
Die Portable-Audio-Branche hat den Bass entdeckt! Während HiFi-Freunde über Jahrzehnte mit vollem Recht über den magersüchtigen, ekelhaft zischenden Sound von schwachbrüstigen MP3-Playern mit ihren obligaten Stöpsel-Kopfhörern lästern durften, ist der Bass nun zu einem neuen, sehr attraktiven Werbemittel geworden.
Dass dies den Autor dieses Berichtes - als aktiver Kontrabass-Spieler - freut, ist klar, denn die Wichtigkeit des Basses wird vielfach unterschätzt. Was ist denn Musik ohne Bass? Und wie heisst es doch so schön: Ohne Bass – kein Spass!
Ob die neue, bassfreudige Generation wirklich was taugt oder nur mit leeren Versprechungen blufft, wird hier am Beispiel des Philips GoGear MP4-Players und zwei brandneuen InEar-Hörern untersucht.
Von MP3 zu MP4
Moderne MP4-Player können nicht nur Musik speichern und wiedergeben sondern auch Bilder und Videos. Sie sind somit echte Multimedia-Player.
Doch ab Mini-Display stehende und bewegte Bilder anzuschauen, ist nicht nur für viele Musikliebhaber, sondern auch für Cineasten nicht sehr attraktiv. Deshalb konzentrieren wir uns bei diesem Test auch mehr auf „grossen Klang“, als auf „winzig kleines Bild“.
Und was dieser Player in Sachen Sound so alles zu bieten hat, sprengt den Rahmen des heute Üblichen.
Aller guten Trümpfe sind 11
Philips hat bei seinem GoGear-Player rund 11 Haupt-Trümpfe auszuspielen:- Mit FullSound will man die bei der Komprimierung weggeschnittenen Klanganteile nachträglich wieder hinzufügen und vor allem einen „satteren Bass mit verbesserter Tiefenschärfe“ erzielen.
- Die geräuschisolierenden Kopfhörer sollen Umgebungsgeräusche stark abdämpfen und „einen druckvollen starken Bass“ liefern können.
- Mit der SafeSound Funktion sollen Gehörschäden vermieden werden.
- Der Micro-SD Kartensteckplatz erweitert den internen Speicherplatz (8 GB) um bis zu weitere 32 GB.
- Das 8 cm Farbdisplay soll ein „herausragendes Videoerlebnis“ ermöglichen.
- Mit der „Soundpersonalisierung“ kann der Klangcharakter auf geniale Art und Weise dem persönlichen Geschmack angepasst werden.
- Surround Sound soll bei Filmen auch über normale InEar-Hörer möglich sein.
- Die Klänge des UKW-Radio mit RDS können mittels einer Record-Funktion aufgezeichnet werden.
- Das Opensource-Programm Songbird dient als Verwaltungsprogramm für alle Medien und übernimmt die Kommunikation mit dem Internet.
- Mit der LikeMusic-Funktion kann das Musikprogramm je nach Lust und Laune gestaltet werden.
- Last but noch least für viele verspielte Freaks das Wichtigste: Der Touch-Screen mit neuen Bedienmöglichkeiten.
Der Codec bestimmt die Qualität
Doch bevor man dem GoGear-Player edle Klänge entlocken kann, muss er mittels Songbird-Verwaltungsprogramm bespielt werden.
Dies kann in folgenden Codecs geschehen: MP3, WAV, WMA, APE und im Gegensatz zu iTunes kommt er auch mit freien Codecs wie Ogg Vorbis und, ganz wichtig, dem FLAC Format klar. Es lohnt sich, sich zu informieren, welche Codecs verlustlos arbeiten und welche den besten Kompromiss zwischen Klangqualität und Speicherplatzbedarf bieten. Da gibt es dann die hitzigsten Diskussionen, auf die wir hier aus Platzgründen nicht detailiert eingehen können.
Ich persönlich rippe anspruchsvolle Musik in FLAC und Soundberieselung in MP3 mit 192 kb/sec. Und wer Musik aus dem Internet bezieht, hat in der Regel kaum die Qual der Wahl und muss mit komprimierten Dateien wie AAC oder MP3 vorlieb nehmen - ausser er findet in einem der aufkommenden aber noch kleinen Highaudio Portale den gewünschten Titel im unkomprimierten FLAC-Format.
Knast für Gehörkiller

Es ist ganz klar: Je kräftiger die Endstufe und je potenter der Hörer, umso grösser ist die Gefahr, dass bei längerem Hören mit sehr hohen Pegeln Gehörschäden entstehen können.
Deshalb hat Philips den SafeSound entwickelt. Vorsichtige Hörer, die ihr Gehör schonen wollen, aktivieren diese Funktion. Damit wird ein zu hoher Pegel automatisch limitiert. Zudem gibt ein Wochenrückblick die Sound-Dosis jeden Tages an.
Tatsache ist aber auch, dass dem Musikhörer bei einem mittellauten aber bassfreudigen Klangbild mehr Adrenalin einschiesst, als bei einem extrem lauten und hell kreischenden Sound. Zudem ist es interessanterweise nicht ein lauter Bass, der das Gehör schädigt, sondern die Frequenzanteile um 4 kHz, bei denen das Gehör besonders empfindlich ist.
Und genau in diesem Frequenzbereich verliert das Gehör denn auch bei lang andauernden hohen Pegeln an Empfindlichkeit, was in einem bleibenden Gehörschaden enden kann.
Klangfelder statt Kuhschwanz-Regler

Die Art und Weise wie der GoGear-Player sich an die klanglichen Wünsche des Musikhörers anpassen kann, ist bemerkenswert. Wem der Klang einer Aufnahme mit FullSound nicht passt, kann zur eigentlichen Klangregelung wechseln.
Vorbei sind hier die Zeiten, wo man mit einer sogenannten „Kuhschwanzregelung“ nur Bässe und Höhen regeln konnte. Die neue Klangregelung unterscheidet sich auch grundlegend von grafischen und parametrischen Equalizern.
Neu kann der Musikhörer sich in verschiedenen, sich überlappenden Klangfeldern tummeln. Mit einem von der Fingerspitze über den Touchscreen geführten Button kann sich der Hörer in folgenden Klangfeldern frei bewegen:
- „Neutral“ für eine lineare, unbeeinflusste Wiedergabe
- „Warm“ mit kräftigem Bass, dezenten Mitten und „warm“ klingende Höhen
- „Leistungsstark“ mit Mega-Power-Bass (!), Mitten abgesenkt, dafür Obertöne angehoben
- „Glänzend“ mit hellem Klang und betonten Obertönen
- „Vocal“ mit betontent Mitten und abgesenkten Bässen
Komfortabel
Weiter bietet der Player einen ausgefeilte Bedienung, die wir hier nicht im Detail beleuchten können. Der TouchScreen fuktioniert perfekt und es macht Spass, über die Listen auf und ab zu scrollen.
Auch das UKW-Radio mit manuellem und automatischem Sendersuchlauf klingt recht gut und die Aufzeichnung erfolgt sogar in Stereo. Natürlich ist das kein hochempfindlicher HiFi-Stereo-Tuner. Um Rauschen bei schwächeren Stereosendern zu verhindern, schaltet das Gerät bei den meisten Sendern auf Mono. Damit muss und kann man bei einem portablen Gerät, welches das Kopfhörerkabel als Antenne benutzt, leben.
Im reinen Spielbetrieb schafft der Akku des Players im Test eine ununterbrochene Musik-Wiedergabe von bis zu rund 36 Stunden (Herstellerangabe: 24 Std). Je nachdem wie lange das Display in Aktion ist, verkürzt sich natürlich die maximal mögliche Spielzeit.
Ein Härchen in der Suppe ist allerdings, dass sich der Spieler beim automatischen Umschalten des Displays vom Klangfeld-Menü zu einem anderen Menü verschluckt und die Lautstärke kurz wackelt.
Grosse Klänge aus kleinem Player?
In der Regel sind die Verstärker am Kopfhörerausgang von MP3- und MP4-Playern meist eher schwach auf der Brust und können grossen HiFi-Hörern keinen satten Sound entlocken.
Um dies zu prüfen, wird der Sennheiser HD600 angeschlossen und gestaunt: Noch nie habe ich meine Lieblingsgruppe Dare, die meist eher schlecht als recht aufgenommen wurde, so satt und vital gehört! Ultradynamisch und urplötzlich mit einem satten, tiefen Bass, bringt diese Player/Hörer-Kombination den an einen rauchigen Lagavulin SingleMalt erinnernden gefühlvoll-heiseren und gewaltig-weiträumigen Klang der aus Britannien stammenden Band.
Die maximal erzielbare Lautstärke ist zwar nicht sehr hoch, doch für gesunde Ohren völlig ausreichend! Zudem sind auch bei voll aufgedrehter Lautstärkeregelung keinerlei Verzerrungen zu hören.
Doch eine innere Stimme flüstert: Aufgepasst! Denn da kann was nicht stimmen!
Sound-Magie

Gesucht und gefunden: Des Rätsels Lösung liegt beim aktivierten FullSound!
Die Philips Sound-Magier haben die seit Jahren angewandte FullSound-Technologie nochmals gründlich überarbeitet. Während man früher unter anderen Tuning-Details eine drastische Höhenanhebung vornahm, was bei gewissen Aufnahmen zu einer penetranten Schärfe führte, macht man heute genau das Gegenteil. Den Klang macht man generell wärmer und hebt den Bass gewaltig an!
Doch wer ganz heikle Aufnahmen genau durchhört wird bemerken, dass da auch tüchtig an der Dynamik herumgeschraubt wird. Ganz leise Stellen werden angehoben, andere abgesenkt. Zuweilen sind leichte Pump-Effekte vernehmbar.
FullSound ist somit meiner Meinung nach nicht ein möglichst klang-authentischer „MP3-Restaurator“, sondern ein raffinierter Klangprozessor, welcher sowohl den Frequenzgang als auch die Dynamik relativ stark beeinflusst.
Und so wirkt die FullSound-Wiedergabe nicht nur bei rock-poppigen Sounds meist positiv. Ja, sogar bei Klassik erklingen zum Beispiel die Violinen wärmer, die Celli runder. Nur bei schon von Natur aus eher matten und etwas zu basslastigen Aufnahmen bewirkt das FullSound dann des Guten zuviel und der Klang beginnt dumpf zu dröhnen.
New Generation
Zum GoGear-Player kriegt man einen der neuen, geräuschisolierenden InEar-Hörer sozusagen geschenkt.
Der Clou dieser Spezies von Hörer ist, dass superweiche Silikonkappen den Gehörgang zum Hörer vollkommen abdichten. Dies ermöglicht bei vielen Hörern tiefe, satte Bässe und eine sehr wirkungsvolle Abschirmung des Gehörs von Umgebungslärm. Wie andere Kopfhörer auch, sind InEar-Hörer bezüglich ihres Tragekomforts etwas gewöhnungsbedürftig und von der notwendigen Hygiene mit möglichst häufigen Wattestäbchen-Aktionen wollen wir gar nicht reden... Doch punkto Platzbedarf gibt es bei Reisen kaum eine Alternative.
Und so wird dasselbe Programm mit dem mitgelieferten Hörer nochmals durchgehört. Resultat: Dieser Hörer blendet zwar Umgebungsgeräusche effizient aus und kann auch sehr laut spielen. Doch klanglich wirkt er bei linear eingestellten Klangreglern eher etwas schwach auf der Brust und im Bass eher dünn.
Nur dank FullSound und der genialen Klangregelung kriegt man auch mit diesem Hörer einen einigermassen kraftvollen Klang zu hören. Also alles in allem jedoch keine Klangsensation. Aber einem geschenkten Gaul schaut man ja auch nicht ins Maul...
Con Basso

Als mögliche Spielpartner zum GoGear-Player findet man im Philips-Programm gleich zwei hochinteressante InEar-Hörer, den bassfreudigen SHE9000 und den SHN4600 mit aktiver Geräuschreduzierung.
Der SHE 9000 kostet 69.95 Franken UVP (weshalb nicht gleich 70 Franken?) und besitzt ein äusserst stabiles Metallgehäuse.
Er ist der richtige Hörer für Leute, die eine Abneigung gegen grelle, magere Sounds haben und begeistert Freunde warmer, satter Schmuse-Sounds mit einem druckvollen, starken Bass , weichen Mitten und samtigen Höhen. Hier braucht es weder FullSound noch Klangregler, um dem Klang Volumen zu verleihen. Eher ist es mal nötig, brillanzarme Aufnahmen etwas aufzuhellen.
Linear eingestellt fehlt es den Becken bei jazzigen Aufnahmen zuweilen etwas an Brillanz und harten rockigen Sound fehlt es etwas an „Knall“. So ist man hier - je nach Aufnahme - eher geneigt, die Klangregelung auf „hell“ zu stellen und den Bass etwas abzusenken.
Mit dem Hörer lassen sich gefährlich hohe Lautstärken einstellen und die SafeSound-Funktion sollte bei gefährdeten Personen unbedingt aktiviert werden. Der Hörer blendet Umgebungslärm bis zu einem gewissen Pegel aus und eignet sich für alle Arten von Musik, sogar für anspruchsvolle Klassik.
Ein überaus warm und bassig klingender Hörer.
Lärm-Killer in Aktion

Der SHN4600/10 InEar-Hörer ist mit einer elektronischen Umgebungsgeräusch-Reduzierung ausgestattet und eignet sich deshalb für ungestörten Musikgenuss in lärmiger Umgebung ganz besonders.
Im Kabel integriert ist ein kleines Elektronik-Kästchen, in welchem der Lärm-Killer sitzt. Zudem kann hier die Lautstärke reguliert und auf Tastendruck der Talk-Mode aktiviert werden.
Obwohl man bei diesem Hörer den Volumeregler am Player deutlich mehr aufdrehen muss als beim SHE 9000, sind auch hier absolut ausreichende Pegel möglich. Klanglich gleicht er dem SHE9000, liefert aber klarere Mitten und brillantere Höhen. Er geht somit eher in Richtung klangneutralem HiFi-Hörer.
In Sachen Verminderung des Umgebungslärms leistet er fast Unglaubliches. Mit diesem Hörer ist es möglich, mitten in der Stadt bei offenen Fenstern und starkem Verkehr leise und (fast) ungestört Musik zu hören. Dieser Hörer blendet Störschall in tieferen und mittleren Tonlagen sehr effizient aus. Lediglich bei hohen Frequenzen wie Polizei-und Krankenwagen-Sirenen, zischelnden Reifengeräuschen auf nassen Strassen etc. lässt er noch etwas Umgebungslärm zum Gehör.
Der SHN4600 kostet SFr. 99.95 UVP (weshalb nicht gleich SFr. 100 ?)