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Publikationsdatum
28. Januar 2002
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DSD (Direct Stream Digital) und die SACD (Super Audio Disc) gehören zusammen wie Pech und Schwefel. Weshalb das so ist und vieles mehr, verrät Andreas Koch, ein Schweizer Ingenieur, welcher jetzt bei Sony mehrkanaliges Equipment für Aufnahmen auf Super Audio Discs baut und zudem das Amt des "Director Engineering Super Audio CD Business Center" bei Sony Electronics Inc. in Alamo (Kalifornien) inne hat.

Der gewisse Unterschied

Andreas Koch, ein in den USA arbeitender Digitalspezialist, gibt Auskunft über die mehrkanalige SACD
Andreas Koch, ein in den USA arbeitender Digitalspezialist, gibt Auskunft über die mehrkanalige SACD
avguide: Die CD wie auch DVD-Audio arbeiten im digitalen Bereich mit PCM (Puls Code Modulation), die SACD jedoch mit DSD (Direct Stream Digital). Worin besteht der eigentliche Unterschied zwischen DSD und PCM?
Koch: Bei der SACD mit der DSD-Technik ist die Wandlung von analog zu digital und zurück viel einfacher als bei PCM. Im A/D-Wandler brauchen wir kein Downsampling, und auf der Seite des D/A-Wandlers kein Upsampling.

avguide: SACD startete in Stereo und kam erst später mehrkanalig. War dies eine Folge der mehrkanaligen DVD-Audio?
Koch: Die SACD war von Anfang an als Mehrkanalformat definiert. Die ISC (International Steering Committee), das Gremium aller grossen Record Labels, hat die "Bibel” für das nächste System nach der CD festgelegt. Unter den 14 Punkten waren Hybrid-Disc, Sechskanal etc. Sony und Philips haben sich zusammengetan,haben die 14 Punkte genau angeschaut und versucht, diese zu beantworten. Das grösste Problem dabei war die Hybrid Disc. Philips hat die Hybrid Discs mehr oder weniger im Alleingang entwickelt und bewiesen, dass sie machbar ist.

Keine Hybrid Discs von Sony

SACD-Mastering und Edit-Station mi dem Namen Sonoma, die das Engineering Team von Andreas Kosch entwickelt hat
SACD-Mastering und Edit-Station mi dem Namen Sonoma, die das Engineering Team von Andreas Kosch entwickelt hat
avguide: Weshalb macht denn Sony bei der Hybrid-Disc nur zögernd mit?
Koch: Das ist schwierig zu beantworten. Es ist eine rein politische Sache. Die Sony Corp. wird in Japan stark von Sony Music Japan getrieben. Was Sony Music sagt, ist die "Bibel”.

avguide: Weshalb startete Sony mit Stereo-SACD-Spielern und Philips etwas später mit einem Mehrkanalplayer?
Koch: In Japan ist der Markt für Mehrkanal wahrscheinlich wegen den kleinen Räumlichkeiten nicht so gross. Deshalb unterstützte Sony Japan das Mehrkanalformat weniger als Philips. So ist eine Diskrepanz zwischen Sony und Philips entstanden. Philips sah den Erfolg vor allem mehrkanalig.

avguide: Wer macht denn nun neben Sony Music Mehrkanalaufnahmen?
Koch: Neu im SACD-Lager hinzugekommen ist Universal. Aber auch etliche kleine audiophile Labels wie DMP, Telarc, Delos und wie sie alle heissen nehmen mehrkanalig auf. Telarc hat pro Monat mehrere Aufnahmen gemacht und besitzt nun ein grosses Inventar an Mehrkanalaufnahmen, die nun alle abgemischt und editiert werden müssen.

5.1 - das unbekannte Medium

Der Subwooferkanal wird bei Telarc als Höhenkanal eingesetzt.
Der Subwooferkanal wird bei Telarc als Höhenkanal eingesetzt.
avguide: Wir haben den Eindruck, dass viele Toningenieure noch gar nicht wissen, was sie mit den 5.1 Kanälen eigentlich tun sollen.
Koch: Das stimmt. Es ist immer noch die grosse Frage, wie die sechs Kanäle überhaupt einzusetzen sind. Bei einer Tonmeistervereinigung in den USA gab es zum Beispiel Diskussionen, wie wichtig der Centerkanal ist. Einer fand ihn sehr wichtig zur Darstellung der Frontperspektive, eine anderer behauptete gerade das Gegenteil. So gibt es auch verschiedene Philosophien. Das kommt sicher auch auf die Musik an. Die räumliche Abbildung wird am Schluss eine artistische Entscheidung sein.

avguide: Die DMP SACD "Blues Band" mit den Vivino Brothers benutzt weder einen Center- noch einen Subwooferkanal. Wie reagiert aber der Konsument, wenn bei einem 5.1 System nur aus 4 Kanälen Musik kommt?
Koch: Da gab es tatsächlich Anrufe bei Sony, die meinten ihr Mehrkanalspieler sei kaputt, weil aus dem Centerkanal und Subwoofer kein Signal kam. Also ist es besser, man lässt ein ganz leises Signal aus diesen Kanälen als gar nichts.

avguide: Was meinen Sie zum Overhead-Kanal von dmp und Telarc? Hier wird ja der Subwooferkanal für die Information der Raumhöhe verwendet. Dieses Signal wird von ein oder zwei Lautsprechern über den Köpfen der Zuhörer abgestrahlt.
Koch: Es gab viele Abhandlungen darüber, wieviele Kanäle und welche Konstellationen es braucht, um einen Raum optimal abbilden zu können. Aber ein wesentlicher Bestandteil einer Mehrkanalaufnahme ist doch die Höhe.

Probleme durch hohe Töne?

Testraum mit Lautsprechern und Mehrkanal-Equipment. Im Hintergrund ist die Stadt San Francisco zu sehen.Testraum mit Lautsprechern und Mehrkanal-Equipment. Im Hintergrund ist die Stadt San Francisco zu sehen.
avguide: Welche Bedeutung kommt den Wandlern zu?
Koch: Wenn man schon eine Achtkanalmaschine bauen will, muss man auch Achtkanalwandler haben. Sony hatte bis dahin nur Stereowandler gebaut. Wir taten uns mit Ed Meitner zusammen. Auch er glaubt an DSD. Bei Vergleichstests gewann er mit seinen Wandlern jeden Vergleich. Der grosse Erfolg der SACD ist sicher der Wandlertechnologie zuzuschreiben.

avguide: Können Sie heute komplette Aufnahmesysteme anbieten?
Koch: Unser System heisst Sonoma. Dieses System hat alle Features zum Editieren. Wir mussten unter sehr grossem Zeitdruck 80 Prototypen bauen, die man dann den Studios abgibt.

avguide: Für Pop-Produktionen benötigen Sie heute bis zu 48 Kanäle oder sogar mehr. Sie haben aber nur 8 Kanäle.
Koch: Eine 48-Kanalmaschine ist jetzt gerade im Bau.

avguide: Können durch die enorme Bandbreite von DSD nicht Probleme für Verstärker und Lautsprecher auftreten?
Koch: Das Problem ist weniger die enorme Bandbreite, als die unangenehmen Nebeneffekte der ganzen Geschichte. Delta-Sigma braucht Noise Shaping, ein Prozess, welcher das Rauschen vom hörbaren Bereich hinauf in eine unhörbare Region verschiebt. Dieses hochfrequente Rauschen kann nicht nur analogen Verstärkern Probleme bereiten. Wann man ein solch breitbandiges Signal in ein analoges Mischpult lässt, so zeigen die VU-Meter scheinbar einen zu hohen Pegel an, der vom hochfrequenten Rauschen stammt. So muss man zum Abmischen ein gefiltertes Signal zu den VU-Metern senden.

Musik für Fledermäuse?

Mögliche Varianten der SACD: Einschichtige SACD, zweischichtige Disc mit doppelter Spielzeit und Hybrid-Disc.
Mögliche Varianten der SACD: Einschichtige SACD, zweischichtige Disc mit doppelter Spielzeit und Hybrid-Disc.
avguide: Wie wichtig ist denn der erweiterte Frequenzbereich?
Koch: Da werden wir nicht mehr wissenschaftlich, denn das ist eher Glaubenssache. Ich brauche immer wieder folgendes Beispiel: Der Mensch ist wie ein Tier, das eine Gefahr nahen hört. Tritt zum Beispiel ein Löwe auf einen trockenen Ast, so nimmt der Mensch dieses kurzzeitige Knacken sehr intensiv als Gefahr wahr. Wir hören rasch ansteigende Impulse besser als langanhaltende hohe Frequenzen, die uns keine Gefahr melden. In der Musik hat es sehr viel Impulse mit kurzen Anstiegszeiten. Das ist so meine Theorie, weshalb man Dinge hört, die sich oberhalb 20 kHz abspielen.

avguide. Was man auch hört, ist dass das Digitalfilter bei der CD Phasendrehungen verursacht.
Wie steht das bei DSD?
Koch: Das ist eigentlich die Grundmotivation von DSD, dass man die Digitalfilter herausnehmen kann. Das macht die ganze Sache viel einfacher. Es wird einfacher, gute Wandler zu bauen. Aber im professionellen Bereich ist es nicht immer so einfach, weil wir immer noch abmischen müssen. So haben wir also immer noch Frequenzgangkorrekturen, immer noch Reverbs, Massnahmen zum Editieren etc. Diese Dinge rein im DSD-Bereich zu machen ist recht anspruchsvoll. Das Pyramix-System zum Beispiel nimmt wohl in DSD auf, macht jedoch das Processing mit 8fach Oversampling PCM. Die Bandbreite ist also hier genügend gross, um die DSD-Qualität nicht zu vermindern.

avguide: Aus Kopierschutzgründen wird das Signal sowohl bei DVD-Audio als auch bei der SACD nur analog über 6 Cinch Kabel zum Verstärker geleitet. Ist es nicht möglich, hier ein digitale Schnittstelle zwischen Spieler und Verstärker zu realisieren?
Koch: Das ist absolut machbar und in Bearbeitung. Bei den professionellen Geräten haben wir bereits digitale Schnittstellen, aber die besitzen keinen Kopierschutz. Es wird eine digitale Schnittstelle geben. Momentan gehen die Anstrengungen Richtung iLINK, d.h. FireWire.

Kombispieler in Sicht

avguide: Plant Sony auch einen Kombispieler für SACD und DVD-Audio zu bringen?
Koch: Im Moment gibt es keine offiziellen Pläne für DVD-Audio und SACD sondern nur SACD und DVD-Video. Im Moment sind wir immer noch in einem Formatkrieg.
Wir müssen zunächst die SACD festigen. Es ist noch nichts entschieden. Wenn wir zweiformatig fahren, ist dies auch für den Consumer eine Verwirrung, in welchen Format er nun seine Discs kaufen soll.

avguide: Die Verwirrung ist doch wohl eher noch grösser, wenn man dem Musikfreund sagen muss, was er wo abspielen kann und wo nicht.
Koch: Die Verwirrung ist vielleicht grösser, aber es besteht doch immerhin eine Chance, dass man eine Entscheidung für ein einziges System hervorrufen kann.

avguide: Das heisst Kampf bis aufs Messer?
Koch: Es ist ein Formatkrieg aber die Philosophien sind doch recht unterschiedlich. Die SACD ist als Verlängerung der CD positioniert. Das CD-Business soll nicht gestört werden.
Aber die DVD-Audio geht viel mehr frontal gegen die CD.

avguide: Besten Dank, Herr Koch, für das hochinteressante Gespräch.

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Der Auswanderer

Koch: Im Moment sind wir immer noch in einem Formatkrieg
Koch: Im Moment sind wir immer noch in einem Formatkrieg
Andreas Koch begann seine Audio-Laufbahn anfangs der achtziger Jahre bei Studer, als Kapazitäten wie Roger Lagadec oder ein Daniele Pelloni die digitalen Studer-Produkte weltberühmt machten. Kochs Spezialität war die digitale Signalverarbeitung. Neben der Konstruktion eines Abtastratenwandlers widmete er sich der digitalen Rauschunterdrückung. Nach einer gewissen Zeit bekam er das Verlangen, auch ausserhalb der Schweiz tätig zu sein und kam als erster Digitalingenieur und Projektbearbeiter zu Dolby. Nach drei Jahren, im Jahre 87, zog es ihn wieder zurück zu Studer. Dort machte man sich bereits Gedanken was die Nachfolger der analogen und digitalen Bandmaschinen sein sollten. Das Hard Disc-Recording schien damals die Lösung zu sein. So entstand ein neues Projekt, eine Mehrkanal-Harddisc-Recorder mit einer Workstation. Gerade als dieses Produkt auf den Markt kam, geriet Studer in Probleme. Bei Sony bekam Andreas Koch in Florida im Jahre 93 eine Chance. Als DSD und die SACD aktuell wurden, stieg er in diesen Bereich ein und erhielt den Auftrag, eine mehrkanalige DSD-Maschine zu bauen.

Andreas Koch lebt mit seiner Frau (Schweizerin) und 2 Töchtern in der Nähe von San Francisco auf dem Lande und macht pro Jahr einmal Ferien in der Schweiz. Mit seinen Töchtern, die sich auf dem Lande mit ihren vielen Tieren wohl fühlen, redet er schweizerdeutsch. Er selbst fühlt sich in der Business-Welt jedoch bereits als Amerikaner.