MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
11. Oktober 2023
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Domenico Scarlatti (1685–1757), Sohn des Opernkomponisten Alessandro Scarlatti, ist ein weiterer Komponist mit fast identischen Lebensdaten wie Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi und Francesco Durante, die im frühen 18. Jahrhundert das Musikgeschehen geprägt haben. Die ersten 50 Jahre des Jahrhunderts standen für Umbruch und legten die Grundlage für Haydn (*1732), Mozart (*1756) und Beethoven (*1770).

Scarlatti lebte in Italien, Portugal und Spanien. Von seinen frühen Kompositionen (Opern und geistliche Werke) sind nur wenige erhalten. Ab 1729 lebte er in Spanien am Königshof und widmete sich mehrheitlich der Komposition von Cembalo Sonaten. Sonaten, die heute im Musikrepertoire einen festen Platz haben, wenn auch eher in der zweiten Reihe. Igor Strawinsky ist für sein Bonmot bekannt, dass Antonio Vivaldi nicht 555 Konzerte geschrieben habe, sondern 555-mal das Gleiche. Nun könnte man vermuten, dies träfe auch auf die 558 Scarlatti-Sonaten zu. Dass dem nicht so ist, wissen wir. Weder für die Werke von Vivaldi, noch für jene von Scarlatti.

Domenico Scarlatti, Porträt von Domingo Antonio Velasco (1738).Domenico Scarlatti, Porträt von Domingo Antonio Velasco (1738).

Sonaten für Cembalo

Aus Sicht der Klassik-Epoche mit den Klaviersonaten von Beethoven und Schubert sind die einsätzigen Scarlatti-Sonaten mit ihren rund drei bis sechs Minuten Spieldauer vergleichsweise kurz, aber keineswegs belangloses Kurzfutter. Die Sonatenhauptsatzform mit Exposition, Durchführung, Reprise und Coda war noch nicht entwickelt. Vor allem in den späten Scarlatti-Sonaten sind Ansätze einer thematisch komplexeren Kompositionstechnik erkennbar – mit ausgebauter Motivarbeit, die bereits klassische und sogar romantische Stilelemente vorwegnimmt.

Die Sonaten zeugen von Scarlattis enormem Einfallsreichtum: überraschende Wendungen, rhythmische Finessen und immer wieder markante Attacken und Kontrapunkte des Bassregisters. Ein schönes Beispiel für Letzteres ist die Sonate K427 (K = Nummerierung nach dem Verzeichnis von Ralph Kirkpatrick). Kaum eine Sonate ist langweilig oder einfältig. Sie erzeugen unterschiedlichste Stimmungen, von Traurigkeit über Nachdenklichkeit bis hin zu ausufernder Fröhlichkeit.

Auch feinste Stimmungswechsel innerhalb eines Werkes kommen häufig vor, manchmal nur als Einwurf über wenige Takte. Oft können zwei aufeinanderfolgende Sonaten als zweisätzige Anlage empfunden werden (Kirkpatrick).

Variantenreiche Stilmittel

Ein markantes Stilmittel in Scarlattis Sonaten sind Motivwiederholungen über mehrere Takte, mit Läufen in Mittel- und Tieftonlage, über denen ungefähr in Oktavlage ein hoher Einzelton heraussticht (zum Beispiel in den Sonaten K27, K96, K455, K380, K381, K533). Die Sonaten pendeln stilistisch zwischen Barock und Frühklassik, wobei letzteres zunehmend dominiert. Es sind virtuose Kompositionen, nicht immer einfach zu spielen, aber dennoch findet man schnell Zugang zu diesen Werken.

Domenico Scarlattis Klaviersonate K27 mit Motivwiederholungen über mehrere Takte und markantem Einzelton in höherer Tonlage.Domenico Scarlattis Klaviersonate K27 mit Motivwiederholungen über mehrere Takte und markantem Einzelton in höherer Tonlage.

Scarlatti-Aufnahmen

Es gibt viele Alben mit Scarlatti-Sonaten, allerdings nur wenige Gesamtaufnahmen wie die Einspielungen von Scott Ross und Peter-Jan Belder auf Cembalo. Projekte mit Gesamtaufnahmen sind in Arbeit. Zum Beispiel von Naxos, wo über die Zeit mit mehreren Pianisten, die, je nach Zählweise, die 555 bis 558 Sonaten einspielen.

Das Gros der Aufnahmen bietet eine Auswahl von ungefähr 20 bis 40 Sonaten auf einem oder zwei Alben (Zacharias, Hewitt, Queffélec, Hungai, Sudbin u.a.). Auffallend ist, dass einige Sonaten fast als Muss auf einem Album erscheinen. Dazu gehören K27, K380, K427, K455 und weitere.

Einige dieser «Highlight-Sonaten» finden sich auch in Maria Clementis Auswahl von Scarlatti-Sonaten.

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