TESTBERICHT
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Publikationsdatum
17. September 2002
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Zweifelsohne kann man die Nautilus-Reihe von Bowers&Wilkins als britisches Adelsgeschlecht unter den Lautsprechern ansehen. Als Ahnherrin fungiert die Ur-Nautilus mit ihrem schneckenförmigen Kunststoffgehäuse, die vor acht Jahren Furore machte. Der jüngste Spross der aus der Entwicklung dieses extravaganten Lautsprechers gewonnenen Nautilus-Technologie ist die Signature 800, in die weitere Detailverbesserungen eingeflossen sind.

Aufwändig in jeder Beziehung

Die Form und Innereien gleichern dem Gerüst eines SchiffkörpersDie Form und Innereien gleichern dem Gerüst eines Schiffkörpers
Gemeinsames Kennzeichen der Nautilus 800 bis 802 ist das aufwändige, rückwändig gerundete Gehäuse aus 35 mm starkem Mehrschicht-Laminat. Zusammen mit der inwändigen Matrix-Versteifung ergibt sich für den Bass- und Grundtonbereich ein extrem geringer Verlustfaktor, was sich in hoher Impulstreue und Resonanzarmut auszahlt. Zwei gewichtige 25-cm-Tieftöner mit Kevlar-Verbundmembrane sind Garant für guten Wirkungsgrad und hohe Belastbarkeit. Bis 1000 Watt soll die Box verarbeiten können, wobei aber auch schon 50 Watt von einem Röhren- oder Class-A-Verstärker ausreichen, um sie ordentlich auf Trab zu bringen.
Aufwändig wird die Hochtoneinheit vom Rest der Box entkoppelt
Aufwändig wird die Hochtoneinheit vom Rest der Box entkoppelt
Weiteres gemeinsames Nautilus-Erkennungszeichen ist der sickenlose Kevlarmitteltöner, der bereits ab 350 Hz in einem akustisch idealen Kunstharz-Kugelgehäuse seine Arbeit aufnimmt und bis 4 kHz linear arbeitet. Ebenso bekannt ist der Metallkalotten-Hochtöner, der dank aufwändigen Bedämpfungsmassnahmen, u.a. in Form des sich nach hinten verjüngenden Gehäuses, resonanzarm für hohe Tranzparenz und Lebendigkeit sorgt. Verzerrungsarme Luftspulen und hochwertige Polypropylen-Kondensatoren bilden Teile der in Bi-wiring-Technik ausgeführten Frequenzweiche.

Ganz im Dienste der Musik

Reflexionen an Gehäusekanten sind hier auf ein Minimum reduziert
Reflexionen an Gehäusekanten sind hier auf ein Minimum reduziert
Wer einmal die Gelegenheit hat, die Nautilus 800 anzuhören, sollte sich dies nicht entgehen lassen, selbst wenn diese Lautsprecher nicht in Reichweite seines Budgets liegen. Der "Aha"-Effekt, den dieser Lautsprecher auslöst, ist doch beachtlich. Ein solches Mass an Offenheit und Abbildungstreue hat man bisher selten gehört. Selbst altbekannte Aufnahmen erstrahlen plötzlich in neuem Glanz und offenbaren längst vergessenen Reiz. Und je länger man mit diesen Lautsprechern hört, um so weniger ist man auf der Suche nach seinen besonderen Eigenheiten. Solche offenbart die Nautilus nämlich praktisch überhaupt nicht, sondern stellt sich ganz in den Dienst der originalgetreuen Reproduktion, so dass das abgedroschene Wort "High Fidelity" plötzlich wieder Sinn bekommt. Denn eigentlich klingt die 800er im besten Sinne des Wortes neutral; will heissen, dass man sich sehr schnell an die exorbitante Wiedergabetreue gewöhnt und erst beim Zurückgehen zu seinen alten Boxen ernüchtert feststellt, womit man sich bisher zufrieden gegeben hat.

Klangcharakteristik

Kein Raketentriebwerk, sondern eine perfekte Lösung für das Eliminieren von Resonanzen
Kein Raketentriebwerk, sondern eine perfekte Lösung für das Eliminieren von Resonanzen
Dennoch kann man versuchen, die Nautilus zu charakterisieren: So verfügt sie über einen hervorragend durchzeichneten Grundtonbereich, den sie sicher ihrem ultrastabilen Tief- und Mitteltongehäuse zu verdanken hat. Dazu offeriert sie einen knochentrockenen, ultraschnellen Bass, dem es lediglich im uneingespielten Zustand noch etwas an Druck und Tiefgang mangelt. Dies bessert sich aber mit zunehmender Spielzeit drastisch, wobei man doch konstatieren muss, dass für Tiefbass-Liebhaber die günstigere Nautilus 801 mit ihrem 38-cm-Basschassis die bessere Wahl ist. Dies aber nur in sehr grossen Räumen, während die 800er in den allermeisten Schweizer Wohnverhältnissen die bessere Wahl sein dürfte. Umso mehr, als diese für normale Abhörpegel viel geeigneter ist und der 801
im Mitteltonbereich sowie punkto Homogenität sogar noch leicht überlegen sein dürfte.

Aus einem Guss

Geniale Verrücktheit: Ur-Nautilus. Ihre Technologie kommt in der Nautilus-Serie zum Tragen
Geniale Verrücktheit: Ur-Nautilus. Ihre Technologie kommt in der Nautilus-Serie zum Tragen
Letzteres ist eine weitere "Eigenschaft", mit der die 800er auftrumpft: Sie klingt wie aus einem Guss und lässt auch bei nahem Hörabstand die einzelnen Treiber nicht mehr erkennen. Dazu kommt eine tonale Ausgeglichenheit und Verfärbungsfreiheit, die ihresgleichen suchen. So übertreibt sie im Hochtonbereich nicht um einen Deut und erweist sich weder als "Schönklinger" noch als übertrieben "analytisch", wobei sie als Studiomonitor (bis auf den Tiefbass) mühelos Referenzstatus beanspruchen kann. Denn sie holt ein Maximum aus allen Musikkonserven und ist pegelfest bis hin zur Live-Lautstärke. Besonderes Augenmerk sollte man auf eine optimale Plazierung verwenden. So sollten die Nautilus nicht zu weit auseinander stehen, und sie können parallel aufgestellt werden. Sie danken es mit einer plastischen Darbietung, die Einzelinstrumente und Stimmen zum Greifen nah, leibhaftig in den Hörraum herbeizaubert. Ihr Mass an Ortungsschärfe ist schlicht phänomenal und führt zu einer Durchhörbarkeit, welche Vergleichslautsprecher gemeinhin etwas blass erscheinen lässt. In puncto Maximalpegel hat man mit der Nautilus 800 ausgesorgt, aber noch beeindruckender ist ihre Fähigkeit, selbst bei geringer Lautstärke mit feindynamischen Schattierungen zu gefallen.

Fazit

Die B&W Nautilus gehört zur raren Spezies der "Man-muss-sie-einmal-gehört-haben-Lautsprecher". Selbst wenn man sie sich nicht leisten kann. Mit innovativer Technologie und unermüdlicher Detailverbesserung entstand in England ein Klangkunstwerk, das in den allermeisten Hörumgebungen zur Höchstform aufläuft.
STECKBRIEF
Preis:
29 000 Franken/Paar
Profil:
Setzt Massstäbe bezüglich Engineering und Klangtreue
Pro:
höchste Verfärbungsfreiheit,
unübertroffene Abbildungspräzision,
straffer ultraschneller Bass, Top-Verarbeitung, hoher Wirkungsgrad
Contra:
hoher Preis
Ausstattung:
Masse (BxHxT) 45 x 119,7 x 64,5 cm,
Anzahl Wege: 3,
Bi-Wiring möglich,
Ausführungen: Kirsche hell, Kirsche rot, Esche schwarz, schwarzer Lederbesatz
Technische Daten:
Empf. Verstärkerleistung: 50 – 1000 Watt,
Impedanz: 8 Ohm (min. 3 Ohm)