Wenn ich zu erwähnen wagte, dies sei nicht unbedingt Elianes bestes Album, ist dies eine rein persönliche Ansicht, da es für mich zu überladen arrangiert wurde. Ich ziehe Eliane in Kleinformationen vor (wie im obigen Youtube-Video). Doch sowohl Elianes Kompositionen als auch ihr Klavierspiel sind auch auf diesem Album aussergewöhnlich.

Die acht Tracks sind so vielseitig, dass man sie mehrmals hören muss, um alle Feinheiten zu erfassen. Ein Vergleich der instrumentalen Live-Version des Youtube-Videos mit der gesungenen Album-Studio-Version von «At First Sight» zeigt gleich auf, wieso ich Eliane in Kleinformationen bevorzuge: Es ist nicht die Stimme, der Gesang, es ist die Überproduktion: Ist der alles schwammig wirken lassende Chor wirklich notwendig? Und wie entstand dieser Chor, für dessen stimmliches Arrangement Mark Kibble verantwortlich zeichnet? Da keine weiteren Sängerinnen erwähnt werden, nehme ich an, dass Eliane und Mark mehrfach sangen (doch dies ist nur eine Vermutung).

Im wenig melodiösen und für mich etwas zu nervösen «Falo Do Amor» ist erneut das Pianosolo der Höhepunkt … wäre da nicht die unnötige Choreinlage. «It’s Time» beginnt und endet mit dem gefilterten und deshalb künstlich wirkenden Chor. Und wiederum ist es Elianes Solo, das besonders fasziniert, vor allem auch, weil sie es unisono mitsingt. Wesentlich ruhiger geht es in «How Many Times» zu, wo Mike Mainieris Vibraphon und Bill Frisells Gitarre den Klangteppich legen.

Bill Frisell, Marc Johnson, Mike Mainieri und Djavan.Bill Frisell, Marc Johnson, Mike Mainieri und Djavan.

Zwar gilt der heute 76-jährige Djavan Caetano Viana laut diversen Quellen als einer der grossartigsten Sänger in der brasilianischen Musikgeschichte, doch auch nach mehrmaligem Anhören von «Sempre» konnte ich mich für seinen Gesangspart nicht begeistern. Dafür ist Elianes E-Piano-Untermalung wunderschön.

In «A Volta» ist der Backgroundgesang zurück, passt hier etwas besser (oder habe ich mich nur daran gewöhnt?).«Making Honey» ist vor allem rhythmisch wiederum mitreissend, wie auch das Klaviersolo (zum Chor äussere ich mich nicht mehr). Das Album schliesst mit «Too Late», einer ruhigen, traurig wirkenden Ballade, in der ein weiteres Mal Bill Frisells Gitarre zusammen mit Elianes Klavier die harmonische Grundlage legt.

Fazit

Eliane Elias ist eine grossartige Musikerin. Ob ihre Stimme anspricht, ist vom persönlichen Geschmack abhängig.

Gehört das vorliegende Album zu ihren besten? Auch dies dürfte wiederum von persönlichen Vorlieben abhängen. Doch genoss ich das gesamte Album mehr und mehr, nachdem ich den Hintergrundgesang als Teil des Ganzen einfach akzeptiert hatte.

Ein Eintauchen in die Welt von Eliane Elias lohnt sich alleweil, da gibt es viel zu entdecken – und falls diese Rezension dies bewirkt, hat sie ihren Zweck erfüllt.

STECKBRIEF
Interpret:
Eliane Elias
Besetzung:
Eliane Elias – piano, keyboards, vocals, all arrangements
Bill Frisell – guitar (4, 8)
Conrado Goys – guitar (2, 5, 6)
Cuca Teixeira – drums (1, 3, 7)
Daniel Santiago – guitar (1, 7)
Davi Vieira – percussion (4)
Djavan – vocals (5)
Edú Ribeiro – drums (1, 7)
Marc Johnson – acoustic bass (1, 3, 4, 7)
Marcelo Mariano – electric bass (2, 5, 6)
Marcus Teixeira – guitar (1, 3, 7)
Marivaldo Dos Santos – percussion (1)
Mark Kibble – background vocals (1, 2, 3, 6, 7, 8)
Mike Mainieri – vibraphone (4)
Peter Erskine – drums (3)
Albumtitel:
«Time and Again»
Komponist:
Eliane Elias + Marc Johnson
Herkunft:
USA
Label:
Candid
Erscheinungsdatum:
28.06.24
Spieldauer:
38:12
Tonformat:
FLAC 24-Bit/96 kHz Stereo
Aufnahmedetails:
Aufgenommen in Dissenso Studio (São Paulo), Em Casa (Rio de Janeiro) und Sear Sound (New York)
Medium:
Download/Streaming
Musikwertung:
7
Klangwertung:
8
Bezugsquellen