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Publikationsdatum
21. Juli 2002
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Die Musikindustrie will künftig nicht nur die Betreiber von Musiktauschbörsen im Internet klagen, sondern auch gegen einzelne Anbieter von Musik im Web vorgehen. Die Klagen gegen Individuen sind Teil breitangelegter Bemühungen, das Copyright auf Songs im Internet durchzusetzen, berichtet das Wall Street Journal (WSJ). Die Klagen sollen begleitet werden von einer öffentlichen Kampagne, in der bekannte Musiker und Stars die Fans zur Respektierung des Urheberrechts aufrufen.

Nachdem die kommerziellen Betreiber von Online-Tauschbörsen erfolgreich zu Tode geklagt und der Musikhandel über das Web ins Businessmodell der Labels integriert wurde, ist das Vorgehen gegen einzelne User der logische nächste Schritt. Geklagt werden sollen Personen, die ein grösseres Angebot von Songs online zum Tausch anbieten ohne Gebühren an Künstler oder Labels zu bezahlen. Ausserdem im Visier der Musikindustrie sind so genannte "Supernodes". Sie liefern die zentralen Verzeichnisse, die den Online-Tausch ermöglichen.

Die Pläne der Musikindustrie, repräsentiert von der Recording Industry Association of America (RIAA), sind laut WSJ noch in der Anfangsphase. Auch haben die Klagen gegen Einzelpersonen nicht die Unterstützung aller Labels, weil sich die Umsetzung dieses Vorhabens als kompliziert erweisen könnte. Vehemente Befürworter sollen Vivendi Universal und Sony sein, während AOL Time Warner skeptisch ist. Klagen gegen Einzelpersonen würden in vielen Fällen gleichzeitig ein Vorgehen gegen Kunden des AOL Internet Services sein. Vor allem aber wird das negative Echo bei den Musikfans gefürchtet, weshalb wohl auch eine begleitende Kampagne vorgesehen ist. Die Details stehen noch nicht fest. So ist unklar, welche Musiker ihre Stimme für die Industrie erheben. Viele haben sogar Sympathie für Online-Tauschbörsen gezeigt.

Abgesehen vom negativen Bild bei Musikliebhabern und Konsumenten sind auch die rechtlichen Voraussetzungen unklar. Darf ein privater User seine Songs zum Tausch anbieten, wenn er daraus keinerlei kommerziellen Nutzen zieht? Die Labels müssten außerdem die entsprechenden User aufspüren. Dazu müssen zuerst die Provider dieser Personen gezwungen werden, deren Daten bekannt zu geben. Dann ist es immer noch schwierig festzustellen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt online war. Es stellt sich also die Frage nach dem Sinn der Übung. Dieser könnte in der Abschreckung durch langwierige und kostspielige Klagen zu finden sein. Bei den Tauschbörsen-Betreibern war dieses Konzept recht erfolgreich.

Der unpopuläre Schritt wird erwogen, weil das Aus für Napster & Co die Attraktivität des File-Swapping nicht gemindert hat. Die diversen Programme wurden hunderte Mio. Mal auf Festplatten in aller Welt geladen. Die CD-Verkäufe sind im vergangenen Jahr erstmals seit dem Launch der CD im Jahr 1983 weltweit gesunken. Die Labels sehen daher keine andere Möglichkeit ihr Geschäft zu verteidigen.