
Fehlt der Konkurrenz die Technologie, oder ist ihr der Bau eines koaxialen Bändchen-System einfach zu aufwendig und zu teuer? So kann man heute über die Tatsache rätseln, dass ausser Piega kein einziger Hersteller dieser Welt ein koaxiales Bändchen-System in ihren Lautsprechern verbaut.
Schaut und hört man sich in High-End Kreisen herum, so staunt man, was teilweise klingende Namen für billige Hochtöner in ihre Luxus-Boxen einbauen. Doch das Bändchen ist den Piega Leuten sankrosankt und muss - wenngleich Piega nun ihre Holzgehäuse ebenfalls in China bauen lässt - Swiss Made bleiben.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil man das über all die Jahre mühsam erworbene Know-how in der Herstellung nicht preisgeben möchte. Denn gerade in Fernost sind ja bekanntlich sehr eifrige Kopierer am Werk...

Talentierte Spezialisten am Werk

Momentan stellen zwei Spezialisten(innen) im eigenen Hause die koaxialen Bändchen Systeme her, die es in zwei Grössen gibt.
Es sind dies Mario Ballabio und Jasmine Keller, die in Horgen im stillen Kämmerlein mit sündhaft teuren Materialien ihre Hi-Tech-Musikspender in sorgfältiger Handarbeit zusammenbauen. So zeigt ein Besuch bei Piega in Horgen immer, wie hier gut gelaunte Mitarbeiter die im eigenen Hause von Meister Kurt Scheuch und Daniel Raimann entwickelten und getunten Lautsprecher sorgfältig und gewissenhaft, aber auch mit einem gewissen und berechtigten Stolz bauen.
Klingende Falten
Der Name Piega stammt denn auch ursprünglich vom Verb "piegare", was nichts anderes als "falten" bedeutet.
Doch dies ist nicht ganz leicht zu verstehen, denn an den heutigen Bändchen findet man kaum noch eine Falte. Doch das Ur-Bändchen von anno dazumal hatte tatsächlich eine gefaltete Membrane und unterschied sich von heutigen Konstruktionen auch in andern Details ganz wesentlich.
Ganz klar, dass Piega diesen Schallwandler, welcher der idealen, punktförmigen Schallquelle doch schon sehr nahe kommt, nur bei ihren Lautsprechern der gehobenen Preisklasse einsetzt, wie hier bei der Coax 90.2, von denen das Paar für knapp 20'000 Schweizer Franken über den Ladentisch gehen.
Fast punktförmig

Die Vorteile der koaxialen Bändchen-Systeme liegen hauptsächlich in der phasentreuen Abstrahlung nach allen Seiten und natürlich in den federleichten Membranen, die ein hervorragendes Impulsverhalten ermöglichen.
Zudem garantiert dieses System eine nahezu perfekte Homogenität des Klanges, da der für das Gehör wichtigste Frequenzbereich vom einem einzigen System reproduziert wird. Gestandene Semester werden sich an die legendären Lautsprecher von Janszen erinnern, wo extrem schnelle elektrostatische Hochtöner mit ausgesprochen langsamen dynamischen Chassis gepaart wurden. Das führte dazu, dass das Klangbild in zwei Hälften aufgeteilt wurde und eine klangliche Homogenität war auch nicht mal ansatzweise vorhanden.
Dies ganz im Gegensatz zu sogenannten Breitband-Systemen wie etwa ein Quad Voll-Elektrostat der, meiner Meinung nach, mindestens in Sachen Homogenität unschlagbar ist.
Holz oder Alu?
Es gibt nicht wenige Fachleute, die glauben doch tatsächlich, dass Lautsprecher mit Holzgehäusen "besser" als solche mit Alu-Gehäusen klängen. Dies ist auch der Grund, weshalb Piega ihre Classic Serie auflegte, obwohl man im Hause der Ansicht ist, dass die Vorteile der Alu-Gehäuse bei weitem überwiegen. So gab Konstrukteur Kurt Scheuch gegenüber avguide.ch an, dass eine Coax 90.2 mit Alugehäuse in gleichwertiger Holz-Konstruktion rund doppelt so gross sein müsste. Der Gegenspieler zur Coax 90.2 aus dem Lager der Holzboxen ist die Classic 80.2, welche 16'0000 das Paar kostet und trotz ihrer wesentlich grösseren Erscheinung deutlich weniger kostet als die Coax 90.2 mit Alu-Gehäuse.
Der Traum vom schalltoten Gehäuse

Doch bezüglich einer wichtigen Tatsache sind sich die Fachleute einig: Musizieren dürfen nur die Chassis, das Gehäuse darf keinen Mucks von sich geben! Das heisst im Klartext, dass das Gehäuse im Idealfall absolut schalltot sein muss. Jede Vibration des Gehäuses produziert unerwünschten Schall, der nicht zur Aufnahme gehört. So ist es denn der absolute Blödsinn, ein Paar gute Chassis in einen Cello-Holz-Körper zu montieren und dann zu behaupten, man hätte hier einen "besonders musikalischen" Lautsprecher geschaffen. Wie mir ein Fachhändler vor Jahren berichtete, hätte er ein solches Unding an einer High-End-Ausstellung mal gesehen und gehört...
Doch ein Gehäuse annähernd schalltot zu machen, kostet viel Geld. Und der Aufwand, den Piega bei ihren in Belgien hergestellten Alugehäusen treibt, um ihnen das "Ringing" auszutreiben, ist gross. Da ist zunächst die nicht gerade zimperliche Wandstärke von 5 - 8 mm und dann die bei der Montage in Horgen innwendig in mehreren Lagen aufgebrachten Idikel-Dämmschicht. Und das ergibt dann zusammen mit den ebenfalls schwergewichtigen Zutaten wie Bässe etc. ein Gesamtgewicht von 46 kg pro Box.
Elegante Erscheinung

Die einer Laute nachempfundene rückseitige Verrundung der 1,12 Meter hohen 90.2 sieht nicht nur sehr elegant aus, sie macht auch akustisch Sinn und verhindert durch ihre kontinuierliche Radiusveränderung nicht nur Vibrationen sondern auch stehende Wellen im Innern des Gehäuses.
Bestückt ist die 90.2 mit zwei speziellen MOM-(Magnetic Optimized Motor) Bass-Chassis, die in einem Bass-Reflexgehäuse mit einem speziellen Reflex-Kanal, welcher gegenüber einem konventionellen Rohr eine 2 dB höhere Effizienz und deutlich weniger Störgeräusche aufweist, arbeiten. Um ein perfektes Zusammenspiel mit dem koaxialen Bändchen zu ermöglichen, wurden die Membranen, der gesamte Antrieb und die Aufhängung auf beste Transient-Eigenschaften optimiert. Die sehr steife Membran wird eigens für Piega in sorgfältiger Handarbeit hergestellt.
Jubiläums-Konzert in High-Resolution.
So quasi als Jubiläumskonzert konnte ich ein Paar Coax 90.2 mit meiner High-Resolution Software ausgiebig anhören. Als Klangquellen dienten mein MacBookPro samt Audirvana Plus Player, der KingRex UD 284 DAC mit Akku-Speisung und natürlich meine inzwischen ansehnliche Sammlung an High-Resolution Software, von denen die meisten Aufnahmen bereits bei avguide.ch besprochen wurden. Zudem kamen diverse SACDs mit klanglichen Knacknüssen zum Einsatz.
Noble Spielpartner
Als Player und Verstärker war für dieses Konzert nur das Beste gut genug: Vorverstärker T+A P 3000 HV, zwei Endstufen T+A A3000 HV und der Player T+A MP 3000 HV, eine Kombine mit einem happigen Preis von rund 46'000 Franken. Als Vergleich zur Mittelklasse diente die rund 5000 Franken teure Kombination des Marantz PM-14 S1 Players mit dem Vollverstärker Marantz SA-14 S1. Es sei gleich vorweg genommen, dass sich die Marantz-Kombination recht tapfer schlug, gegen die High-End Boliden von T+A aber einen ganz schweren Stand hatte. Hier gilt: Wenn schon, denn schon.
Der Klang der Stradivari

Den Klang der Coax 90.2 könnte man entweder schwärmerisch als "himmlisch" oder kühl technisch als "hochpräzise in jeder Tonlage" beschreiben. Doch wer mit der Coax 90.2 Musik hört, wird nicht immer restlos begeistert sein, denn dieser Lautsprecher ist alles andere als ein Klangschmeichler. So entlarven die 90.2 gnadenlos schlechte und vor allem datenreduzierte Aufnahmen und zeigen, wie grauenhaft mies man heute vielfach Musik konsumiert.
Wer den Coax 90.2 dann aber analoges High-End- oder sehr gute digitale Hi-Resolution Aufnahmen anbietet, wird rasch feststellen können, wozu die 90.2 fähig sind. Und wie es sich bei mir so eingebürgert hat, werden solange die Hör-Nerven noch ganz frisch sind, hochaufgelöste Streicherklänge angehört. Und da erscheinen die Klänge Joshua Bells 4 Millionen Dollar teure Stradivari genau richtig.
Der koaxiale Bändchen-Treiber lässt den Klang dieser Stradivari wieder aufleben, so als wäre sie erst gestern in der Werkstatt von Antonio Stradivari in Cremona gebaut worden. Auch Laien hören es sofort: Da spielt ein exzellenter Geiger auf einem Instrument der Götterklasse. So körperhaft wie hier gerade die mittleren und unteren Lagen erklingen, grenzt ans Unglaubliche. Was hier aber am meisten gefällt und überrascht ist die Homogenität. In allen Tonlagen klingt das Instrument nach Stradivari und wechselt sein Klangtimbre nicht wie auf so vielen mit unterschiedlichen Wandler-Systemen bestückten Mehrweg-Lautsprechern. Sehr schön auch, wie sich hier die Solovioline mit dem Orchesterklang vermischt und das Ganze wie aus einem Guss im Abhörraum erscheint.
Steinway pur

Nach diesen feinen Stradivari-Klängen kommt das neuste Album der Pianistin Elizabeth Joy Roe mit Klavierwerken von Britten und Barber gerade recht. Bei den knallharten und vitalen Anschlägen des hier eingesetzten Steinway-Flügels bleibt kaum ein Lautsprechergehäuse ganz ruhig, und man kann den Klang gerade im Midbass tüchtig vermisen.
Also für einmal nicht Hand aufs Herz sondern ans Gehäuse gelegt und gefühlt, ob das Gehäuse mitvibriert oder nicht. Unerwünschte Vibrationen sind auch bei markanten Anschlägen des Flügels nur noch ansatzweise zu verspüren, und das Gehör stellt eine über den gesamten Tonbereich verblüffende Transparenz fest. Absolut faszinierend ist es, wie hier das ganz spezielle und unverwechselbare Klangtimbre des Steinway-Flügels zum Tragen kommt.
Bei dieser neusten Decca Aufnahme erstaunt nicht nur die Klangschönheit dieses Instrumentes, sondern auch des begleitenden Sinfonieorchesters. Die ganz grosse Stärke des koaxialen Bändchens, die genaue Darstellung der akustischen Gegebenheiten und die Grösse des Klangkörpers, kommt hier klar zu Gehör.
Kontra C mit Power
Pflichtstück für jeden Bass-Test ist David Sanbornes Tequila, dessen Basstöne bis hinunter zum Kontra C reichen, was genau 32,7 Hz entspricht. Und wie die 90.2 diese Tiefstlagen reproduzieren, überzeugt auch mich als aktiven Kontrabass-Spieler. Mit vollem Druck und erst noch lupenrein erscheinen die Bass-Attacken des Bassisten Christian McBride. David Sanbornes Alt Saxophon nervt hier nicht durch einen oft zu hörenden grellen Sound. Nein, hier röhrt es mit seinem unnachahmlichen hohen Saxophon-Klang, der ganz tüchtig einfährt.
Erschütternd
Auch beim berüchtigten und legendären Boxenkiller der HighEnd-Test-Record, der schon etliche Schwingspulen abgefackelt hat, überzeugt die Art und Weise, wie die Coax 90.2 mit Drumkicks und generell perkussiven Impulsen umgehen kann. Bei höheren Pegel werden der Endstufe dann rasch mal einige hundert Watt Peak abverlangt, die von den Coax 90.2 in eine gigantische, sowohl den Raum als auch die Zwerchfelle der Zuhörer erschütternde Dynamik-Orgie umgesetzt werden. Und was gerade bei höheren Pegeln auffällt: Hier kommen brachiale Impulse, ohne die Gehörnerven zu peinigen. Der Grund liegt in der ungeheuren Dynamikreserve, die in den Coax 90.2 steckt. Die Potenz dieser Boxen reicht sogar in grösseren Wohnräumen völlig aus, um auch Pegel-Fetischisten voll und ganz zu befriedigen.
Den Hörtest mit den unterschiedlichsten Musikstilen weiter ausgiebig zu beschreiben, würde den vom Chef erlaubten Umfang der avguide.ch-Tests sprengen. Tatsache ist, dass die Coax 90.2 kaum Grenzen kennen und sowohl bei zartesten Streicherklängen wie bei live-gerechten Drumkicks voll im Element sind.
Fazit
Auch bei diesem Hörtest zeigte sich erneut: Die nun 15 Jahre jungen koaxialen Bändchen-Lautsprecher von Piega sind hochpräzise Schallwandler und gehören zum absolut Besten, was der Markt weltweit heute zu bieten hat. Und paart man die klingenden Meisterwerke mit exzellenten Bässen in einem ebensolchen Gehäuse, sind klangliche Höhenflüge - gute Aufnahmen vorausgesetzt - garantiert. Und wer berücksichtigt, dass das ganze erst noch echt Swiss Made ist, muss zugeben: Die nicht ganz billigen und erstklassig gefertigten Coax 90.2 sind jeden Franken wert!