TESTBERICHT
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Sensor: Format und Auflösung

Das extremste Merkmal der D800 ist ihre Auflösung von 36,3 Megapixel. Bislang markierten 24 Mpx bei Spiegelreflex- und den spiegellosen Systemkameras die absolute Spitze, während seit rund zwei, drei Jahren das Gros der Kameras 14 bis 16 Mpx und die höherwertigen Modelle gar 18 bis 21 Mpx aufweisen.

36 Megapixel ist nun ein gewaltiger Sprung nach vorne, wobei sich diese immerhin auf einem Fläche von 35,9 x 24 mm verteilen, während bereits länger  Spiegelreflexkameras erhältlich sind, die auf dem halb so grossem Sensor (APS-C-Format, ca. 17 x 23 mm) 16 oder 18 Mpx bieten.

Mit ihren 36 Mpx dringt die D800 jedenfalls auflösungsmässig in Bereiche vor, die bislang dem hoch professionellen digitalen Mittelformat vorbehalten war, wo die Sensoren theoretisch bis zu 4,5 x 6 cm gross und Auflösungen um 40 Mpx üblich sind, aber auch bis zu 80 Mpx für den Preis eines grösseren Autos angeboten werden.

Hinweis: Mittel-, Kleinbild- und das noch kleinere APS-Format sind fotografische Filmformate, die auch zur Klassifizierung von digitalen Kameras dienen, denn die Sensorenflächen entsprechen annäherungsweise jenen Filmformaten. (Mehr übers Mittelformat lesen Sie in einem PDF der Zeitschrift Publisher. Alle Systemkameras samt den Mittelformatmodellen finden Sie im Marktübersicht-PDF des Autors aufgelistet.)

Vielfältige Aufnahmeformate

Was die D800 auszeichnet, ist nicht nur die Auflösung des Sensors, sondern auch dessen Grösse. Mit 35,9 x 24 mm entspricht er dem zur Zeit der analogen bzw. filmbasierten Fotografie stark verbreiteten Kleinbildformat, bei dem Negative und Dias im Format 36 x 24 mm auf 35mm-Film (135er Filmpatronen) belichtet wurden/werden. Bei Digitalkameras spricht man in dem Fall von einem Vollformatsensor. Nikon bezeichnet dies als FX-Format und die kleinere Sensorgrösse als DX-Format (allgemein als APS-C-Format bezeichnet). Lange  bot Nikon nur Kameras mit Sensor im DX-Format und noch heute stellen diese die Mehrheit im Kameraangebot dar. Passend dazu hat Nikon eine separate, eher günstige Objektivlinie geschaffen.

Solche DX-Objektive lassen sich auch an der D800 verwenden. Wer also schon DX-Objektive besitzt, kann diese an der D800 verwenden. Man kann auch absichtlich das DX-Format wählen, denn dies bringt unter Umständen in der Praxis Vorteile.

Durch die Beschneidung des Bildwinkels (Crop) kommt es zum Effekt, der als Brennweitenverlängerung bekannt ist und den Verlängerungsfaktor 1,5 aufweist. Ein 24-120 mm-Objektiv zeigt bei (automatisch oder manuell) aktiviertem DX-Format den Ausschnitt eines 36-180 mm-Objektivs. Ansonsten würden Aufnahmen mit DX-Objektiven (je nach Brennweite und Blende) mehr oder weniger starke Randabschattungen und -unschärfen in Vollformataufnahmen zeigen.

Man kann den DX-Modus aber auch bei Vollformatobjektiven manuell wählen und als  "eingebauten Telekonverter" nutzen. Neben der Brennweitenverlängerung bietet dies noch folgende zwei Vorteile. Im DX-Format beträgt die maximale Auflösung der Fotos 16 Mpx mit entsprechend kleineren Dateien (Platzersparnis), und es lassen sie schnellere Serien schiessen (5 statt 4 fps).

Neben dem FX- und dem DX-Format im 3:2-Seitenverhältnis stehen zwei weitere Formate für Fotos zur Verfügung. Das Format Seitenverhältnis 5:4 mit seitlicher Beschneidung für gewisse Zeitungsformate nutzt nur 30 x 24 mm des Sensors, und dann gibt es noch einen weiteren Crop-Modus 1,2x (3:2) mit entsprechender Brennweitenverlängerung.

Videos werden übrigens stets in 16:9 aufgenommen, profitieren aber im aktivierten DX-Format von der Brennweitenverlängerung.

D800E: die etwas schärfere D800

Die eingangs erwähnte Nikon D800E unterscheidet sich nur in einem hauchdünnen Detail und dem höheren Preis von der normalen D800. In dem unmittelbar vor dem Sensor platzierten Filterpaket der D800E fehlt die Anti-Aliasing- bzw. Low-Pass-Filterschicht. (Andere Filterschichten wie z.B. das Infrarotfilter sind aber vorhanden.) Dadurch fallen die Aufnahmen schärfer aus, doch umgekehrt erhöht sich das Risiko von Moirés und Aliasing in den Aufnahmen. Moirés sind störende Mustereffekte, die durch Interferenz von sich überlagernden Mustern entstehen. Bei Aufnahmen sind dies die schachbrettartig angeordneten Sensorelemente und allfällige regelmässige Strukturen im Motiv wie z.B. Stofftextur, Druckraster. Wer beispielsweise mit einem Flachbettscanner Zeitschriften mit gerasterten Bildern digitalisiert, begegnet diesem Problem. Als Aliasing wird die stark auffallende stufenartige Darstellung von schrägen Linien bezeichnet.

Die D800E wird deshalb mit dem RAW-Entwicklungsprogramm Nikon Capture NX2, für die Bildoptimierung geliefert, das beim Beseitigen allfälliger Moirés am Computer hilft. Ausserdem wird die D800E nur über Nikon Fachhändler ausgeliefert, die mit ihrem Knowhow den Käufern die nötige Beratung bieten können, statt einfach nur zu verkaufen.

In unserem Test haben wir parallel Aufnahmen mit beiden Kameramodellen gemacht. Bei normaler Betrachtung von Aufnahmen ist der Schärfevorteil kaum sichtbar und erst die stark vergrösserte Darstellung offenbart den ausgesprochen minimalen Vorsprung. Lapidar formuliert ist die Wirkung mit der um eine Stufe erhöhten kamerainternen Schärfung vergleichbar. Umgekehrt stellten auch Moirés kein grosses Problem bei Fotoaufnahmen dar bzw. können auch mir der normalen D800 auftreten. Sie können bei RAW-Fotos wirksam entfernt werden. Bei Aufnahmen kann eine Änderung der Aufahmedistanz oder ein Abblenden (vergrössert Schärfentiefe, veringert aber ab ca. Blende 11 die Detailschärfe) helfen. Im Praxistest traten Moirés vor allem bei Videoaufnahmen und besonders solchen mit 720p störend in Erscheinung – sehr stark bei abgefilmten Drucksachen oder Lamellenstoren, kaum bei verschiedenen Stoffmustern.

Wer also aufgrund des kleinen Vorteils mit der D800E für Fotoaufnahmen liebäugelt, sollte die Kamera anhand seiner bevorzugten Motive samt geeigneten Objektiven im eigenen Workflow erproben. Für Videofilmer dürfte die D800 in der Regel die bessere Wahl sein.