TESTBERICHT
Der Sugden IA-4. Der Sugden IA-4.

Waren Sie schon einmal in Yorkshire? Falls ja, dann haben Sie vielleicht einen Bezug zur Phonetik dieses seltsamen Namens, der sich wie Sugden anhört – dem Namen des Firmengründers James Edward Sugden. Er baute 1967 seinen ersten Verstärker, den A21, für einen bekannten britischen Lautsprecher-Hersteller. Nur ein Jahr später jedoch endete die Kooperation bereits wieder. Dann wurde daraus der Sugden A21 mit Produktion in Cleckheaton («CKLEKHIITEN») in West Yorkshire.

Ab 1981 wurde in Heckmondwike produziert – und damit erschöpfen sich die Phonetik-Übungen bei mir. Viel wichtiger ist das Verstärkerprinzip: Class A. Das klingt sehr schön, und vielleicht hat sogar Daimler später daraus seine eigene A-Klasse gemacht (aber vielleicht auch nicht). Sugden baut seither konsequent Class-A-Verstärker. Aber was ist das eigentlich, ein Class-A-Verstärker?

Class-A-Schaltung bei Gegentakt-Endstufen

Die Class-A-Schaltung wird sowohl bei Eintakt- als auch Gegentakt-Endstufen angewandt. Im Fall des Sugden AI-7 sind es Gegentakt-Endstufen. Sie ermöglichen es, die Endtransistoren in einem besonders linearen Bereich arbeiten zu lassen. Also gerade in der Mitte des linearen Bereichs der Verstärkungskennlinie bipolarer Transistoren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Transistoren sind prinzipiell nicht sehr linear (linear = gleiche Verstärkung bei allen Frequenzanteilen). In der Regel wird das über die sogenannte Gegenkopplung kompensiert. Diese hat aber je nach Intensität klangliche Nachteile, also Dynamik-Defizite.

Bei der Class-A-Schaltung wird der Arbeitspunkt der Ausgangstransistoren in die Mitte des linearen Teils der Transistorkennlinie gelegt. Anschaulich ausgedrückt: Die Emitter-Kollektor-Strecke befindet sich auch ohne anliegendes Musiksignal in einem Zustand, der – auf die Leitfähigkeit bezogen – ungefähr in der Mitte zwischen «Sperren» und «voller Leitfähigkeit» liegt.

Daher ist die Emitter-Kollektor-Strecke jedes Leistungstransistors immer stromführend. Dies führt zu einer erheblichen Leistung und Wärmeentwicklung – auch dann, wenn kein Musiksignal anliegt. Folgedessen müssen Endstufen mit Class-A-Schaltung grosszügig gekühlt werden – grosse Kühlkörper und gute Belüftung sind also wichtig.

Dem gegenüber mutet die nutzbare Verstärkerleistung im Verhältnis zu der Abwärme gering an. Im vorliegenden Fall sind es 33 Watt pro Kanal. Damit ähneln Class-A-Verstärker ein wenig den Röhrengeräten, wenn man Leistungsaufnahme, Abwärme und Nutzleistung in Betracht zieht.

Er bleibt kühl

Sugden hat enorm viel Erfahrung mit Class-A-Verstärkern, was sich auch beim IA-4 bemerkbar macht. Das Temperaturmanagement wurde sehr gut konzipiert. Der Verstärker wird im Dauerbetrieb gerade mal handwarm. Die Kühlkörper erstrecken sich über die beiden Seiten des Gehäuses und sind über die Abdeckplatte thermisch gut verbunden. Ein Lüfter würde für das Gerät nicht in Frage kommen.

Funktionsumfang und Fertigungsqualität

Das klassische Anschlussfeld in höchster Qualität: Line-Eingänge (auch XLR), Phono-Eingang und sogar die Aufnahmeschlaufe ist noch da – schliesslich gibt es ja auch wieder Tonbandgeräte.Das klassische Anschlussfeld in höchster Qualität: Line-Eingänge (auch XLR), Phono-Eingang und sogar die Aufnahmeschlaufe ist noch da – schliesslich gibt es ja auch wieder Tonbandgeräte.

Sugdens IA-4 ist als völlig traditioneller Vollverstärker konzipiert. Es gibt keinerlei Digitaleingänge und integrierte DA-Wandler. Die Marschrichtung «Tradition» wird auch noch mit einem Tape-Eingang und einem Tape-Ausgang unterstrichen, sogar mit Hinterbandkontrolle. Stellt sich die Frage: für wen? Wer macht überhaupt noch Aufnahmen? Allerdings nimmt die Verwendung von Bandmaschinen auch wieder zu. Ob man hier einfach an einer Tradition festhält oder ob man die Bandmaschinen anpeilt, ist schwer zu sagen.

Einen Vorverstärkerausgang gibt es ebenfalls. Im Unterschied zum Tape-Ausgang ist dieser natürlich geregelt. Die 3 Line-Eingänge und der Tape-Eingang sind asymmetrisch (Cinch), und ein weiterer Line-Eingang ist symmetrisch (XLR). Der Phono-Eingang ist für MM ausgelegt und erfüllt damit einen praktischen Zweck. Echte Vinyl-Freaks werden gerne mit dem Sugden-PA-4 Phono-Vorverstärker bedient. Letzterer verfügt über zwei MC-Eingänge und einen MM-Eingang.

Alle Komponenten sind von hoher Qualität. Alle Cinch-Stecker verfügen über dieselbe Toleranz, so dass man mit der Cinch-Buchse am Kabel immer dieselbe Kontaktkraft erfährt. Die Lautsprecheranschlüsse sind besonders genial: Es lassen sich Banana und Kabelschuhe anschliessen, auch gleichzeitig für Bi-Wiring. Die Schraubhülse für Kabelschuhe kommt mit den Bananas nie ins Gehege, weil das grosse Feingewinde genug lang ausgelegt ist.

Das sind Kleinigkeiten, die nicht so wichtig sind, aber sie lassen den Rückschluss zu, dass der Hersteller auf Perfektion im Kleinen grossen Wert legt – und das tut er in allen Belangen.

Die Front ist eine Augenweide. Funktional ausgestaltet, aber auch mit einer visuellen Botschaft: Kraft, Schönheit und Klarheit. Von links nach rechts: Hauptschalter, Betriebsanzeige, Monitor-Schalter für Aufnahmen, Lautstärkenregler, Aufnahmeschalter, Infrarotempfänger und Kanalwahl.

Eine Augenweide für Verstärker-Fans: Extrem sauber verarbeitet und logisch aufgebaut.Eine Augenweide für Verstärker-Fans: Extrem sauber verarbeitet und logisch aufgebaut.

Der Aufbau im Geräteinneren ist extrem sauber und logisch. Der grosse Ringkern-Trafo ruht in einer Wanne mit umlaufender Abschirmung. Rechts und links davon liegen die wuchtigen Glättungs-Elkos. Gegen hinten dann die Vorverstärkerplatine und dahinter die Platine für Phono-Vorverstärkung und Eingangswahl. Das Lautstärkenpoti ist über eine lange Stange mit dem Lautstärkenregler an der Front verbunden.

Die Endstufenplatinen ruhen auf den Kühlkörpern, die sich über die beiden Seiten ausdehnen. Die Leistungshalbleiter befinden sich in einem Gehäuse pro Seite und sind direkt mit dem jeweiligen Kühlkörper verbunden. Eine gute Wärmeübertragung ist bei Class A besonders wichtig, ansonsten überleben die Halbleiter nicht lange.

Die Kabelbäume sind schön zurechtgetrimmt. Auch die einzelnen Kabel sind prima zurechtgebogen, und der Eingangswahlschalter ist mit einem Flachbandkabel an die Geräterückseite geführt. Das ist die alte Schule und es tat fast ein wenig weh, die Deckplatte wieder festzuschrauben.

Front und Bedienungselemente symbolisieren Kraft, Klarheit und Schönheit.Front und Bedienungselemente symbolisieren Kraft, Klarheit und Schönheit.

Testbetrieb

Testbetrieb mit dem Musikserver Weiss MAN301 als Quelle und Lautsprecher Heil Kithara WO mit HDM-ACE-Lautsprecherkabel.Testbetrieb mit dem Musikserver Weiss MAN301 als Quelle und Lautsprecher Heil Kithara WO mit HDM-ACE-Lautsprecherkabel.

Der CH-Importeur von Sugden, Martin Dürrenmatt von Precide – ist ein alter Fuchs. Er brachte gleich ein ganzes System für den Test vorbei. Ein System, das passt. Das war bei ihm schon immer so. Die Heil-Kithara-WO-Lautsprecher stammen aus eigener Fertigung. Wie kein anderer Hersteller schwört Precide auf die die Heil-Airmotion-Transformer, benannt nach dem Erfinder Oskar Heil. Ein Wandler, der nach dem Air Motion Prinzip im Hoch- und Mitteltonbereich arbeitet.

Der AMT arbeitet zwischen 650 Hz und 23 kHz als Dipol, er gibt also dieselbe Schallenergie nach vorne wie nach hinten ab. Die «Membrane» besteht aus zahlreichen Lamellen, die gegeneinander schwingend, die Luft in beide Richtungen bewegen. Das Prinzip arbeitet in diesem enorm wichtigen Frequenzbereich phasenrichtig und breitbandig, dies dank der vergleichsweise grossen Membranfläche bei sehr geringer, bewegter Masse.

Der Air-Motion-Transformer nach Heil wird heute von einigen Herstellern gebaut und favorisiert, auch für Kopfhörer. Der Bassbereich wird von einem einzelnen Basslautsprecher nach oben «abgestrahlt», die Bassreflexöffnung ist gegen unten gerichtet.

Beim Test-Setting kamen die Lautsprecherkabel MDM ACE zum Einsatz.

Beim aktuellen Preis des Sugden IA-4 von 5700.- CHF und den Heil-Kithara-Lautsprechern für 6800.- CHF ergibt sich insgesamt (mit konfektionierten Kabeln) ein Systempreis von 13'076.- CHF ohne Quellen.

Als Quelle setzte ich den bewährten Musikserver MAN301 DAC von Daniel Weiss ein.

Die neuste Generation des Heil-Air-Motion-Transformers für den phasenrichtigen und äusserst homogenen Mittel-Hochtonbereich.Die neuste Generation des Heil-Air-Motion-Transformers für den phasenrichtigen und äusserst homogenen Mittel-Hochtonbereich.

Musikerlebnis

Testanlage.Testanlage.

Die Paarung Sugden IA-4 mit den Kitahara darf unumwunden als potenziell glückliche Ehe prognostiziert werden – vor allem für Liebhaber der sanfteren Musikstile, die akustische Instrumente und natürliche Stimmen auf die Bühne zaubern. «Zaubern» und «Bühne» sind die Stichworte. Es klang zauberhaft mit jeder Art von akustisch Instrumentalem und Stimmen aus dem klassischen Fach, dem Jazz oder Folk.

Die Klangbühne wirkte ungeheuer weitläufig und luftig, exakt definiert, und wie selbstverständlich vor den Musikgeniesser hingezaubert. Da war keine holografische Klangschnitzerei. «Zauberhaft» beschreibt aber auch eine leichte Tendenz zur Beschönigung, zur geschmückten Braut. Die Nase ist ein wenig gepudert, und das Ergebnis sehr angenehm, obwohl ich es nicht immer als richtig empfand.

Im Vergleich dazu testete ich den IA-4 mit Lautsprechern von Blumenhofer, der Logik folgend – schliesslich geht es um die Qualität des Sugden IA-4, zumindest in erster Linie. Hier waren die Bässe nach meinem Empfinden, in gewissen Bereichen straffer und die Impulse sehr exakt und präzise. Die Hochton-Eigenschaften fielen im Vergleich zum Heil AMT ein wenig ab. Wer mehr zu moderneren Popklängen neigt, der der sollte auch andere Lautsprecher testhören. Der Sugden IA-4 macht seine Sache in jedem Fall gut, so denn der Wirkungsgrad zu den 33 Watt RMS des Sugden passt. Bei den Kitahara sind das hohe 94 dB.

Live-Aufnahmen waren mit allen Lautsprecher-Probanden unglaublich gut, auch hier war die Wiedergabe von akustischen Ensembles hervorstechend. Man kann darüber streiten, ob Lautsprecher Allrounder sein sollen oder ob sie Musikstile bevorzugen dürfen. Verstärker müssen meines Erachtens alles können, bei jeder Musik. Dabei besteht der Sugden IA-4 den Test. Einzige Voraussetzung ist ein gewisser Wirkungsgrad der verwendeten Lautsprecher.

Fazit

Die nicht vollständig bestückte Vorverstärker-Platine deutet auf den flexiblen Einsatz mit Optionen hin.Die nicht vollständig bestückte Vorverstärker-Platine deutet auf den flexiblen Einsatz mit Optionen hin.

Der Sugden IA-4 ist eine Empfehlung wert. Zumindest in klanglicher Hinsicht ganz eindeutig – und darauf kommt es in erster Linie an. Sugden ist Kult. Sugden ist der generische Begriff für Class A.

Der Preis ist auf der stolzen Seite, dafür bekommt man jedoch ein gutes Gerät in die Hand. 20 Kilo Lebendgewicht, sehr schön verarbeitet und elektronisch vom Feinsten.

Aber: Was man nicht bekommt, und was nun einmal schon fast als selbstverständlich erwartet wird, sind digitale Eingänge. In dieser Beziehung würde ich dem Hersteller zum Umdenken raten. Wer wie Sugden der reinen Lehre folgt, der müsste auch auf den Phono-Eingang verzichten und diese Funktion einem Zuspieler überlassen. Wer aber stadtdessen den umfassenden Vollverstärker der Zukunft entwickelt, der sollte auch «digital» berücksichtigen. Dem grossartigen Klang würde es gewiss nicht schaden.

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