TESTBERICHT
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Publikationsdatum
18. September 2021
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Über die technischen Innovationen bei der neuen 800 Serie D4 von Bowers & Wilkins haben wir bereits ausführlich berichtet (nachzulesen: hier). Auch das zweitgrösste Modell 802 D4 lehnt sich grundsätzlich an der Konzeption der Vorgängergeneration an, zeigt aber in sämtlichen Bereichen deutliche Verbesserungen – und diese nicht nur im Detail, sondern durchaus grundlegender Art. 

Die fantastische Diamantkalotte arbeitet in einer neu gestalteten, knapp 30 cm langen «Nautilus»-Röhre. Die Aerofoil-Membranen der beiden 20-cm-Tieftöner agieren nun noch steifer und impulsfreudiger, auch dank überarbeiteter Antriebe. Und der eh schon innovative, weil sickenlose Continuum-Mitteltöner bekam eine revolutionäre Zentrierspinne, welche sein Ansprechverhalten und Wiedergabeniveau enorm aufwertet.

Auch wurden die Matrix-Verstrebungen des Gehäuses noch rigider ausgelegt und zusätzlich mit Aluminium verstärkt. Hinzu kommt eine massive Aluminium-Deckplatte auf der Gehäuseoberseite. Die schmale Rückwand der Gehäuse bildete eine länglich gerippte Aluminiumplatte, die das gerundete Gehäuse aus Mehrschichtholz abschliesst. Dieser immense Materialaufwand zahlt sich hinsichtlich Stabilität sowie Resonanzarmut aus und erklärt das satte Gewicht von total über 88 kg pro Box. Dennoch lässt sich die 802 D4 überraschend einfach im Hörraum herumschieben. Denn sie verfügt (wie schon die Vorgängerin) über den bewährten Aluminiumsockel mit integrierten Rollen bzw. dem Spikes-Mechanismus. Damit lässt sich die Box problemlos zur gewünschten Hörposition hinbewegen.

Das gerundete Matrix-Gehäuse wird rückwärtig durch eine massive, gerippte Aluminium-Platte abgeschlossen. Auf deren Innenseite ist auch die Frequenzweiche resonanzbedämpft untergebracht.Das gerundete Matrix-Gehäuse wird rückwärtig durch eine massive, gerippte Aluminium-Platte abgeschlossen. Auf deren Innenseite ist auch die Frequenzweiche resonanzbedämpft untergebracht.

Zwar lehnt sich das Design der vierten Generation der Serie 800 unverkennbar an dem der Vorgänger an; dennoch wirkt die 802 D4 im Detail zierlicher und eleganter. Dazu tragen nebst der rundum feinen Verarbeitung diverse schöne Detaillösungen bei: So bleibt der äussere Rand der Aluminium-Deckplatte als «Zierring» sichtbar und geht eine gelungene Symbiose mit dem haptisch wunderbaren Belag aus farblich passendem Connolly-Leder ein. Auch die sichtbaren Metallfassungen, in denen die beiden Basschassis auf der gerundeten Schallwand untergebracht sind, passen harmonisch ins Bild. Die (je nach Modell schwarzen oder silberfarbenen) Stoffabdeckungen können auf Wunsch entfernt werden. 

Die Serie 800 D4 ist in vier verschiedenen Farbtönen erhältlich: Neu stehen nebst Schwarz glänzend, Weiss und Satin Rosenut auch Satin Walnut (Nussbaum) zur Auswahl.Die Serie 800 D4 ist in vier verschiedenen Farbtönen erhältlich: Neu stehen nebst Schwarz glänzend, Weiss und Satin Rosenut auch Satin Walnut (Nussbaum) zur Auswahl.

Die zwei 20-cm-Aerofoil-Basstreiber wurden gegenüber den Vorgängern ebenfalls überarbeitet. So etwa beim Antriebssystem (Magnet, Schwingspule), aber auch bei der speziellen Formgebung der Verbundmembranen aus Carbonfaser mit Schaumstoffkern. Ein Antiresonanz-Plug im Zentrum dient dazu, die Membranbewegungen zu harmonisieren. Die bewährte aerodynamische «Flowport»-Bassreflexkonstruktion soll für eine ebenso druckvolle wie resonanzarme Tieftonwiedergabe bis zu unter 20 Hz sorgen.

Der sickenlose FST-Continuum-Mitteltöner verfügt nun über einen Korb mit zusätzlichen Schwingungsdämpfern.Der sickenlose FST-Continuum-Mitteltöner verfügt nun über einen Korb mit zusätzlichen Schwingungsdämpfern.

Auch der FST-Mitteltöner mit sickenloser Aufhängung und Continuum-Membran erfuhr entscheidende Veränderungen. So werden die Aluminium-Körbe nun zusätzlich mit Schwingungsdämpfern «beruhigt». Sie sind über abgefederte Entkopplungslager in neu gestalteten «Turbine Head»-Kugelgehäusen aus Aluminium untergebracht. Diese sind vom darunterliegenden Bassgehäuse weitgehend akustisch isoliert.

Kleines Bauteil, grosse Wirkung: Die minimalistische Zentrierspinne sorgt für freieres Schwingen der Membran und geringere mechanische Verluste.Kleines Bauteil, grosse Wirkung: Die minimalistische Zentrierspinne sorgt für freieres Schwingen der Membran und geringere mechanische Verluste.

Fast schon revolutionär ist die neuartige «biomimetische» Zentrierspinne. Anstelle einer herkömmlichen Gewebespinne sorgt ein äusserst schlankes Aufhängungssystem dafür, dass unerwünschter Luftdruck hinter der eigentlichen Membran gar nicht erst aufgebaut wird. Letztere kann somit deutlich freier ein- und ausschwingen. Zusätzlich profitiert wohl auch die mechanische Güte des Mitteltöners insgesamt. Dieser messbare elektroakustische Parameter beeinflusst insbesondere das Ansprechverhalten eines Schallwandlers bei niedrigen Pegeln: Je geringer die mechanischen Verluste (und je höher die Güte), desto müheloser setzt er elektrische Impulse in Schall um. Tatsächlich bestätigt der Hörtest, dass die neue 802 D4 auch im Mitteltonbereich enorm schnell und filigran agiert.

Diese Explosionszeichnung offenbart den enormen konstruktiven Aufwand beim neu konzipierten Diamant-Hochtöner der 802 D4.Diese Explosionszeichnung offenbart den enormen konstruktiven Aufwand beim neu konzipierten Diamant-Hochtöner der 802 D4.

Betreffend der verwendeten Frequenzweichen-Technologie spezifiziert Bowers & Wilkins nur wenig: Nach wie vor gilt wohl die Devise: «Weniger ist mehr». Die eigenen Chassis sind von Hause aus so gut, dass schon wenige Bauteile im Signalweg für eine lineare Wiedergabe ausreichen. So verwendet man im Hochtonbereich ein Filter erster Ordnung, welches sich durch ein ideales Phasenverhalten auszeichnet. Es reicht schon ein Kondensator, um die wertvolle Diamantkalotte vor tieffrequenten Frequenzanteilen zu schützen.

Wer hierbei womöglich eine Sparmassnahme vermutet, liegt aber völlig falsch: Der verwendete Kondensator vom Typ MCap Supreme von Mundorf kommt mit ölgetränktem Silber/Gold-Dielektrikum und kostet pro Stück sagenhafte 175 Franken. Zusätzlich kommen winzige Bypass-Kondensatoren zum Einsatz – eine Tuning-Massnahme, die sich schon bei der 702 Signature (Test nachzulesen: hier) ausgezahlt hat. Sie erhöhen die Gesamtkapazität nur unwesentlich (um 0,02 µF), sorgen aber wohl dafür, dass die allerhöchsten Frequenzanteile noch besser übertragen werden.

Ab rund einem halbem Meter Abstand zur Rückwand fühlt sich die 802 D4 hörbar wohl. Eine relativ eckennahe Aufstellung (> 0,5 m) nimmt sie auch nicht übel.Ab rund einem halbem Meter Abstand zur Rückwand fühlt sich die 802 D4 hörbar wohl. Eine relativ eckennahe Aufstellung (> 0,5 m) nimmt sie auch nicht übel.

Generell gilt auch bei der vierten Generation der 800 Serie Diamond: «Form follows Function». Dennoch wirkt gerade die 802 D4 gegenüber der Vorgängerin vom Design her schlüssiger und integrierter. Das Funktionale tritt etwas mehr in den Hintergrund. Zudem hat man mit der Einführung einer weiteren Farbvariante (Nussbaum) eine grössere Modellauswahl, passend zum jeweiligen Wohninterieur.

Problemlose Aufstellung

Grundsätzlich kann man die 802 D4 problemlos platzieren. Dies bedeutet, sie verhält sich gar nicht heikel und fühlt sich in verschiedensten Hörumgebungen auf Anhieb wohl. Dennoch lohnt es sich, experimentell die optimale Hörposition herauszufinden. Die Boxen bedanken sich dafür in Form einer unglaublich weiten und tiefreichenden Klangbühne, deren räumliche Transparenz ihresgleichen sucht.

Bowers & Wilkins empfiehlt einen minimalen Wand-/Eckenabstand von 0,5 m. Tatsächlich sorgt die besondere Flowport-Konstruktion dafür, dass die 802 D4 selbst bei wandnaher Aufstellung nicht zum Dröhnen neigt. Durch Variieren der Distanz lässt sich die Intensität besonders im Tiefbass feinfühlig dosieren. Bowers & Wilkins legt ansonsten das klassische Stereo-Dreieck mit Anwinklung der Lautsprecher auf die Hörposition hin nahe. Wem das aus optischen oder wohnlichen Gründen zuwider ist, der kann alternativ eine parallele Ausrichtung ausprobieren. Das Abstrahlverhalten der 802 D4 ist auch zur Seite hin so homogen, dass man in einer sehr weiten Hörzone vor den Lautsprechern einen einwandfreien Stereo-Eindruck gewinnt. So etwas wie einen «Sweet-Spot» kennen die britischen Standlautsprecher definitiv nicht.

Ideale Spielpartner für die 802 D4: Vor- und Endverstärker Classé Delta Pre und Stereo.Ideale Spielpartner für die 802 D4: Vor- und Endverstärker Classé Delta Pre und Stereo.

Die passenden Spielpartner

Schon die Vorgängerserie 800 D3 von Bowers & Wilkins war keineswegs anspruchslos, was die Elektronik und Kabel betrifft. Auch bei der neuen 802 D4 gilt es, passende Spielpartner und Peripherieprodukte sorgfältig auszusuchen. Nicht etwa, weil sie an mittelprächtigen Komponenten gleich schlecht klänge. Sondern vielmehr, weil sie jedes Plus an Güte getreulich in ein Mehr an Klangqualität umsetzt.

Bei unserem ausführlichen Hörtest kamen feinste Vor- und Endverstärker vom kanadischen Hersteller Classé zum Einsatz. Der Vorverstärker Delta Pre und der Endverstärker Delta Stereo hatten bereits im Zusammenspiel mit dem Vorgängermodell Bowers & Wilkins 802 D3 (Test nachzulesen: hier) für exorbitante Klangtransparenz und eine verblüffende räumliche Durchhörbarkeit gesorgt. Mit dafür ausschlaggebend ist sicherlich der Umstand, dass die Delta-Endstufe bis zu 2 x 12,5 Watt nach dem Class-A-Prinzip arbeitet. Diese «heissblütige» Funktionsweise kennt keinelei Übernahmeverzerrungen, agiert impulsschneller und mit insgesamt sehr geringem Klirr gerade auch im Hochtonbereich. Bei Bedarf stehen dann bis zu 2 x 250 Watt in Class-AB zur Verfügung. Der durchgehend hohe Dämpfungsfaktor sorgt dafür, dass Gegeninduktion vonseiten des Lautsprechers keine Chance hat, den Signalfluss zu beeinträchtigen.

Der Delta Stereo von Classé arbeitet bis zu 2 x 12,5 Watt in reinem Class A. Davon profitieren Feinzeichnung und räumliche Transparenz.Der Delta Stereo von Classé arbeitet bis zu 2 x 12,5 Watt in reinem Class A. Davon profitieren Feinzeichnung und räumliche Transparenz.

Auch der Vorverstärker weist Messwerte der Superlative auf. Rauschen soll 130 dB unter dem Nutzsignal liegen, der Frequenzumfang bis zu sagenhaften 2 MHz reichen. Ebenso wie beim Endverstärker fallen Intermodulationsverzerrungen sowie harmonische Verzerrungen höherer Ordnung extrem gering aus. Der Pre wartet zudem mit vielen sinnvollen Komfortfunktionen auf. Dazu gehört auch eine verlustfreie Klangregelung auf 32-Bit-DSP-Basis, mit der sehr komfortabel Eigenheiten der Raumakustik oder tonale Fehler von Aufnahmen korrigiert werden können.

Insbesondere die «Tilt-Funktion» bewährt sich im musikalischen Alltag, weil sich damit die Klangbalance feinfühlig ins Lot bringen lässt. Die NF- und Lautsprecherverbindungskabel der Testanlage stammten vom deutschen Hersteller Silent Wire (Serie 32 Cu), zudem sorgte ein «Power Conditioner» vom gleichen Hersteller für sauberen Strom.

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