TESTBERICHT
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Hörtest

Die Aufstellung war ein Klacks. Anstelle der üblichen Spikes lieferte der Vertrieb Audiosense die LS6F mit den norwegischen «Soundcare Superspike»-Füsschen aus. Neben der Absorbierung unerwünschter Resonanzen können die Lautsprecher mit diesen Füssen leicht verschoben werden, was das korrekte Platzieren ungemein erleichtert.

Da die Bassreflex-Öffnung nach unten abstrahlt, war in meinem Raum die Platzierung relativ problemlos. Trotzdem lohnt es sich hier zu experimentieren, da ja die tiefen Töne bekanntlich rundstrahlen und den Raum gerne überproportional anregen können.

Um die Graham Audio LS6F standesgemäss anzutreiben, betrieb ich sie am Vollverstärker EAR Yoshino V12. Dieser leistet 2 x 60 Watt an 8 Ohm. Als Zuspieler nützte ich den CD/DAC EAR Acute Classic. Diese Geräte sollten ganz sicher das Potenzial der LS6F aufzeigen können. Sehr hochwertige, österreichische Kabel von «econaudio» kitzelten auch noch das letzte Klangfitzelchen aus den edlen EAR-Herrschaften heraus.

Die Füsschen: klein, aber für den grossen Klang entscheidend.Die Füsschen: klein, aber für den grossen Klang entscheidend.

Ich liess die Komponenten und Lautsprecher einige Tage einspielen und hörte sie zuerst eher mal so nebenher. Das klang doch schon mal sehr vielversprechend. Dann aber konnte ich eines Abends nicht mehr länger warten, machte mir einen schönen Espresso – und die englischen «Graham Audio Sound Games Part One» konnten beginnen. Zwar genoss ich keinen englischen Schwarztee, doch das wäre eh nicht mein Cup of Tea.

Ganz manierlich und locker begann ich mit dem Hi-Res-Album «But Beautiful» von Diana Krall. Die inzwischen warm gelaufenen Röhren und die Chartwell LS6F transportierten die Stimme von Diana Krall sowie die Instrumente ihrer Band vorzüglich. Der Jazz perlte leicht und süffig in den Raum. Die Höhen hatten Schmelz und Auflösung, ohne aber ins Analytische abzudriften. Dianas Stimme war sehr gut durchhörbar und hatte das richtige Timbre mit dem gewissen Etwas. Am unteren Rand des Frequenz-Spektrums lieferte der Bass ab – nicht zu dünn, aber auch nie aufdringlich. 

Weiter auf der Playlist (wir bleiben noch beim Jazz)b befand sich die fantastische Live-Aufnahme «Keith don’t go» von Nils Lofgren. Ich war entzückt. Auch hier: Auflösung, Tempo – alles da, doch die anspruchsvolle, dynamische Live-Aufnahme mit der fantastischen Akustik-Gitarre kippte nie ins Harsche. Vielleicht denken Sie nun, das sei dem «warmen» Röhren-Sound geschuldet. Ob das so ist, werde ich im zweiten Teil der Graham Sound Games ausprobieren. Versprochen!

Ich hatte noch die hochwertigen Monrio-Transistor-Mono-Endstufen MP11 rumstehen, die schon etwas neidisch auf den Röhrenverstärker waren und die sich auch noch an den Chartwell LS6F beweisen wollten.

Nun kam wieder die geniale, einheimische «Elektro-Krach-Truppe» Yello – sorry Boris und Dieter, das ist zärtlich gemeint – auf den Streamer. Nicht das neue Album «Point», sondern das Latino-gefärbte Album «One Second». Und da zeigte die gar nicht so kühle Engländerin, wie heissblütig sie aufspielen kann. Sie ging zu dem Elektro-Latino-Sound ab wie Schmidts Katze. Und wieder war alles da: schön präsent, aber nie langweilig!

Ob die LS6F eine Schönfärberin ist, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Ich frage mich das grad auch. Eine qualitativ schlechte Aufnahme aus den 90er-Jahren – sie will anonym bleiben – holt mich abrupt von meinem audiophilen Höhenflug auf den Boden zurück. Nein, sie ist keine Schönfärberin und zeigt gnadenlos auf, wie schlecht Aufnahmen sein können. Eigentlich kann sie sich auch das Sound-Schmeicheln mit ihrem edlen, britischen BBC-Studio-Monitor-Stammbaum nicht leisten.

Graham-Audio-Testspiele Teil 2

Nun musste der Röhrenverstärker EAR V12 weichen. Nun wurden die Monrio-Mono-Endstufen mit den Chartwell LS6F verkabelt. Wie es sich gehört, wurden die Monos auch vorgeheizt, bis sie endlich von der Leine gelassen werden konnten. Zuerst mal muss ich sagen, dass die klanglichen Unterschiede kleiner waren als ich sie erwartet hatte.

Die Graham Audio LS6F spielten mit den Monrio MP11 ebenfalls räumlich, lebendig und ohne einen Bereich zu betonen. Die Räumlichkeit war mit dem Transistorverstärker mehr in die Breite ausgedehnt – mit dem EAR V12 bekam sie nun mehr Tiefe. Die Stimmen kamen mit dem EAR einen Hauch wärmer, dafür war der Bass mit den Monrio Monos abgrundtief und nochmals kontrollierter.

Der gnadenlose, präzise und schnelle Bass machte natürlich speziell bei Yello-Aufnahmen extrem viel Spass. Und ja, man kann mit den LS6f durchaus seine Nachbarn ärgern. Dass EAR-Verstärker wissen, wie Highend geht, war anzunehmen, die Monrios hingegen waren meine persönliche positive Überraschung!

Hier nochmals die Graham Audio Chartwell 6F in zwei Holzausführungen: einmal mit, einmal ohne Abdeckung.Hier nochmals die Graham Audio Chartwell 6F in zwei Holzausführungen: einmal mit, einmal ohne Abdeckung.

Fazit

BBC, Good old England, Tradition: Das klingt nicht wirklich nach Innovation. Weit gefehlt! Graham Audio verbindet Tradition mit Innovation dank Jahrzehnten an Erfahrung in der traditionellen Produktion von Lautsprechern mit modernsten Chassis und Komponenten. Wie die Engländer sagen würden, bringen sie «best of both worlds» zusammen. Oder auf gut Deutsch: Sie bewahren Bewährtes und setzen Neues sinnvoll ein. Das Resultat dieses Mixes ist grossartig. Graham Audio hat seine Hausaufgaben sehr gut gemacht. Die Chartwell LS6F und ihre Sortimentsbrüder und -schwestern werden auch in der Schweiz viele neue Fans finden. Hut ab für Graham Audio!

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STECKBRIEF
Modell:
Chartwell LS6F
Profil:
Die Chartwell LS6F von Graham Audio ist die Standlautsprecher-Ausführung des LS6-Monitors. Die LS6F gehört in die Tradition der BBC-Monitoren, ist aber ein moderner Lautsprecher mit attraktivem, sehr gut verarbeitetem Gehäuse und qualitativ hochwertigen Komponenten.
Pro:
- Hochwertiger 2-Wege-Lautsprecher
- Optisch attraktiv und in vielen Holz-Furniersorten lieferbar
- Relativ guter Wirkungsgrad
- Trotz Bassreflex-Öffnung flexibel in der Platzierung
- Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Contra:
- Nicht in Schwarz/Weiss/Silber lieferbar
- Bi-Wiring nicht möglich
Preis:
3,750.00 CHF
Hersteller:
Jahrgang:
2020
Vertrieb:
Masse:
320 x 960 x 320 mm
Gewicht:
21 kg
Farbe:
Eiche, Kische
Bass:
165 mm
Bauprinzip:
Bass-Reflex
Empfohlene Leistung:
50 Watt
Frequenzgang:
45 Hz – 20 kHz ± 3dB
Hochton:
19 mm
Impedanz:
8 Ohm
Maximale Leistung:
150 Watt
Mittelton:
n/a
Wirkungsgrad:
87 dB