TESTBERICHT
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Publikationsdatum
10. Januar 2005
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Stöpselkopfhörer müssen nicht immer grauenvoll klingen, wie die neusten „In Ear-Hörer“ von Sennheiser es beweisen.
Wer kennt nicht das lästige, zischelnde Geräusch, das zuweilen in Tram, Bus oder Zug aus den Hörern jungendlicher Musikliebhaber erklingt und die Umgebung akustisch verunreinigt?

Die Musikfreaks, welche diese in der Regel miserabel klingenden Schallwandler benutzen, werden nie die wahre Klangqualität ihres portablen CD- oder MP3-Players erfahren, da ihr Kopfhörer auch den besten Sound versaut.

Adrenalin-Kick und Gehörschäden

Sowohl der MX 450 wie auch der MX 550 kommen in einer Box zum Aufbewahren ohne Kabelsalat
Um den gewünschten Adrenalin-Kick zu erhalten, drehen diese Fans die Lautstärke derart auf, dass die im Player eingebauten Verstärker übersteuern und zusätzliche, hässlich klingende Oberwellen erzeugen.

Das Ganze artet dann in eine grauenhafte Kreisch-Orgie aus, welche mehr mit Lärm, als mit Musik zu tun hat.

Und genau dieses grelle Klangspektrum kann bei dauerhaft erhöhter Lautstärke zu Gehörschäden führen.

Ein Ding der Unmöglichkeit?

Stöpselkopfhörer, so glaubte man bisher, seien nicht fähig, einen anständigen Sound zu liefern, obwohl sie sehr praktisch und leicht zu tragen sind.

Ein Vorteil in Sachen Tragekomfort, aber ein Problem in klanglicher Hinsicht ist, dass diese Art von Hörer sehr locker im Ohr sitzt. Drückt man die Hörer etwas in den Gehörgang hinein, erscheint ein voller und satter Bass. Entfällt dieser Andruck, so verschwindet der Bass - zurück bleibt meist ein dünner, mickriger Sound.

Schockschwerenot

Für viele HiFi-Fans war es denn auch ein Schock, als sie sehen mussten, dass sogar eine angesehene Firma wie Sennheiser mit derartigen Hörern auf dem Markt erschien.

Fachleute aber wissen - und das ist kein billiger Werbespruch - wenn Sennheiser was macht, dann kann es nicht schlecht sein.

Was lag also näher, als sich drei der neuen In Ear-Hörer in Preislagen von Fr. 17.- bis 34.- zu angeln und in aller Ruhe gründlich auf den Zahn zu fühlen.

Technik

Basswind System (1), Knickschutz für das Kabel (2)
Die Hörer kommen gut verpackt zum Musikfreund. Die Modelle MX 450 und MX 550 ruhen in einem runden Behälter, in dem die Minidinger ohne Kabelsalat aufbewahrt und transportiert werden können.

Speziell hat Sennheiser auf einen Knickschutz der Kabel geachtet . Zur Erzielung eines guten Basses hat man den Hörern ein sogenanntes „Basswind“ System verpasst.

Wie das genau funktioniert, war nirgends zu erfahren.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich um ein Bass-System mit raffinierter Ventilierung.

Der MX 550 bietet zusätzlich eine Lautstärkereglung, die je nach Einsatzbereich sinnvoll sein kann.

Superbass aus dem Stöpsel?

Der Frequenzbereich dieser Hörer wird mit 18 Hz bis 21'000 Hz angegeben, was einem absoluten Spitzenkopfhörer sehr gut anstehen würde.

Dabei vermeidet man es tunlichst, dem Anwender anzugeben, um wieviele dB der Frequenzgang im Grenzgebiet abfällt.

So sind diese Angaben auch für Datenfetischisten völlig wertlos.

Von einem Stöpselkopfhörer einen 18 Hz Ton zu erwarten , wäre sowieso unrealistisch.

Andrerseits ist zu bedenken, dass In-Ear-Hörer tatsächlich tiefe Bässe produzieren können, die aber aufgrund des allzu lockeren Sitzes am Ohr nicht zum Tragen kommen.

Genau dasselbe passiert auch bei einem grossen Hörer: Hebt man diesen etwas vom Ohr ab, so verschwinden die tiefen Bässe.

Die Angabe des Schalldruckpegels von 113 dB bei 1 Volt Input hingegen verrät, dass die Hörer mit relativ wenig Spannung bereits anständig laut klingen, was die im Player eingebauten Mini-Verstärker zu schätzen wissen.

Kleine Ursache – grosse Wirkung

Die beigelegten Schaumstoff - Ohrpölsterchen sollten unbedingt benutzt werden.

Sie geben dem Hörer nicht nur eine besseren Halt bei heftigen Bewegungen, sie verbessern auch die Basswiedergabe drastisch.

Ohne diese kleinen Schaumstöffchen klingen auch die Sennheiser Hörer sehr mager.

Rehabilitiert!

Der preisgünstigste In Ear-Hörer unseres Tests, der MX 350, überraschte durch ein rundes, angenehmes Klangbild.

Die grauenhaften Klangverfärbungen der meisten Artgenossen waren auch nicht in Ansätzen vernehmbar.

Bei Rock und Pop brachte er einen vollen und eher soften Sound, der auch bei höheren Pegeln nicht nervte.

Brillanzfans wünschten sich allerdings etwas mehr Punch im Mitten- Hochtonbereich. Andere wiederum schätzten gerade die Freiheit von Schärfe und Aggressivität.

Ohne Boost keine Bass

Obwohl der MX 350 Bass liefern kann, fehlt ihm doch eine Prise Tiefstbass, welche dem Klangbild den gewissen Druck spendiert.

Deshalb wurde der Bassboost am CD-Player auf die Stufe 1 gestellt und das Klangbild erhielt das notwendige Tiefbassfundament.

Auf Bassboost 2 wurde das Klangbild je nach Aufnahme bereits als etwas basslastig und dröhnend empfunden.

Sogar Klassik ein Genuss

Dieser vollmundige Klang kam dem MX 350 bei klassischer Musik zu gute, wo man ihn als ausgewogen und sehr angenehm empfand.

Ob man es glaubt oder nicht, dieser 17 Franken teure „Stöpselkopfhörer“ ermöglicht es, sogar ein Chorwerk mit Genuss anzuhören!

Und dies darf man wirklich als mittlere Sensation bezeichnen.

Brillante Sounds von Soft bis Hard

Entspannende Sounds aus dem Stöpsel
Die beiden teureren Brüder, also der MX 450 und MX 550 gleichen sich klanglich.

Der MX 450 besticht durch ein brillantes, sauberes und ausgewogenes Klangbild.

Der MX 550 setzt klanglich noch eines drauf und klingt noch etwas kerniger und klarer umrissen.

Beiden gemeinsam ist ein klares, schlagkräftiges Klangbild ohne deutlich hörbare Klangverfärbungen.

Drum-Impulse bringen die beiden Hörer mit mehr Punch als der softer klingende MX 350.

Bei höheren Pegeln können die Gitarren und gewisse Vocal - Passagen die Trommelfelle der Musikhörer ganz tüchtig durchschütteln.

Überhaupt gibt es punkto maximal erzielbarem Pegel für (noch) gesunde Ohren kein frühzeitiges Schlappmachen.

Dank der hohen Klangqualität kann aber wesentlich leiser als bei den schlecht klingenden Artgenossen gehört werden, um den gleichen Adrenalinschub zu erhalten.

Die Gehörnerven können endlich wieder aufatmen.

Auch bei diesen beiden Hörern musste der Bassboost des Players in Aktion treten.

Mit etwas angehobenen Bässen liefern sowohl der MX 450 wie auch der MX 550 ein ausgewogenes, schlagkräftiges Klangbild, das sich auch bei einer anspruchsvollen klassischen Darbietung nicht verstecken muss.

Der Vergleich

Die klanglich verbesserten In Ear-Hörer verdrängen die grossen HiFi-Hörer nicht.
Natürlich ist ein Vergleich zu anderen Kopfhörer-Systemen interessant und angebracht.

Sind nun die grossen Kopfhörer überflüssig geworden?

Gewiss nicht.

Ein Sennheiser HD 650 bietet ein deutlich breitbandigeres und räumlicheres Klangbild und auch ein Sennheiser PX 200 Mini-Bügelkopfhörer kann einen In Ear-Hörer noch distanzieren, sei es im Bass oder bezüglich Transparenz in den Mitten und Höhen.

Der Qualitätslevel der In Ear-Hörer ist aber mit den neuen Sennheiser Produkten drastisch angestiegen und damit auch das Hörvergnügen.

Dank Sennheiser haben die In Ear-Hörer drastisch aufgeholt.

Fazit

Sennheiser hat es tatsächlich geschafft, das miese Image der Stöpselkopfhörer zu rehabilitieren. Ihre neuen In Ear-Hörer bieten nicht nur Power Sound mit Klasse, sondern ermöglichen sogar den ungetrübten Genuss eines klassischen Konzertes.

Ein leichter Bassboost am Player ist allerdings notwendig, um dieser locker am Kopfe sitzenden Hörergattung ein druckvolles Tiefbassfundament zu entlocken.
STECKBRIEF
Preis:
MX 350 Fr. 17.- , MX 450 Fr. 24.-, MX 550 Fr. 34.-
Profil:
Sennheiser macht den Stöpselkopfhörer salonfähig.
Pro:
guter Sound,
leicht zu tragen,
günstiger Preis,
Contra:
brauchen Bass Boost am Player für druckvollen Tiefbass
Ausstattung:
Knickschutz,
Basswind-System

MX 450 und MX 550 : Box zum Aufbewahren.
Technische Daten:
Frequenzgang: 18 Hz - 21'000 Hz,
Impedanz: 16 Ohm,
Schalldruckpegel: 113 dB ( 1 kHz/1 V rms)
Ankoppelung an das Ohr: intraaural,
Wandlerprinzip: dynamisch offen,
Gewicht ohne Kabel: 13 Gramm