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Viel Lärm um Lautstärke: Der «Loudness-Krieg» in der heissen Phase.Viel Lärm um Lautstärke: Der «Loudness-Krieg» in der heissen Phase.

Zusammenfassung

Musikproduktionen, die auf CD veröffentlicht werden, sind oft in stark unterschiedlichen Lautstärken produziert. Dies führt bei der Verbreitung über Streamingdienste zu unerwünschten Lautstärkesprüngen zwischen unterschiedlich produzierten Tracks. Die Betreiber der Streaming-Sites wenden eine Lautstärken-Normalisierung an, um diesem Problem zu begegnen.

Loudness Normalization – die Lautstärken-Normalisierung

Aufmerksame CD-HörerInnen werden es immer wieder bemerken: CDs aus dem letzten Jahrhundert klingen leiser als die aktuellen CDs. Dies haben wir dem sogenannten «Loudness War» («Lautstärken-Krieg») zu verdanken. Die Musikproduzenten erhoben eine möglichst hohe Wiedergabelautstärke zur Maxime, um zu erreichen, dass ihre CDs bei der Rundfunkwiedergabe möglichst gut (laut!) rüberkommen. Dies leider oft auf Kosten einer grossen Dynamik und einer guten Klangqualität («laut» heisst bei der antiquierten AM/FM-Technik, dass der Sender gut empfangen wird und es darum verdient, gehört zu werden). Es gibt allerdings seit geraumer Zeit Audioproduktions-Leute, die sich gegen solche «Lautstärke-Exzesse» wehren.

Die folgenden Bilder zeigen Ausschnitte aus einem Michael-Jackson-Song, der über die Jahre auf verschiedenen CDs veröffentlich worden ist. Die Bilder zeigen gewissermassen die Luftschwingungen, die unsere Ohren erreichen (jeweils über den linken und den rechten Kanal). Die älteste Produktion aus dem Jahre 1991 ist klar leiser als die neuste aus dem Jahr 2007.

Eine erhöhte Lautstärke entsteht dadurch, dass leisere Stellen im Song in der Lautstärke angehoben werden, während laute Stellen beibehalten werden. Das Audiosignal wird komprimiert, wie der Fachbegriff lautet.

(Quelle: Wikipedia)

Die älteste Produktion aus dem Jahre 1991 ist klar leiser als die neuste aus dem Jahr 2007. Dafür ist sie dynamischer als die neueren Versionen. Die älteste Produktion aus dem Jahre 1991 ist klar leiser als die neuste aus dem Jahr 2007. Dafür ist sie dynamischer als die neueren Versionen.

Lautstärke ist kein Mass für Qualität

Die Musikdistribution ist im Wandel: Streaming-Websites wie Tidal, Spotify, Qobuz, Apple Music, Youtube etc. gewinnen an Bedeutung, und auch Rundfunkprogramme werden digital übers Internet oder über digitale Rundfunkkanäle (DAB) verbreitet. Das heisst aber auch, dass die Lautstärke kein Mass mehr für die Qualität der Übertragung ist.

Zudem sind die Streaming-Anbieter daran interessiert, dass die angebotene Musik in ausgeglichener Qualität und Lautstärke vorliegt. Es wäre für die Kunden unangenehm, wenn die Lautstärke zwischen zwei Alben oder zwei Tracks in einer Playliste stark variieren würde.

Die Audio Engineering Society (AES) hat daher eine Empfehlung für die Lautstärke von Audiostreams verfasst: «Recommendation for Loudness of Audio Streaming and Network File Playback». Die AES empfiehlt darin eine Ziel-Lautstärke zwischen -20 LUFS und -16 LUFS. Zur Erklärung: LUFS bedeutet «loudness units relative to fullscale»; ein höherer Wert bedeutet eine höhere Lautstärke, d. h. -16 LUFS ist lauter als -20 LUFS.

Die diversen Streamingdienste setzen diese Empfehlung jedoch unterschiedlich um.

Beispiele:

  • Apple Music (soundcheck on):  -16LUFS
  • Spotify: -14LUFS
  • Tidal: -14LUFS
  • YouTube: -13LUFS
  • Soundcloud: Keine Normierung

 

Bei der Festlegung der Ziel-Lautstärke muss berücksichtigt werden, dass gewisse portable Geräte nicht genügend Verstärkung erreichen, so dass damit z. B. -20 LUFS nicht genügend laut wiedergegeben werden kann. Vor allem, wenn das Gerät gemäss der Europäischen Regulierung EN50332 gebaut wurde.

Lautstärken-Maximierung: sinnlos und schädlich

Für die Musikproduzenten bedeutet diese Lautstärken-Normierung, dass eine Maximierung der Lautstärke bei der Musikproduktion nicht nur sinnlos, sondern auch schädlich für die Qualität der Musik ist. Dies kann man wie folgt veranschaulichen:

Ausschnitt 1A: mit guter Dynamik, nicht komprimiert.Ausschnitt 1A: mit guter Dynamik, nicht komprimiert.
Ausschnitt 1B: mit stark erhöhter Lautstärke, d. h. komprimiert.Ausschnitt 1B: mit stark erhöhter Lautstärke, d. h. komprimiert.
Ausschnitt 1C: entspricht dem Ausschnitt 1B, ist aber im Pegel reduziert, so dass dieselbe Lautstärke entsteht wie im Ausschnitt 1A.Ausschnitt 1C: entspricht dem Ausschnitt 1B, ist aber im Pegel reduziert, so dass dieselbe Lautstärke entsteht wie im Ausschnitt 1A.

Wie soll die Normalisierung angewandt werden?

Zum Vergleich 1A und 1C nebeneinander: Sie sind gleich laut, haben aber einen ungleichen Klang.Zum Vergleich 1A und 1C nebeneinander: Sie sind gleich laut, haben aber einen ungleichen Klang.

Es fällt auf, dass 1A den Dynamikumfang des Übertragungskanals (der Streaming-Site) gut nutzt und damit eine dynamische, lebendige Musik vermittelt. 1C hingegen bleibt komprimiert, einfach auf die erforderliche Lautstärke (z. B. -14 LUFS) angepasst, so dass sie den Dynamikumfang des Übertragungskanals nicht nutzt. Damit wird offensichtlich, dass eine «unmotivierte» Überkompression kontraproduktiv für die Musikqualität ist. Natürlich gibt es Musik-Genres, die von (starker) Kompression leben, aber dies ist eine Stilfrage und hat mit der angesprochenen Problematik nichts zu tun.

Es fragt sich nun, welche Lautstärke gemessen werden soll. Soll jeder einzelne Song gemessen und in der Lautstärke angepasst werden? Oder soll ein ganzes Album gemessen werden (mittlere Lautstärke über alle Songs)? Oder soll der lauteste Song eines Albums als Referenz genommen werden?

Dazu hat Tidal kürzlich eine Studie von Eelco Grimm und der HKU University of Arts in den Niederlanden verwendet. Die Studie hat 4.2 Millionen Alben des Tidal-Katalogs bezüglich Lautstärke analysiert. Basierend auf dieser Untersuchung wurde eine Empfehlung formuliert, die besagt, dass der lauteste Song eines Albums auf -14 LUFS normiert werden soll. Die übrigen Songs sollen entsprechend mitskaliert werden, so dass die Lautstärkeverhältnisse innerhalb eines Albums erhalten bleiben. Dieser Ansatz dürfte sinnvoll sein, dennoch kann man argumentieren:

  • An einer Party möchte man alle Songs, auch die leiseren Balladen, mit etwa derselben Lautstärke hörn, d. h. es wäre gut, die Lautstärken-Normierung auf jeden Song einzeln anzuwenden. Das wäre lösbar mit einem entsprechenden Schalter in der Wiedergabe-Applikation.
  • Die Lautstärken-Normierung sollte den Musikstil berücksichtigen. Man erwartet, dass ein AC/DC-Song lauter spielt als das nachfolgende Querflötensolo.

 

Es bleibt zu hoffen, dass die Einstellmöglichkeiten zur Lautstärken-Normierung mit der Zeit ausgefeilter werden. Aber jedenfalls ist es bereits ein grosser Verdienst, dass der «Lautstärken-Krieg» ad absurdum geführt wurde.

Quellen und weiterführende Informationen

Die Details zur HKU University of Arts Studie:
http://www.audioxpress.com/news/tidal-implements-album-loudness-normalization-and-activates-it-by-default-for-mobile-players

Die Studie der HKU University of Arts:
https://octo.hku.nl/octo/repository/getfile?id=qLlZPGSVXFM

Weitere Informationen zum Thema:

http://music-loudness.com

http://music-loudness.com/Music-Loudness-Alliance-White-Paper-v1.pdf

https://www.change.org/p/music-streaming-services-bring-peace-to-the-loudness-war

http://www.ryanschwabe.com/blog/loud

http://productionadvice.co.uk/online-loudness/

http://productionadvice.co.uk/tidal-loudness/

https://www.tunecore.com/blog/2017/03/music-streaming-platforms-mastering-3-guiding-concepts.html