TESTBERICHT
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Publikationsdatum
10. Januar 2021
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MEDIEN

Revox baute 1954 seinen ersten Plattenspieler und stellte zwischen 200 und 300 Stück davon her. Der Revox 60 war, typisch für diese Zeit, mit einem grossen AC-Motor und einem Reibradantrieb ausgerüstet. Die verschiedenen Geschwindigkeiten konnte man mit einer Art Gangschaltung einstellen. Es gab aber auch eine Version mit einem Einstellrad. Der Tonarm stammte von Ortofon und bestand aus Bakelit – damals der letzte Schrei. 1954 war der Anteil an Schellack-Platten noch sehr hoch und die hohe Geschwindigkeit von 78 Umdrehungen pro Minute oft benutzt.

Dann baute Revox (und auch Studer) keine Plattenspieler mehr, bis 1977 der grosse Erfolg mit dem berühmten B 790 kam. Der Dreher glänzte vor allem mit einem motorgetriebenen Tangential-Arm und einem Direktantrieb. Warum Revox zwischen 1954 und 1970 in dieser für HiFi so entscheidenden Epoche eine «Plattenspielerpause» einlegte, ist ein Rätsel mit einer mündlich überlieferten Erklärung:

Der erste Plattenspieler von Revox: der Revox 60 von 1954. Davon wurden ca. 250 Stück hergestellt und mit dem frühen Ortofon-Tonarm aus Bakelit ausgerüstet. Dann gab es bis 1970 keine Revox-Plattenspieler mehr.Der erste Plattenspieler von Revox: der Revox 60 von 1954. Davon wurden ca. 250 Stück hergestellt und mit dem frühen Ortofon-Tonarm aus Bakelit ausgerüstet. Dann gab es bis 1970 keine Revox-Plattenspieler mehr.

Revox und Thorens sollen sich damals abgesprochen haben, bei ihren «Leisten» zu bleiben, denn Thorens arbeitete damals an einem Spulen-Tonbandgerät (Prototyp bekannt) und Revox soll dies im Gegenzug mit dem Verzicht auf eigene Plattenspieler verhindert haben. Das Ziel war vermutlich, unnötige Entwicklungskosten und Kosten für die Fertigungseinrichtungen zu sparen sowie die Vermeidung inländischer Konkurrenz.

Ende der 1960er-Jahre sah die Welt dann etwas anders und grösser aus. Thorens produzierte schon seit einiger Zeit in Deutschland. Revox entwickelte mit dem B 790 ihren legendären Plattenspieler, den man mitsamt seinen verschiedenen Nachfolgern heute noch in einigen HiFi-Haushalten (wieder)findet.

Der B790 von 1970: Schwenkbarer Motor-Tangentialarm (hier ohne Verkleidung). Er erkannte sogar den Anfang der Tracks automatisch.Der B790 von 1970: Schwenkbarer Motor-Tangentialarm (hier ohne Verkleidung). Er erkannte sogar den Anfang der Tracks automatisch.

Der Neue

Schon manche Traditionsmarke, ob noch bestehend oder in neuem Besitz, hat sich aus nachvollziehbaren Gründen wieder dem Plattenspieler zugewandt. Allerdings nicht immer überzeugend: Das Spektrum reicht vom billigen Aufkleben eines Labels auf ein zugekauftes Gerät bis hin zu sehr eigenständigen Lösungen, fast wie damals, als jeder Hersteller alles selbst entwickelte. Wie bei den Bikes gibt es heute viele Zulieferer, die Komponenten anbieten, auf die sie sich spezialisiert haben. Man findet zum Beispiel bei vielen Tonarmen exakt denselben Tonarm-Lift von ein und demselben Hersteller.

Auch der Studiomaster T700 Turntable von Revox besteht zum Teil aus solchen Komponenten. Entscheidend sind aber hier das Konzept und die Qualität als Ganzes. Diesbezüglich wurde ganze Arbeit geleistet.

Das Gerät fühlt sich irgendwie wirklich «Revox» an – so wie man die Marke kannte, damals, als sie im gehobenen Schweizer Haushalt zum guten Ton gehörte.Das Gerät fühlt sich irgendwie wirklich «Revox» an – so wie man die Marke kannte, damals, als sie im gehobenen Schweizer Haushalt zum guten Ton gehörte.

Cooles Konzept

Der Studiomaster T700 ist ein Komplettgerät inklusive MC-Tonabnehmer und mit einem integrierten und sehr hochwertigen MC-Phonovorverstärker. Es gibt keine Möglichkeit, einen externen Phonovorverstärker zu nutzen.

Das wird dem HiFi-Hobbyisten vielleicht weniger zusagen, dem ambitionierten Musikhörer, der kein neues Hobby ausüben will, aber schon. Die Lösung funktioniert nämlich: Es gibt keine Brumm- oder Störgeräusche und man braucht auch kein Masse/Erdungskabel, sprich: keine Basteleien und Lösungsfindungen. Darum sehe ich das als Vorteil.

Der serienmässig verbaute Ortofon Quintett Bronce ist der teuerste MC-Tonabnehmer der Quintet-Serie von Ortofon und kostet alleine schon 650 CHF, wenn man ihn separat beschafft. Selbstverständlich kann man fast jeden MC-Tonabnehmer einsetzen, sofern dieser passend zum Tonarm ist. Der MC-Phonovorverstärker lässt sich in jedem Fall anpassen, mit vier Eingangsempfindlichkeiten und sechs Impedanzen plus Zwischenwerte.

Man fragt sich vielleicht, warum keine MM-Tonabnehmer zulässig sind. Ich kenne die Ursache für den Verzicht nicht, aber MC-Tonabnehmer sind in der Regel besser (von Ausnahmen abgesehen), daher ist das einfach eine Entscheidung des Herstellers.

Das Gerät fühlt sich irgendwie wirklich «Revox» an, so wie man die Marke kannte, damals, als sie im gehobenen Schweizer Haushalt zum guten Ton gehörte. Die Zarge ist sehr solide und spiegelblank. Alles ist sorgfältig ausgeführt, vom Bronce-Tellerlager über den präzisen POM-Plattenteller bis hin zum exakt verarbeiteten Antriebs-Pully und dem langen Flachriemen.

Der Tonarm ist zwar recht konventionell, aber hochwertig mit einem sehr schönen Carbon-Armrohr versehen. Die feinen Signallitzen sind direkt mit dem Eingang des Phonovorverstärkers verlötet. Die drei absorbierenden und höhenverstellbaren Standfüsse sind ebenfalls gut verarbeitet. Und wenn man den Plattenspieler an den wunderbaren Sensortasten einschaltet, egal, ob 45 oder 33 Umdrehungen, dann startet er langsam und ohne irgendwelche seltsam anmutenden Geräusche, bis die Solldrehzahl erreicht ist. Die 45- oder 33-Anzeige hört dann auf zu blinken und man weiss, nun ist alles gut.

Dieses vorsichtige «Hochfahren» bewirkt eine möglichst geringe Abnutzung des Riemens und über lange Zeit viel weniger Gummi-Abrieb am Pully. Diese Langsamkeit hat also nicht nur eine psychologisch entschleunigende Wirkung. Bei der Abdeckhaube schwanke ich etwas. Formal passt sie sehr gut und sie ist auch sauber verarbeitet. Aber muss man eigentlich immer das Logo in die Mitte «kleben»? Es wirkt ein bisschen billig und man sieht ja das Revox-Logo ohnehin auf der Zarge, wo es wirklich sehr edel daherkommt.

Der Studiomaster T700 Turntable kostet 3500 CHF. Der Preis beinhaltet den Tonabnehmer (650 CHF) und den MC-Phonovorverstärker, für den man als separates Gerät vielleicht 500 bis 800 CHF hinlegen müsste (mit Gehäuse, versteht sich). In diesem Kontext ist der Preis nicht übertrieben.

 

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