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Publikationsdatum
6. August 2016
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So genannte Lifestyle-Produkte finden immer mehr Käufer. Diese kaufen Lifestyle-Produkte nicht in erster Linie wegen des Zwecks, den diese erfüllen, oder wegen der Qualität, sondern weil sie denken, dass die Produkte ihrem Lebensstil entsprechen. Deshalb wollen sie solche Produkte besitzen. Sie wollen sich einem Lebensstil zugehörig fühlen und definieren sich über bestimmte Produkte.

Für die Anbieter und Hersteller ist das ein interessanter Markt. Man kann etwas entwickeln, herstellen oder herstellen lassen und dann mit Erfolg verkaufen, ohne dass es im Sinne des Nutzens gut sein muss. Die Käufer wollen nur, dass es ihrem Lifestyle entspricht und irgendwie funktioniert, oder man macht sie das glauben. Diese Entartung findet man heute bei sehr vielen Produkten.

Man kauft also eine Tasche einer bestimmten Marke, weil man sich mit der Marke identifiziert (weil sie dem eigenen Lifestyle entspricht) und nicht, weil man eine besonders gute Tasche im Rahmen seines Budgets benötigt. Das steigert den Konsum in einer Volkswirtschaft, schafft Arbeitsplätze, vernichtet Ressourcen und produziert Müll.

Es gibt viele Lifestyle-Audio-Produkte. Sie sind entweder nicht besonders gut (objektiv und subjektiv) oder sie sind gut, werden aber nicht aufgrund ihrer Qualität gekauft, sondern weil sie dem Lifestyle des Kunden entsprechen. Wenn man das polarisiert, gibt es somit gute und schlechte Lifestyle-Produkte, die eines gemeinsam haben: Sie werden nicht aus Qualitätsgründen gekauft.

Der marktführende Hersteller von Plattenspielern, Pro-Ject, lancierte neulich günstige Plattenspieler, die man vertikal aufstellen kann – z. B. an eine Wand. Damit will man, so der Hersteller, Lifestyle-Vinyl-Kunden gewinnen, weil Vinyl zunehmend ein Lifestyle-Thema wird.

Die Plattenspieler der Vertical-Turntable-Line widersprechen so ziemlich allem, was einen guten Plattenspieler definiert. Stichworte: Einseitige Abnutzung des Tellerlagers, schwer kontrollierbare Kräfte, die auf Tonarm/Tonabnehmer wirken, drahtlose Übertragung des Audiosignals mit Bluetooth, unvorteilhafte Bedienung usw. Trotzdem ist der Hersteller ehrlich, denn er macht ja auch gute Plattenspieler.

Es geht ihm darum, ein funktionierendes Produkt einer Zielgruppe zu verkaufen, für die die Qualität der Musikwiedergabe nicht so wichtig ist. Das wirft Fragen auf.

Sind solche Experimente sinnvoll? Schenkt man den Kunden reinen Wein ein? Vergisst man dabei nicht, dass es solche Geräte in der Vergangenheit bereits zur Genüge gab? Würde man nicht besser davon absehen und stattdessen möglichst gute Geräte in allen Preisklassen machen? Solche, die das Gravitationsgesetz zu ihrem Wohl nutzen?

Würde es die unglaubliche emotionale Wirkung von Musik nicht verdienen, in allen Preisklassen auf angemessene und würdige Qualität zu bauen? Soll man damit spassen?

Meine Passion für grossartige Musikwiedergabe ist mein Lifestyle. Damit schliesst sich der Kreis.