MAGAZIN
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Vom Güterbahnhof in den Konzertsaal

Die beiden Gesichter der MLS: links Frontansicht, rechts Rückseite.Die beiden Gesichter der MLS: links Frontansicht, rechts Rückseite.

„Als Linienschallquelle bezeichnet man Schallquellen, die auf ihrer Länge Schall erzeugen. Im Gegensatz zur Punktschallquelle, bei der sich die Schallwellen kugelförmig ausbreiten, geht man bei der Linienschallquelle von einer zylinderförmigen Ausbreitung der Schallwellen aus. Das beste Beispiel für Linienschallquellen sind Züge oder Strassenbahnen“.

Da ich nicht mit Plagiatsvorwürfen überhäuft werden will, gebe ich - ehrlich wie ich meist bin – an, wo ich das abgeschrieben habe, nämlich von der Webseite der Universität Essen aus der Rubrik Bauphysik-Interaktiv.

Während also die Linienschallquelle (auf Neuhochdeutsch Line Source)  im Zugverkehr schon längst in Aktion war, veröffentlichte der Akustik-Pionier Harry Olson erst 1957 seine Theorien und Experimente über diese Art von Schallabstrahlung mit Lautsprechern.

Den Höhepunkt dieser Technik zelebrierte die US Firma Infinity in den siebziger Jahren mit ihrer legendären IRS Beta. Im Gegensatz zum Schall einer Zugkombination, welcher zum Boden hin vom Schotter mehrheitlich absorbiert wird, liess man die Lautsprecher-Linienschallquelle als Dipolstrahler arbeiten, was auch bei der MLS von Piega der Fall ist.

Weitere Vorteile dieser Technik sind im nachfolgenden Interview mit Piega Entwickler Kurt Scheuch zu erfahren.

Vorurteile

Alle grossen Line-Source Systeme, die ich bisher gehört hatte, besassen eine Gemeinsamkeit: Ihr grossartiges Klangbild. Dieses führte dazu, dass grosse Klangkörper dementsprechend überzeugend und weiträumig, Solostimmen und gewisse Solo-Instrumente doch klar etwas zu gross dargestellt wurden. Bösartig ausgedrückt, könnte man sagen, Rebecca Pidgeon hätte auf einem solchen System eine geradezu „riesige Klappe“ und eine Solo-Gitarre plötzlich die Ausmasse einer Harfe.

Doch es gilt: „Lieber zu gross als zu klein“. Und in der Tat, was gibt es Jämmerlicheres als ein grosses Sinfonieorchester, das klingt wie aus der Konservendose?

Neben dieser Gemeinsamkeit – dem grossartigen Klangbild - klangen alle diese Giganto-Systeme mit ihrer doch sehr unterschiedlichen Bestückung grundverschieden. Von traumhaft schön, hart-analytisch, ja sogar scharf, bis zu basslastig-dröhnend und soft-verwaschen gab's da in der Vergangenheit alles zu hören.