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Publikationsdatum
19. Mai 2002
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Keine Lust mehr auf TV-Einheitskost? Kein Problem: Pay-TV lockt Schweizer Fernsehmuffel mit exklusiven Spielfilm- und TV-Angeboten, die auch individuelle Vorlieben für bestimmte Sparten befriedigen, vor den Bildschirm. Die digitale Übertragung macht eine beachtliche Programmvielfalt möglich.

Bezahlfernsehen

Unter anderem mit
Unter anderem mit "Sports" will Teleclub sein Angebot erweitern
Bezahlfernsehen in der Schweiz? Klar, eine monatliche Grundgebühr wird auch bei den ansonsten frei empfangbaren Programmen fällig. Kabelbetreiber und Bilag fordern ihren Tribut. Mit Pay-TV im eigentlichen Sinne assoziiert man hierzulande aber zu Recht Teleclub, der sein Spielfilm-Angebot in der Vergangenheit übers Kabelnetz und via Satellit ausgestrahlt hat. Nun steigt der Spielfilm-Anbieter auf die digitale TV-Plattform um und erweitert sein Angebot deutlich: Neben einem umfangreichen Movie-Paket werden ein Familien-Unterhaltungs- sowie ein Sport-Paket angeboten. Diese muss man nicht in ihrer Gesamtheit abonnieren, sondern kann individuelle Pakete mit unterschiedlichem Umfang schnüren. Schon länger auf dieser Schiene versucht sich "Swissfun" zu etablieren. Unter dem etwas irreführenden Label wurden in der Anfangsphase vor zwei Jahren vor allem ausländische, per Satellit nicht empfangbare Sender vermarktet. Damit kamen vor allem Bevölkerungsgruppen aus dem Balkan und aus der Türkei auf ihre Rechnung. Neu richtet man sich mit den Programmpaketen "Familiy" und "Discovery" sowie dem Spartenradiopaket "Music Choice" gezielt auch an ein breites Schweizer Publikum.

Empfang ausschliesslich per Kabel

Der Teleclub Digitalempfänger beansprucht dank Midi-Format nur wenig Platz.
Der Teleclub Digitalempfänger beansprucht dank Midi-Format nur wenig Platz.
Im Unterschied zu vielen ausländischen Pay-TV-Programmen werden weder Teleclub noch Swissfun via Satellit verbreitet. Beide laufen prinzipiell über das Kabel. Das Problem: Swissfun gehört dem grössten Schweizer Kabelunternehmen Cablecom. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen weigerte sich die Cablecom bis anhin, Teleclub über ihr Kabelnetz zu verbreiten. Somit haben sehr viele Deutschschweizer Kunden, die sich für das digitale Teleclub-Paket interessieren, das Nachsehen. Da liegt die Vermutung nahe, dass hier protektionistisch agiert und ein Monopol schlicht und einfach missbraucht wird, um das eigene Digitalangebot Swissfun zu pushen (siehe auch Kommentar).

Sowohl bei Swissfun wie bei Teleclub ist für den Empfang eine sogenannte Set-Top-Box vonnöten. Dabei handelt es sich um einen Digitalempfänger, der auf der einen Seite an die Kabel-Antennebuchse und auf der anderen Seite via Scart-Kabel an den Fernseher angeschlossen wird. Die Geräte sind mit einem Kartenleser für die "Smart Card" ausgestattet. Nach dem Einschieben einer gültigen Karte werden die abonnierten Programmpakete freigeschaltet.

Teleclub digital: Bunt und breit gefächert

Das Teleclub-Magazin gibt’s für Abonnenten unentgeltlich.
Das Teleclub-Magazin gibt’s für Abonnenten unentgeltlich.
Die neuen Angebote von Teleclub können sich sehen lassen. In drei verschiedenen Programmbouqets ("Movie", "Family" und "Sports") werden insgesamt zehn Spartenprogramme angeboten, die meisten davon übertragen rund um die Uhr. Das Basispaket für 40 Franken pro Monat beinhaltet den "Cinema"-Kanal u.a. mit monatlich mindestens 12 Spielfilm-Premieren, die noch nicht im Fernsehen zu sehen waren. Im "Star"-Kanal werden u.a. Erfolgsfilme bekannter internationaler Akteure gezeigt, während im "Serien"-Kanal Kultserien, Sitcoms und Soaps ihren Platz haben. Und mit dem Disney-Channel wird im Basis-Paket auch für Kinder etwas geboten: Zeichentrick- und Spielfilme sowie Serien. Über das Basispaket hinaus kann man für 10 Franken Aufpreis in zwei wählbaren Paketen weitere Spielfilm-/Unterhaltungs- oder Sportkanäle abonnieren. Das gesamte Teleclub-Paket mit neuen Kanälen plus einem zusätzlichen, temporären Sportkanal kostet 60 Franken pro Monat. In allen Abonnements ist die Miete des erforderlichen Digitalempfängers bereits inbegriffen. Hinzu kommt allerdings eine einmalige Eintrittsgebühr von 95 Franken. Die Mindestlaufzeit für das Basisabonnement beträgt 12 Monate. Zusatzpakete kann man auf Wunsch nach 3 Monaten kündigen. Inbegriffen ist eine ausführliche, schön aufgemachte Programmzeitschrift mit Hintergrundinformationen und Tagesübersichten – trotz elektronischem Programmführer eine unverzichtbares Hilfsmittel in der täglichen Programmvielfalt.

Swissfun: Erotik und Pay-Radio als Zugpferd

Chancen rechnet sich Swissfun mit dem Erotikprogramm
Chancen rechnet sich Swissfun mit dem Erotikprogramm "Adult Channel" aus.
Beachtlich ausgebaut hat Swissfun sein Digitalangebot. In der vergangenen März lancierten Werbekampagne offerierte Swissfun 3 Monate Gratisabo. Der Haken dabei: Um in den Genuss davon zu kommen, muss der Interessent den Empfänger gleich mitkaufen. Dies ist sicherlich kein geeigneter Weg, um sich während einer Probezeit das Swissfun-Angebot unverbindlich zu Gemüte zu führen. Denn wer schon eine Set-Top-Box für teures Geld ersteht, wird diese natürlich auch weiterhin amortisieren wollen. Also ein umstrittenes Lockvogelangebot. Dabei kann sich das Programmpaket durchaus sehen lassen. Sechs deutschsprachige Programme sowie zwei englischsprachige Musiksender bilden das "Family"-Basispaket, das für 25 Franken monatlich inkl. Miete für den Digitalempfänger abonnierbar ist. Alternativ dazu gibt es für 30 Franken monatlich (inkl. Empfänger) das "Discovery"-Paket – eigentlich ein Lifestyle- und Bildungspaket, wenn einem da nicht noch der Erotik-Sender "Adult-Channel" untergejubelt würde. Offenbar befürchtet man, dass sich die Nachfrage sonst in Grenzen hielte. Sehr interessant scheint das Radio-Paket "Music Choice" für 9 Franken pro Monat, welches über 40 reine Musiksparten-Programme anbietet. So kann man den ganzen Tag seiner Lieblingsmusik frönen, ohne durch Werbung oder Kommentar abgelenkt zu werden. Damit kann man auch Cassetten oder CDs mit dem bevorzugten Musikprogramm für unterwegs aufnehmen. Was Swissfun leider nicht anbietet, ist eine Programmzeitschrift. So ist man darauf angewiesen, was einem der elektronischen Programmführer des Empfängers kundtut. Oder man holt sich die Informationen aus den Internetseiten der einzelnen Programmanbieter.

Welches für wen – und überhaupt?

Bei der Swissfun-Box handelt es sich um ein Nokia-Gerät der neusten Generation.
Bei der Swissfun-Box handelt es sich um ein Nokia-Gerät der neusten Generation.
Die Grundsatzfrage betreffend Pay-TV lautet: braucht man es überhaupt angesichts des üppigen, frei empfangbaren TV-Angebots? Eine Frage, deren Fehleinschätzung das Imperium des deutschen Medienzars Kirch in die Krise brachte, indem der Markt für Digital-TV in Deutschland massiv überschätzt worden war. In der Schweiz werden kleinere Brötchen gebacken, aber über 80'000 Abonnenten bei Teleclub sind doch ein beachtliches Potential. Zumal die digitale Plattform ein weiter gefächertes Angebot beinhaltet, welches eine noch grössere Kundengruppe – insbesondere auch Familien – anspricht. Zwar werden zuallererst immer noch Spielfilmliebhaber angesprochen: Hier wirbt Teleclub mit 30 Premieren pro Monat, die noch nicht im Fernsehen gelaufen sind. Zum Teil werden diese in 16:9 und mit Dolby-Digital-Ton ausgestrahlt, so dass auch Heimkinofreaks mit entsprechendem Equipment auf ihre Kosten kommen. Berücksichtigt man die Erstehungskosten für eine Spielfilm-DVD, so hat man die monatliche Gebühr für das Basis-Paket bereits amortisiert, wenn man auf den Kauf einer einzigen DVD verzichtet. Darüber hinaus werden durch "Disney Channel" und "Fox Kids" vermehrt Familien mit Kindern anvisiert. Gespannt darf man sein, ob Teleclub den dritten "Sport"-Kanal in Zukunft tatsächlich wie angedeutet für Schweizer Sportübertragungen nutzen wird. So wäre es möglich, Sportereignisse, die von SF DRS nicht abgedeckt sind (beispielsweise die Life-Übertragung einer zweiten Eishockey-Play-off-Partie), anzubieten.
Swissfun versucht sich erst, als Pay-TV-Anbieter für eine breite Schweizer Kundschaft zu etablieren. Beim Spielfilmangebot kann man zwar nicht mit Teleclub mithalten und setzt u.a. auf Hollywood-Klassiker. Dafür wird im Basispaket "Familiy" in Richtung Lifestyle und Bildung einiges geboten. Das "Expedition"-Paket spricht eher "Special-Interest"-Kunden an, während "Music Choice" als echte Alternative zum Radio-Einheitsbrei angesehen werden kann. Zukünftig will Swissfun Spielfilme im "Pay-per-View"-Verfahren anbieten: Man zahlt nur für die abgerufenen Filme – also eigentlich eine Alternative zur Videothek. Hierzu ist bereits ein Modem für die Filmbestellung via Telefonleitung in den Swissfun-Empfänger integriert.

Kosten

Ca. 40 Franken monatlich für ein Pay-TV-Grundpaket nehmen sich zwar günstig aus, hinzu kommt aber die monatliche Gebühr für den Kabelanschluss. Wer Zusatzpakete abonniert, zahlt lediglich einen Aufpreis von 9 bis 14 Franken, da man den Empfänger ja schon vor Ort stehen hat. Also ist das Pay TV-Vergnügen in der Schweiz finanziell durchaus eine erschwingliche Angelegenheit, wenn man es beispielsweise mit den Kino-Eintrittspreisen vergleicht, die für Familien geradezu unerschwingliche Dimensionen annehmen. Also speziell für diese Zielgruppe ein interessante Sache.

Fazit

Während in Deutschland Pay TV in der Krise steckt, hat es in der Schweiz gut Aussichten, auf eine breitere Akzeptanz als es die gut 80'000 Abonnenten von Teleclub sowie ca. 40'000 von Swissfun (beide Zahlen laut Anbieter) bisher erkennen lassen. Denn die digitale Plattform bietet dank vielfältigem Programmangebot für die gesamte Familie erhöhte Attraktivität. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die beiden Schweizer Anbieter bald einigen werden, und auch die Cablecom das Teleclub-Angebot über ihr Kabelnetz verteilt. Denn grundsätzlich kann man beide Pakete mit dem gleichen Receiver empfangen – man muss lediglich den entsprechenden Decodereinschub nachrüsten.

Programmangebot Teleclub

Teleclub Cinema: Monatlich 30 Filmhits als exklusive TV-Premiere aller Genres
Teleclub Star: Top-Filme als Wiederausstrahlung mit monatlich 35 bis 40 Filmen aller Genres
Premiere Serie: Kultserien, Soaps, Sci-Fi- und Fantasyserien, Comedy-Serien und Sitcoms.
Krimi & Co: Filme und Serien aus den Genres Krimi, Suspense und Thriller
Disney Channel: Serien, Shows, Trickfilme und die grossen Disney-Hits für die ganze Familie
Fox Kids: Film- und Serienspass für Kinder von drei bis dreizehn
Discovery Channel: Exklusive Dokumentationen aus aller Welt.
Premiere Sport 1, Premiere Sport 2, Premiere Sport 3: Formel 1, Bundesliga, internationaler Spitzenfussball, Tennis, Boxen, Golf, Eishockey, American Sports (NBA/NHL) und vieles mehr.

Programmangebot Swissfun

Swissfun Familiy
Studio Universal (Deutsch): Hollywood-Hits, Klassiker, Starporträts.
13th Street (Deutsch): Spielfilme und Serienklassiker.
Extreme Sports Channel (Deutsch): Extrem- und Trendsportarten für jüngere Sportfans (Skating, Snowboarding, Climbing etc.).
Planet (Deutsch): Programm mit Dokumentationen u.a. zu den Themen Musik, Technologie und Lifestyle.
Einstein.tv (Deutsch): Wissenschaftsprogramm mit Dokumentationen, Filmen und Spezialberichten für die ganze Familie.
Alice (Deutsch): Essen, Trinken, Leben.
VH-1 (Englisch): Musikprogramm mit aktuellen Hits und Pop-Rock-Klassikern.
MTV Base (Englisch): Musikprogramm mit Schwerpunkt R'n'B, HipHop, Swing, Soul und Dance für Teenager.

Programmpaket
Swissfun Expedition
National Geographic Channel (Englisch): Geographieberichte und Dokumentationen über Wildleben, Forschungen und Naturphänomene.
Expo24x7 (Deutsch): Portraits, Berichte und Dokumentationen aus den Bereichen Architektur, Mode, Design und Kunst.
Avante (Deutsch): Programm mit Sendungen über Luft-, Raum- und Schiffahrt, Automobil- und Motorentechnologie.
Adventure One (Englisch): Programm mit spannenden Berichten über alle Arten von Abenteuern und Expeditionen.
Marcopolo (Deutsch): Tourismus- und Reiseprogramm mit Berichten aus Europa und der ganzen Welt.
Leonardo (Deutsch): Programm rund um die Themen Mode, Kultur, Kunst und Design "Made in Italy".
Landscape Channel (ohne Sprache): Non-Stop-Programm mit Aufnahmen der schönsten Landschaften, unterlegt mit entspannender Hintergrundmusik.
The Adult Channel (Englisch): Soft-Erotikprogramm ab 22 h.

Kommentar: Nichts gelernt?

Just vor dem Sendestart des digitalen Teleclub-Angebots musste der Haupt-Programmlieferant und Minderheitsaktionär Kirch Pay TV Insolvenz anmelden. Ein schlechtes Omen für das digitale Bezahlfernsehen in der Schweiz? Ganz so schlimm ist es nicht. Teleclub weist seit 15 Jahren ein konsolidiertes Wachstum auf und ist nicht zu früh auf den "Digitalzug" umgestiegen. Insbesondere wirkt sich der Widerstand des Bakom gegen die ursprünglichen Teleclub-Pläne, die d-Box von Kirch einzusetzen, jetzt positiv auf die Chancen des digitalen Angebots aus. Man erinnere sich: Kirch versuchte, mit der auf einem proprietären Standard basierenden d-Box quasi ein Monopol auf dem deutschen Markt zu schaffen. Denn wenn ein Kunde einmal einen Pay-TV-Digitalempfänger in seiner Wohnung stehen hat, ist er nicht bereit, für andere Angebote ein weiteres Gerät zu kaufen oder zu mieten. Für den Anbieter ist Pay-TV auch ein beachtliches Hardware-Geschäft, zumal sich Geld mit dem Verkauf/Vermieten von Set-Top-Boxen verdienen lässt. Allerdings ein Geschäft mit grossem Risiko. Schliesslich muss man einen funktionierenden Digitalreceiver in grossen Stückzahlen ordern, um sie für die erhoffte Kundennachfrage ohne Verzögerung bereit zu halten. Die Gefahr, bei schwacher Nachfrage darauf sitzen zu bleiben, ist nicht von der Hand zu weisen. Hier geht es um Millionenbeträge. Auch so ist zu erklären, dass sich der Swissfun-Betreiber Cablecom als Konkurrent von Teleclub bisher weigerte, deren neues Digitalangebot über sein Kabelnetz anzubieten. Und zwar mit dem unzutreffenden Argument, dass die Teleclub-Box nicht Swissfun-kompatibel sei. Der DVB/Common-Interface-Standard, den die Receiver erfüllen, sollte nämlich garantieren, dass sich beide für die Pay-TV-Entschlüsselung des jeweiligen anderen nachrüsten lassen. Der Kunde in der Deutschschweiz sollte frei entscheiden dürfen, welches Bezahlfernsehen für ihn persönlich in Frage kommt, und darüber hinaus nicht gezwungen werden, ein bestimmtes Receivermodell kaufen/mieten zu müssen. Nur so gibt es freien Wettbewerb - die beste Vorsaussetzung für die nachhaltige Etablierung von Pay-TV in der Schweiz. Zu welcher Konsequenz kurzsichtiges Monopolgebaren führen kann, lässt sich hingegen am Scheitern des digitalen Bezahlfernsehens in Deutschland ablesen.
Martin Freund