TESTBERICHT
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Testkriterien

Ich stellte mir die Aufgabe, den DL-A110 mit einem DL-103-Tonabnehmer auf einer normalen Headshell zu vergleichen – beide am selben Tonarm und natürlich auf demselben Laufwerk. Der sphärische Nadelschliff eignet sich zwar für jede Vinylschallplatten, ist aber besonders beliebt für alte Pressungen (50er/60er-Jahre) und macht auch bei Mono-Aufnahmen eine sehr gute Figur. Ich wollte mich daher auf alte Original-Pressungen konzentrieren. Ich verwendete meinen massereichen, also schweren 12-Zoll-Tonarm von Schick ohne Antiskating. Das ist eine gute Paarung.

Der 12-Zoll-Tonarm von Schick, DL-A110 – und das alles auf einem TD124/II-Laufwerk von Thorens von 1966 (Seriennummer 72600).Der 12-Zoll-Tonarm von Schick, DL-A110 – und das alles auf einem TD124/II-Laufwerk von Thorens von 1966 (Seriennummer 72600).

Da meine Headshell mit dem DL-103 deutlich schwerer ist als mit dem leichtgewichtigen DL-A110, musste ich jeweils das grössere bzw. kleinere Gegengewicht anbringen. Das erforderte beim Vergleich einen Umbau-Aufwand. Ich wählte zudem eine leicht höhere Auflagekraft als in der Spezifikation: 2,8 Gramm anstelle von 2,5 Gramm. Das MC-System hat nur 0.3 mV Ausgangsspannung und braucht deshalb einen MC-Phonovorverstärker. Ich wählte einen Step-Up-Transformator von Auditorium 23 für die Spannungsverstärkung, dazu den integrierten Phonovorverstärker in meinem Vollverstärker Rega io. Lautsprecher? Meine LS 3/5 A von Rogers im Nahfeld.

Man muss sich im Klaren sein, dass der eigentliche Tonabnehmer der klassische DL-103 ist. Den bekommt man für ca. 300 CHF. Wenn man für eine Top-Headshell dann noch 150 bis 200 CHF ausgibt, was schon auf der teuren Seite ist, und das selbst konfektioniert, dann landet man bei maximal 500 CHF – und bleibt damit also deutlich günstiger.

Die Sache ist auch die, dass das Kunststoffgehäuse des DL-103, welches den Generator einschliesst, von Fans eher als Schwachstelle gesehen wird. Deshalb gibt es viele modifizierte DL-103 auf dem Markt, bei denen der Generator in ein hochwertiges Gehäuse verpflanzt wurde. Mitunter wird auch Graphit verwendet. Beim DL-A110 blieb das DL-103-Gehäuse unangetastet, damit man den Tonabnehmer bei «End of Life» später austauschen kann.

Klangeindrücke

Gewiss war das System noch nicht eingespielt. Es musste sich infolge meiner Ungeduld zu einem noch nicht idealen Zeitpunkt behaupten. Doch an dieser Stelle noch ein paar Worte zur Klang-Signatur des DL-103: Es herrscht breite Einigkeit, dass der legendäre Tonabnehmer über eine verführerische, blühende Klang-Signatur verfügt, die man anfänglich einer leichten Anhebung im hohen Bass- bzw. im tiefen Mitteltonbereich zuwies. Im Frequenzschrieb wird das nicht deutlich, da jener wie üblich erst bei 1 kHz beginnt. Doch wenn man extrapoliert, vermutet man eine Badewanne mit Tiefstand bei 5 kHz und ein Hochstand bei 200 Hz. Die Differenz kann 3 bis 4 dB ausmachen.

Der Schick-12-Zoll-Tonarm hat relativ viel Masse und bringt den DL-A110 auf Touren. Dabei ist es noch weit entfernt von «eingespielt».Der Schick-12-Zoll-Tonarm hat relativ viel Masse und bringt den DL-A110 auf Touren. Dabei ist es noch weit entfernt von «eingespielt».

Das Low Output MC System produziert eine verschwindend kleine 0.3-mV-Amplitude an seinem Ausgang und benötigt daher viel Verstärkung. Gleichwohl sind die bewegten Spulen (Moving Coil) extrem klein und leicht, wie auch der hart gelagerte Nadelträger, sodass sich die Nadel sehr flink durch die Rille bewegt, geführt durch (in der Regel) masseträge Tonarme bei einer happigen Auflagekraft von 2,5 Gramm. Man vermutet in dieser bewährten Konstruktion die Ursache einer Klangeigenschaft, die keine Klangverfärbung ist.

Die DL-103 lösen nach meiner Erfahrung eher mittelmässig auf und können mit den teuren Topsystemen diesbezüglich nicht ganz mithalten. Sie haben aber etwas Grandioses, Kräftiges und eben Blühendes. Und genau das findet man bei vielen hochgelobten Super-MCs eben nicht. Erstaunlicherweise machte ich die Erfahrung, dass mit der Graphit-Headshell im Hochtonbereich eine eindeutig bessere Auflösung entstand, ohne die Klang-Signatur anderswo zu beeinträchtigen. Die Suppe wurde nicht überwürzt. Die Headshell, welche DL-103 erst zu DL-A110 macht, lässt seidenweich aufhorchen.

Die bescheidene Kanaltrennung von 25 dB ist der Rundschliff-Nadel geschuldet. Das geht mit scharfen Schliffen heute viel «besser», doch sind 25 dB eine ganze Menge und sie beeinträchtigen die Fokussierung in der Mitte zwischen den Lautsprechern nicht wirklich. Dafür verzeiht die Rundnadel einfach viel mehr, zum Beispiel, wenn der Überhang oder der vertikale Abtastwinkel nicht so exakt stimmen oder wenn, wie so oft, die alten Vinylschätze gar oft gespielt wurden.

Der DL-A110 schafft hörbar ideale Voraussetzungen für einen DL-103, bzw. er ist Teil der Lösung, hin zu einer leichten Perfektionierung des legendären Klassikers.

Fazit

Die Headshell DL-A110 inszeniert den in ihr steckenden DL-103 sehr gut bis perfekt und es dürfte schwerfallen, seine Qualitäten viel besser in Szene zu setzen. Ich spreche hier nicht von gewagten Gehäuse-Modifikationen, die manchmal wirklich zum Erfolg führen. Es sei aber bemerkt, dass die Tonarme mittelschwer bis schwer sein sollten. Leichte Tonarme eignen sich weniger. Zum Glück überwiegen heute die mittelschweren Konstruktionen auf dem Markt.

Mit der DL-A110 erwirbt man ein Stück bewegter HiFi-Geschichte und, was viele heute mögen, eine gute Portion echtes Understatement. Was man bei dem noch akzeptablen Preis von 676 CHF im Vergleich zu wesentlich teureren Tonzellen einspart, kann man in einem Upgrade des Phono-Vorverstärkers investieren. Spass darf sein.

Übersicht zu diesem Artikel
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STECKBRIEF
Modell:
DL-A110
Profil:
Der MC-Tonabnehmer Denon DL-103 konfektioniert in einer massgeschneiderten Graphit-Headshell mit SME-Anschluss. Es ist eine Replika der Headshell, welche 1962 von Denon für NHK (Japan Broadcasting Corporation) entwickelt wurde.
Pro:
Einfache Anwendung, da Montage überflüssig
Leichte Klangsteigerung versus DL-103
5 Jahre Garantie (Ausnahme: Diamant und Nadelträger)
Austauschbarer Tonabnehmer
Contra:
bevorzugt mittelschwere bis schwere Tonarme
Preis:
676.00 CHF
Hersteller:
Jahrgang:
2021
Vertrieb:
Masse:
50 x 17.5 x 27 mm
Gewicht:
0,0185 kg
Farbe:
Graphit