TESTBERICHT
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Publikationsdatum
9. Juli 2021
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Die ganz grossen Würfe von Apple waren immer smarte Geräte in Kombination mit neuen Ecosystemen. So war damals der iPod in Kombination mit iTunes ein unschlagbares User-Erlebnis. Später überzeugte das iPhone mit dem neuen Konzept der Apps vieler Anbieter aus dem App Store oder die Apple Watch als edles Smartgerät an der humanen Uhren-Position Handgelenk. Es waren nie nur die Geräte, die in der jüngeren Vergangenheit des Tech-Riesen alleine überzeugten, trotz ihrem genialen Design. Es waren User-Experience-Konzepte.

Mit den AirPods Max brachte Apple Ende 2020 einen sehr wertig wirkenden Over-Ear-Kopfhörer auf den Markt. Damit war nach der Übernahme von Beats durchaus zu rechnen, aber mit dem Bluetooth-Kopfhörer allein war es nicht getan. Es braucht mehr für die User Experience. Und dafür musste zuerst ein wichtiger Marketing-Schwenk vollzogen werden:

Die Apple-Gefolgschaft sollte an die «Realität» herangeführt werden, dass das digital komprimierte Musikformat AAC von Apple Music nun doch nicht das Mass der Dinge ist und man nun mit dem Streamingdienst Apple Music auch hochauflösende 24-Bit-Datenströme oder 16 Bit lossless im ALAC-Format und sogar noch eine Variante von Dolby Atmos 3D-Audio – Spatial Audio genannt – geniessen kann und dass sich das lohnt. Eine Erweiterung der Angebotsbandbreite von Apple Music musste und muss zuerst angeteasert werden.

Es gibt bei Apple einige Einschränkungen dessen, was Audiophile und auch professionelle Audioleute unter HiRes verstehen. Dazu mehr weiter unten. Apple geht darüber hinweg, wohl auch, um die Zielgruppe von Tech-Talk zu verschonen und nicht zu verwirren. Dafür stellt sich Apple nun gleich als Erfinder von HiRes-Audio-Streaming, Best-Headphones, Noise-Compensation u.s.w. ins Rampenlicht.

Nicht zu bestreiten: Die genial gemachten AirPods Max mit ihrem Schutz-Holster, welches auch noch dafür sorgt, dass die Standby-Stromaufnahme minimiert wird.Nicht zu bestreiten: Die genial gemachten AirPods Max mit ihrem Schutz-Holster, welches auch noch dafür sorgt, dass die Standby-Stromaufnahme minimiert wird.

Diese überdrehte Art, den Wettbewerb einfach zu ignorieren, ist etwas unanständig. Doch das haben sie früher auch getan – und trotzdem immer überzeugt, weil alles aus einem Guss war, weil es auch für kritische Ohren so schlecht gar nicht klang und weil die Produkte des Tech-Riesen und die User-Experience schon immer genial waren.

HiRes und Spatial Audio

Apple Music ist zwar auch nur ein Streamingdienst mit HiRes-Qualität im Angebot, wie Amazon Music, Tidal und Qobuz. Aber für die Apple-Gefolgschaft soll es der einzige Streamingdienst sein. Apple zählte 2020 weltweit um die 800 Millionen Unique User, Leute mit einer Apple-ID und mit einem oder mehreren Apple-Geräten im Einsatz. Auf diese Musikhörer richtet sich Apple Music aus. Es geht nicht um die HiFi-Hörer mit den Stereogeräten zuhause. Wenn die das auch nutzen wollen, dann muss irgendwo Apple-Hardware oder -Software rumstehen. Anders geht es nicht.

Trotz neu 100 % des Katalogs von Apple Music in 16bit/44,1kHz (CD-Qualität) und einer Auswahl in 24/96/192: Mit der Bluetooth-Verbindung zu den AirPods Max geht HiRes oder lossless nicht. Natürlich klingt es, aber es gibt keinen Bluetooth-Codec, der in der Lage wäre, diese Daten lossless zu übertragen. Das mag so tragisch nicht sein, aber das Leistungsversprechen ist nicht zu erfüllen. Wahrscheinlich kümmert das niemanden.

Will man einen Kabelkopfhörer ans iPhone anschliessen, braucht man einige unpraktische Adapterkabel, die weiss Gott was alles machen. Will man ein Android Smartphone mit Apple Music nutzen, geht es mit dem USB-Ausgang zwar einfacher, aber Android OS macht ein re-sampling auf 24/48, genau so, wie viele DA-Adapterkabel für Kopfhörer auch. Mehr als 48 kHz Samplingrate ist also nicht drin, egal was man vorne reinschiebt.

Wenn man nun Apple Music zuhause mit einem MacBook Pro nutzen will, bekommt man «Bit-perfect» und «gapless» auch nicht zu Gange. Der von den HiFi-Hörern gewollte Purismus der Bit-Transparenz ist nicht zu erzielen und viele Leute wollen keine Computer mehr an ihr HiFi anschliessen. Die theoretisch erzielbare «Qualität», die sich mit der Wiedergabe von HiRes-Formaten erzielen lässt, ist mit Apple Music vorerst nicht erreichbar. Die User-Zielgruppe, die das wünscht, ist zu klein ... für Apple.

Schliesslich gibt es nebst Apple Music noch grosse Player wie Spotify (HiFi) und Amazon Music. Alle anderen wie Qobuz und Tidal backen kleinere Brötchen, aber dafür schmackhafte. Sie kümmern sich um die Bedürfnisse der «Digital-Audiophiles».

Weit spannender ist aber 3D-Audio oder Spatial Audio: Dieses auf Dolby Atmos basierende neue «Raumklang-Format» ist prädestiniert für die AirPods Max. Damit soll es räumlicher, grösser und plastischer klingen. Das Format lässt sich aus jeder Mono- und Stereo-Aufnahme generieren. Auf Apple Music findet man schon eine beeindruckende Liste an neuen und alten (= konvertierten) Aufnahmen. Bei 3D-Audio geht es nicht um Bit-Perfect: Bluetooth reicht völlig, es geht um ein neues Klangerlebnis, will man Apple glauben.

Wir haben uns das angehört.

3D-Audio mit Apple Music und den AirPods Max.3D-Audio mit Apple Music und den AirPods Max.
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