TESTBERICHT
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Slow down

Bekannt und doch neu: Die X1D sieht nach Systemkamera aus, ist jedoch ein richtiges Mittelformat, nur etwas kompakter gebaut.
Bekannt und doch neu: Die X1D sieht nach Systemkamera aus, ist jedoch ein richtiges Mittelformat, nur etwas kompakter gebaut.

Als Grundeinstellung zeigt die Kamera auf dem Touch-Display das Livebild an. Über dieses lassen sich Aufnahmedaten, Gittereinblendung und Wasserwaage in unterschiedlichen Ansichten einblenden. Zweimal kurz draufgetippt und das Motiv wird in einer 100-Prozent-Ansicht angezeigt. Dies ist beim manuellen Scharfstellen zusammen mit der farbigen Kantenhervorhebung ("Focus Peaking") sehr hilfreich.

Beim Autofokus setzt Hasselblad genau wie Fujifilm auf die Kontrasterkennung. Die ist gegenüber einer Phasenvergleichsmessung zwar nicht rasend schnell, doch für die meisten Motive ausreichend und präzise genug. Eine X1D ist gewiss nicht als Actionkamera gedacht. Dazu fehlt ihr auch ein kontinuierlicher Autofokus. Eine Serienbild-Einstellung ist vorhanden. Damit sind maximal 2 Bilder pro Sekunde in manueller Einstellung möglich.

Eine grüne AF-Anzeige in Sucher und Monitor zeigt an, ob die Schärfe korrekt gefunden wurde. Standardmässig wird in der Mitte ein einzelner AF-Punkt als 4 x 4 mm grosses Rechteck angezeigt. Dieses kann auf jede der 35 AF-Positionen bewegt und manuell ausgewählt werden.

Doch dazu braucht es wieder etwas Geduld. Denn zuerst muss die AF/MF-Taste eine Sekunde (!) lang gedrückt gehalten werden. Erst dann werden alle 35 Fokuspunkte angezeigt. Sie können ausgewählt werden, indem auf das Touch-Display getippt oder die Einstellräder bewegt werden. Ein künftiges Firmware-Update verspricht die Erhöhung auf 63 AF-Punkte sowie das Fokussieren per Fingertipp, denn bislang ist "Touch Focus" noch nicht möglich.

Wer die Schärfe lieber manuell einstellt, kann dies jederzeit tun, auch im Autofokus-Modus. Man braucht dazu nur den Fokusring am Objektiv zu drehen. Diese sofortige manuelle Überbrückungsfunktion sorgt für eine bequeme Arbeitsweise: Automatisch vorfokussieren und bei Bedarf umgehend manuell nachkorrigieren.

Der Auslöser wird durchgedrückt und das Bild aufgenommen. Und wieder dauert es im Vergleich zu Kompakt- und Spiegelreflexkameras seine Zeit, bis die Kamera für das nächste Foto bereit ist. Besonders, wenn man die Qualität auf "RAW + JPG" eingestellt hat. Wer nur RAW-Bilder schiesst, kann schneller weiterfotografieren. Der RAW-Arbeitsablauf wird nicht nur deshalb von Hasselblad empfohlen. Doch dazu später mehr.

Die "langsame" Kamera zwingt seine Benutzer, bewusster zu fotografieren. Man hat plötzlich mehr Zeit, sich auf das Bild zu konzentrieren und die Komposition entspannter wahrzunehmen. Mir ging es jedenfalls so. Vielleicht nervt es am Anfang, doch dieses "slow down" wird schlussendlich zu besseren Bildern führen.

In der Ruhe liegt die Kraft

Das neue Hasselblad-System kennt keine Bildstabilisierung, weder in der Kamera noch in den Objektiven. Diese versprechen durch ihren Zentralverschluss zwar weniger Vibrationen, doch ihre schiere Grösse braucht eine sehr ruhige Hand, wenn man ohne Stativ unterwegs ist. Die Blendensteuerung erfolgt elektrisch. Es gibt keinen Blendenring an den XCD-Objektiven.

Ein elektronischer Verschluss ist gemäss Hasselblad in Planung, ebenso die Möglichkeiten für Zeitraffer-Aufnahmen und Belichtungsreihen (AEB).

Wer also gestochen scharfe Aufnahmen aus der Hand wünscht, sollte für die Belichtungszeit mindestens den berühmten Kehrwert der Brennweite einstellen, besser noch etwas kürzer. Und die richtige Atemtechnik dazu schadet auch nicht. Sonst sorgen Zittern und Verwackeln schnell für Bewegungsunschärfe und unsaubere Wiedergabe von Details.

Der grosse Sensor bringt neben einer fantastisch hohen Bildauflösung auch eine sehr schmale Schärfentiefe. Und dies nicht nur bei Offenblende, sondern über einen weiten Blendenbereich hinweg. Man tut also gut daran, den gewünschten Schärfepunkt sehr genau zu bestimmen. Dann wird man mit wirklich knackigen Bildern belohnt.

Die Bestätigung im echten Leben kommt sogleich. Ich fotografiere die Dame mit Hündchen mit dem 90-mm-Objektiv bei Blende f/5.0. Der Hund am Boden – inzwischen habe ich erfahren, dass er eine sie ist und auf den Namen Bubu hört – ist knackscharf. Doch schon wenige Zentimeter dahinter hört die Schärfentiefe auf und die Dame wirkt ganz leicht verschwommen. Dies fällt am kleinen Bildschirm kaum auf, ist aber bei Eins-zu-Eins-Vergrösserung deutlich sichtbar.

Hasselblad X1D: Enge Schärfentiefe dank grosser Sensorfläche auch bei höheren Blendenwerten. Beim Fokussieren muss darauf geachtet werden. Hier ist die Nase gegenüber den Augen schon in der Unschärfe. Aufnahme mit dem 90-mm-Objektiv, 1/180 sec., f/5,0.
Hasselblad X1D: Enge Schärfentiefe dank grosser Sensorfläche auch bei höheren Blendenwerten. Beim Fokussieren muss darauf geachtet werden. Hier ist die Nase gegenüber den Augen schon in der Unschärfe. Aufnahme mit dem 90-mm-Objektiv, 1/180 sec., f/5,0.
Hasselblad X1D: Enge Schärfentiefe dank grosser Sensorfläche auch bei höheren Blendenwerten. Beim Fokussieren muss darauf geachtet werden. Dank einer kleineren Blende sind hier Nase und Augen wieder scharf. Aufnahme mit dem 90-mm-Objektiv, 1/180 sec., f/5,6.
Hasselblad X1D: Enge Schärfentiefe dank grosser Sensorfläche auch bei höheren Blendenwerten. Beim Fokussieren muss darauf geachtet werden. Dank einer kleineren Blende sind hier Nase und Augen wieder scharf. Aufnahme mit dem 90-mm-Objektiv, 1/180 sec., f/5,6.
Hasselblad X1D: Enge Schärfentiefe dank grosser Sensorfläche auch bei höheren Blendenwerten. Aufnahme mit dem 90-mm-Objektiv bei Blende f/5,0. Der Hund ist im Fokus, die Dame dahinter sieht zwar noch scharf aus, doch bei vergrösserter Ansicht ist auch sie schon in leichter Unschärfe.
Hasselblad X1D: Enge Schärfentiefe dank grosser Sensorfläche auch bei höheren Blendenwerten. Aufnahme mit dem 90-mm-Objektiv bei Blende f/5,0. Der Hund ist im Fokus, die Dame dahinter sieht zwar noch scharf aus, doch bei vergrösserter Ansicht ist auch sie schon in leichter Unschärfe.

Wer sich einmal an das etwas langsamere Fotografieren gewöhnt hat, wird mit der X1D gut zurechtkommen. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist nicht gerade berauschend, doch wenn man die Datenmenge von über 100 MB pro RAW-Bild in Betracht zieht, ist sie eigentlich erstaunlich.

Sonnenlicht und Studioblitz

Draussen habe ich tagsüber vor allem durch den Sucher fotografiert. Auf dem Display sieht man im Sonnenlicht nicht viel. Dann ist man froh um die wenigen Knöpfe an der Kamera, die man ertasten kann, ohne das Auge vom Sucher nehmen zu müssen.

Mit dem elektronischen Sucher lässt sich sehr gut arbeiten. Bei weniger Licht werden sich manche dennoch einen optischen Sucher wünschen. Ist wohl eine Gewohnheitssache, vor allem zu Beginn, oder wenn mit verschiedenen Kameras fotografiert wird.

Im Studio wiederum kommt man per Fingerdruck auf den Kontrollbildschirm am Touch-Display schneller zum Ziel. Studioblitzanlagen zündet man mit drahtlosen Blitzauslösern oder externen Blitzgeräten am Blitzschuh der X1D. Eine PC-Sync-Buchse für Kabelanschluss gibt es an der Kamera nicht. Die X1D kann mit ausgewählten Nikon-Blitzgeräten im TTL-Modus verwendet werden.

Wer "tethered", also vernetzt fotografieren möchte, lädt die kostenlose Software Hasselblad Phocus Digital Imaging herunter und verbindet die Kamera mittels Kabel über den USB-3.0-Anschluss. Oder er arbeitet völlig drahtlos mit der Phocus Mobile App für iPhone und iPad. Damit ist auch ferngesteuertes Betrachten von Bildern und Steuern der Kamera möglich, was ich jedoch nicht ausprobiert habe. Ich lebe in der Android-Welt.

Die X1D besitzt einen manuellen Modus für schnelles Aufnehmen. Dieser funktioniert am besten, wenn die Kamera auf einem Stativ steht. Dann werden zuerst der Fokus und die Bildkomposition in einem der übrigen Modi, und danach dieser "Mq-Modus" eingestellt. Die Kamera löst nun schneller und geräuschloser aus, weil der Verschluss bereits geschlossen ist und sich weniger bewegen muss. Zudem ist der Live-View-Modus nicht in Betrieb und es wird Energie gespart.

Eine weitere Energiesparfunktion, die mich besonders beim Stativ-Einsatz nervte, ist das automatische Abschalten des Live-Views nach rund 15 Sekunden, wenn keine Bedienung an der Kamera erfolgt. Man kann zwar die Zeit für die Abschaltung von Kamera und Monitor bei Inaktivität einstellen, aber für die Live-View-Abschalt-Automatik habe ich keinen Menüpunkt gefunden.

Videofilmen

Dieses Kapitel ist schnell besprochen. Knapp zwei Seiten widmet das Handbuch dem Thema Videofilmen. Das Videomenü lässt die Wahl zwischen den beiden HD-Formaten 720p und 1080p. Das war es dann.

Die Aufnahme erfolgt immer mit 25 Vollbildern pro Sekunde bis zu einer maximalen Dauer von 5 Minuten je Clip. Dieser wird h.264-komprimiert (MPEG-4 AVC) und im MP4-Container abgespeichert. Die Schärfe muss manuell "gefahren" werden.

Video passt einfach nicht zu dieser Kamera. Mir scheint, es wurde nur deshalb eingebaut, weil es andere Hersteller auch machen. Irgendwie lustlos.

Weniger geht nicht: Ganze zwei Einstellungen umfasst das Videomenü.Weniger geht nicht: Ganze zwei Einstellungen umfasst das Videomenü.
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