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Publikationsdatum
18. Februar 2023
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Es gibt viele Musikhörer, die ihren gespeicherten CDs gegenüber der Musik von Streamingdiensten den Vorzug geben. Das hat mehrere Gründe. Doch was man immer wieder hört, ist die Begründung, dass die Klangqualität der gespeicherten Inhalte besser sei als die der Streamingdienste. Über den Umfang dieser höheren Qualität gibt es sehr unterschiedliche Aussagen. Es gibt zu diesem Thema aber auch sehr viel Meinungsmache. Wenn man sich im Internet ein wenig schlau macht, kommt man schnell zu der Feststellung, dass es schon fast zum guten Ton gehört, die Meinung zu vertreten, es klänge mit Streaming weniger gut als wenn man lokal gespeicherte Musik wiedergibt.

Meine Erfahrungen auf diesem Gebiet beschränkten sich – wie die Erfahrungen von vielen – auf spontane Vergleiche. Diese lassen die Voraussetzungen für «wirkliche Vergleichbarkeit» vermissen. Es musste eine Systematik her. Meine Voraussetzungen sind aber gut. Ich verfüge über mehr als 5000 gespeicherte Musikalben in CD-Qualität und davon ca. 25 % doppelt bis dreifach, aus unterschiedlichen Quellen. Die in CD-Qualität gespeicherten Musikalben wurden allesamt von CDs gerippt, etwa 1200 von mir selbst.

Systematik

Davon habe ich mir eine Playliste angelegt: Sie enthält eine Stichprobe von 24 Musikbeispielen von 24 Interpreten jeweils in 2 bis 3 Versionen. Zum Beispiel 1 x als AIFF oder FLAC gespeichert und 1 x als FLAC gestreamt von Qobuz. Insgesamt umfasst die Playliste 59 Tracks. Ich stellte sicher, dass es sich um dieselben Aufnahmen handelt und natürlich immer um die Redbook-Quantisierung mit 16 Bit Wortbreite und 44,1 kHz Samplingrate, das eigentliche Produktionsformat für die CD.

Bei dem Vergleich machte es keinen Sinn, «Hi-Res» ins Spiel zu bringen. Hochauflösende Formate sind von Streamingdiensten zwar beliebt, aber es gibt sie nicht auf CD, also kann man nicht objektiv vergleichen. Es gibt sie auf SACD, aber den DSD-Layer einer SACD kann man nicht rippen (= auslesen und speichern), jedenfalls nicht einfach so. Ich könnte höchstens HiRes-Downloads mit HiRes-Streaming vergleichen. Leider habe ich nicht so viele HiRes-Downloads, zudem besteht der Grossteil aus Spezialitäten. Die Fokussierung auf die CD schien mir sinnvoll: CDs sind enorm verbreitet.

Interessant wäre auch der Vergleich mit direkter CD-Wiedergabe ab CD-Player. Aber CD-Spieler klingen unterschiedlich, auch wenn man digital ausgibt. Das macht beim vorliegenden Vergleich demnach keinen Sinn, auch wenn es individuell gewiss relevant ist, die direkte CD-Wiedergabe an der eigenen Anlage gegenüber der Wiedergabe desselben Inhalts ab Streaming qualitativ zu beurteilen.

Als Musikplayer diente mir Roon. Die gespeicherten Musikbeispiele sind sowohl auf dem NAS gespeichert als auch auf einer SSD, die über das Netzwerk zugänglich ist. Als Streamingdienst diente mir Qobuz. Ich hätte auch Tidal nehmen können. Den Hörtest machte ich mit einem DA-Wandler von Merason, einem Verstärker von Rega, Lautsprechern von Rogers (Typ LS 3/5 A) im Nahfeld und einem offenen Referenz-Kopfhörer (Kabelkopfhörer) von Grado.

Die Roon-Oberfläche mit meiner Playliste bediente ich am grossen PC-Display.Die Roon-Oberfläche mit meiner Playliste bediente ich am grossen PC-Display.

Die Roon-Oberfläche mit meiner Playliste bediente ich am grossen PC-Display. So hatte ich die Möglichkeit, direkt von Track zu Track zu springen, und zwar genau auf den richtigen Zeitpunkt. Auf diese Weise konnte ich präzise A/B-Vergleiche praktisch ohne Unterbrüche machen.

Worum geht es nicht?

Es geht hier NICHT um einen Vergleich zwischen CD-Wiedergabe und Streaming. CD-Wiedergabe ist ein durch den CD-Player beeinflusster Prozess. Solche Vergleiche sind zwar beliebt, an Workshops und bei HiFi-Händlern, aber sie sind nicht aussagekräftig in Bezug auf die Frage, ob es punkto Wiedergabequalität eine Rolle spielt, ob dieselben Musikdaten bei uns lokal gespeichert sind oder ob wir sie vom Cloud-Server eines Streaming-Anbieters beziehen.

Ebenso lässt sich mit diesem Test nicht erörtern, inwieweit die – durch Streaming notwendige – Netzwerkanbindung negative Einflüsse auf die Klangqualität haben könnte (Stichwort: Digital Noise, RFI-Hochfrequenzstörungen). Ein Aspekt, dem Hersteller hochwertiger Streaming-Geräte in der Entwicklung grosse Beachtung schenken und den die Befürworter von kostengünstigen DIY-Lösungen (Selbstbau) gerne ignorieren.

Hier entstand auch ein fruchtbarer Nährboden für viele Produkte, die klangverbessernd einwirken sollen und wie gewohnt akritisch perzipiert werden: Audiophile Netzwerkkabel zum Beispiel oder audiophile Ethernet-Komponenten. Da mache ich gerne einen Bogen drum. Im Moment wenigstens.

Serie 1 mit 14 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).Serie 1 mit 14 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).

Klangvergleiche

Das Debut-Album der Celtic-Folk-Interpretin Cara Dillon ist mit dem Lied «Black is the Colour» im Testfeld vertreten. Die Qobuz-Version klingt leiser und weniger dynamisch als der CD-Ripp. In den lauten Passagen sind auch Kompressionseffekte hörbar. Die CD-Daten (AIFF) bringen ein deutlich besseres Musikerlebnis. Die Unterschiede sind so deutlich, dass man sich fragen muss, ob es sich um dasselbe Master handelt. Ich kenne die Antwort nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass von diesem relativ wenig bekannten Album ein Re-Mastering gemacht wurde.

Aaron Neville ist mit dem Song «Louisiana» ab seinem berühmten Album «Warm your Heart» vertreten. Davon stehen mir zwei CD-Ripps und eine Qobuz-Version zur Verfügung. Der eine CD-Ripp ist identisch mit der Qobuz-Version. Der andere CD-Ripp klingt deutlich dynamischer, ist aber in Tat und Wahrheit einfach ca. 2 dB lauter. Trotzdem dünkte mich die lautere Version auch nach erfolgter Pegelkorrektur ein wenig dynamischer, doch eine Eindeutigkeit war nicht feststellbar.

Auch der Song «Blue Monk» von Abbey Lincoln, Album «Abbey Sings Abbey» ging mit drei Versionen ins Rennen. Die drei Versionen, ein AIFF-Ripp, ein FLAC-Ripp und eine FLAC-Version von Qobuz waren völlig identisch.

Dasselbe war auch mit  «Cembalo-Barock» des Interpreten Albert Fuller festzustellen. Die gespeicherte AIFF-Version war von der FLAC-Version ab Qobuz nicht unterscheidbar. Auch Allan Taylors Song «Kerouac's Dream» konnte sich in die Gruppe der Musikbeispiele einreihen, bei der keine Unterschiede punkto Klangqualität feststellbar waren.

Und so ging es weiter mit dem grossartigen Livealbum von Alison Krauss & Union Station: Ein CD-Ripp (AIFF) und die gleich referenzierte Version von Qobuz. Zu guter Letzt der ersten Serie konnte auch die unglaublich dichte Interpretation eines Vivaldi-Concertos (Andrew Manze, English Concert) nicht mit hörbaren Unterschieden aufwarten. Der CD-Ripp und die Qobuz-Version klangen in jeder Hinsicht völlig identisch.

Serie 2 mit 14 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).Serie 2 mit 14 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).

«Il Ladro» von Angelo Branduardis gleichnamigem Album gab es in drei Versionen zu hören: Zwei CD-Ripps (1 x AIFF, 1 x FLAC) und die Qobuz-Version. Beim ersten Durchgang wirkte alles identisch. Die wuchtige Passage ab 1:05 bis 1:11 kam mit der einen gespeicherten Version explosiver herüber als auf den zwei anderen Versionen. Ich kenne den Song von vielen Vorführungen und ich kenne diese Passage besonders gut. Sonst hätte ich es vermutlich nicht beachtet, aber es war dann schon eindeutig.

Anna-Lotta Larssons Stimmvolumen und unverwechselbare klangliche Schönheit im Song «Var kommer barnen in» waren sowohl auf dem CD-Ripp als auch auf der Qobuz-Version ohne Unterschied zu geniessen. Ebenso erging es mir mit den zwei Versionen von «Jongo», einem fulminanten Gitarrenstück von Baden Powell «live at the Rio Jazz Club». Die Darbietungen waren identisch.

Ein wenig unsicher war ich bei der Qobuz-Version des Songs «The Lowlands of Holland» von Natalie Merchant mit den Chieftains, Album: «Tears of Stone». Sie hatte irgendwie mehr Glanz, wirkte ein wenig schöner als der CD-Ripp. Vielleicht habe ich mich auch zu stark ins Thema gebohrt, aber ein ganz kleiner Unterschied war irgendwie auszumachen.

Allan Taylors «Beat Hotel» – vertiefte Erklärungen erübrigen sich bei diesem Audiophil-Klassiker – klang super, sowohl gespeichert als auch gestreamt. Da war kein Unterschied zu hören.

Serie 3 mit 10 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).Serie 3 mit 10 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).

Count Basie, «88 Basie Street» gehört für mich beim gleichnamigen Song zu den besten Big-Band-Aufnahmen überhaupt. Auch bei diesem Track gibt es eine Stelle, und zwar bei 1:55, wo die Truppe Vollgas gibt. Bei der von der CD gespeicherten Version geben sie deutlich wahrnehmbar MEHR Vollgas als bei der ansonsten deckungsgleichen Version von Qobuz.

Die wunderschön vorgetragene Ballade «Vincent» von David Roth gibt es offensichtlich in zwei Versionen mit unterschiedlicher Dauer: Mein CD-Ripp dauert 3:18 und die Qobuz-Version nur 3:06. Die Ursache war schnell gefunden: Das Instrumental-Intro dauert bei der gerippten CD 24 Sekunden und auf der gestreamten Version nur 13 Sekunden. Abgesehen davon ist es exakt dieselbe Aufnahme, klingt absolut identisch. Man staunt ja, was die Leute in der Tontechnik heute so hinbekommen.

Bill Morrisseys Song «You'll never Go to Heaven» hat zugegeben seine Eigenwilligkeit. Auch so eine audiophile «Perle», die man in der Auster lassen kann. Die drei Versionen (2 x Ripp, 1 x Qobuz) sind identisch.

Brandi Carlile hat ja eben wieder einen Grammy geholt. Ihr Song «The Story» auf dem gleichnamigen Album hat gegenüber dem CD-Ripp auf der Qobuz-Version bei 0:58 mehr Wucht. Ich würde sagen, ca. 1.5 dB mehr Pegel. Wenn ich das anpasse, dann klingen beide Versionen eigentlich in etwa identisch.

Bei Charlie Haden und Pat Metheney kam das wunderschöne «Spiritual» auf dem Album «Missouri Sky» dann wiederum ohne hörbare Differenzen und in exakt gleicher Lautstärke rüber. Auch die unnachahmliche Tokyo-Live-Version von «My Funny Valentine» von Chet Baker war in drei Versionen völlig identisch.

Serie 4 mit 14 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).Serie 4 mit 14 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).

Bei Chris Reas Höllenfahrt waren sogar vier Versionen völlig identisch anzuhören: Ein CD-Ripp und drei Qobuz-Varianten (alle 16 Bit) klangen gleich. Dorothee Dandridges Version von «Body and Soul» (Album: «Smooth Operator») hatte auch keine Unterschiede zu bieten. Die Stimme klingt wie mit dem Skalpell aus der Luft geschnitten. Auch die berühmte Live-Version von «Hotel California» (Eagles) hatte mit drei Versionen vertreten, keine Unterschiede zu bieten.

Dasselbe galt auch für Aaron Copelands «Fanfare for the Common Man», «Shadrack» von den Fairfield Four und George Michaels «Roxanne», frei nach dem Original von Police. Alle waren sie zu zweit am Start.

Serie 5 mit 7 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).Serie 5 mit 7 Musikbeispielen (Screenshot der Roon-App).

Auswertung und Erkenntnisse

Diese Klangvergleiche sind nicht repräsentativ, dafür ist die Stichprobe viel zu klein. Ich hatte 6 Fälle von klanglichen Abweichungen bei 24 Musikbeispielen, also in 25 % der Fälle kam das vor. In 75 % der Fälle nicht.

Unterschiede hatten zum Teil eindeutig mit unterschiedlicher Lautstärke zu tun. Geringe Abweichungen nimmt man nicht mehr als Lautstärkenunterschied wahr, sondern eben als Qualitätsunterschied. Da wird auch bei Vorführungen manchmal ein wenig geschummelt.

Die Charakteristik der Differenzen sind auf aufnahmetechnische Ursachen zurückzuführen und haben mit dem Speicherort der Musikdaten und der «Datenlogistik» vermutlich nichts zu tun. Man merkt schon, dass da und dort einfach etwas verändert wurde und dass man dann nicht mehr exakt Gleiches vergleicht. Ein Anhaltspunkt ist die Länge des Tracks: Da gibt es Unterschiede von bis zu 3 Sekunden. Man findet die Differenz am Anfang oder am Ende des Tracks und es hat keinen Einfluss auf die Musik. Und doch: Irgendetwas wurde gemacht – und zwar nicht bei mir, als ich CDs rippte.

Die festgestellten Differenzen bevorteilten mal Qobuz und auch mal die gespeicherten CD-Daten. Damit ist für mich zumindest auch die Theorie vom Tisch, dass gespeicherte Musik stets besser klingen soll als gestreamte Musik. Die Theorie gründet vermutlich einfach auf Misstrauen gegenüber dem Fremdeinfluss von Streaming-Anbietern.

Wenn man nun seine CD-Sammlung gerippt hat oder vielleicht noch dran ist, dann war oder ist das sicher eine gute Idee. Im einen oder anderen Fall hat man damit eine etwas bessere Variante einer Aufnahme gesichert und über alles betrachtet ist die gespeicherte Musik unser Eigentum. Es kommt immer wieder vor, dass einzelne Songs von meinen Qobuz-Playlisten verschwinden, meistens aufgrund von Uneinigkeiten mit Künstlern und Labels.

Auf Streamingdienste wie Qobuz oder Tidal – also in diesem Qualitätssegment – kann man trotzdem schwer verzichten. An der Qualität ist anhand meines Vergleichs nichts auszusetzen. Schliesslich gibt es dann auch noch «Hi-Res», aber damit hatten wir in dieser Betrachtung ja nichts zu schaffen.