JB swiss betritt die Bühne
Die verheissungsvolle Wiedergeburt von JB swiss

An einem Schönwetter-Mittwoch, wenige Tage vor dem Lockdown, der gerade unser Leben auf den Kopf stellt, fuhr ich ins luzernische Reiden, nahe Zofingen, wo die Kantonsgrenzen von LU, AG und SO schon fast gegen Social Distancing verstossen. Der Standort im Kanton Luzern ist für den neuen Firmensitz von JB swiss kein Zufall: Mit den zurzeit tiefsten Unternehmensgewinnsteuern in Europa kann man kosteneffizient erfolgreiche Unternehmen starten. Bei JB swiss geschieht dies gerade.
Dabei könnte er, Bruno Jeker, langsam in Pension gehen. Er baut seit seinen musikalischen Anfängen im Jahr 1973 Lautsprecher der Marke JB. Vielleicht dämmert es nun so manchem Leser: Von JB hat man schon irgendeinmal gehört, von Bruno Jeker ebenfalls. Eine lange Geschichte tritt aus dem Nebel, so wie die zunehmend schärfer werdenden Umrisse der Birken beim herbstlichen Morgenlauf.
Es wäre langweilig, die Geschichte chronologisch zu erzählen. Das macht heute niemand mehr. Es gibt zwei Geschichten zu erzählen: die von Jeker Bruno (JB) und die von JB swiss. Das ist nicht ganz dasselbe – und daher macht es so Sinn.
Als es Roger Döös dämmerte
Roger Döös ist ein richtig harter Kerl. Vor Jahrzehnten war er Thai-Boxer mit idealem Kampfgewicht, beruflich ist er Unternehmensberater für temporäre Mandate mit hohem Anspruch. Er wird engagiert für Produktionsverlagerungen, Change Management, Turnarounds und allgemein überall, wo es brenzlig oder kompliziert wird und wo Führungskompetenz gefragt ist.

Seit vielen Jahren sammelt Roger Döös HiFi-Anlagen und -Geräte, besitzt ungefähr 50 Paar Lautsprecher und eine Menge High-End-Elektronik dazu. Er repariert und restauriert Geräte und hört leidenschaftlich gerne Musik damit. Vor zwei Jahren fand er im Internet ein Schweizer Produkt, von dem er zuvor nie etwas gehört hatte – ausgerechnet er. Er nimmt mit dem Hersteller namens Bruno Jeker Kontakt auf. Denn er hat zuvor nie etwas gehört, das ihn mehr überzeugt hätte.
Die Familie Döös setzt sich einige Monate später mit Bruno Jeker zusammen und kauft das Unternehmen auf. 2018 wurden Geschäftsräume in Reiden gemietet. Aus JB wurde die JB swiss AG sowie die Marke JB swiss. Bruno Jekers Lautsprecher starten nach einer langen Vergangenheit in eine neue Zukunft.
HiFi-Geschäft und Kirchenorgel
Plusminus im Jahr 1973: Bruno Jeker macht in jener Zeit vier Dinge: Eine Berufslehre bei Isola Breitenbach, eine Ausbildung auf der klassischen Orgel (mit der örtlichen Kirche als nächtliches Übungslokal), er baut Lautsprecher und er eröffnet ein HiFi-Studio im Haus seiner Eltern. Nicht schlecht für einen 18-Jährigen. Seine Lautsprecher sind kein Hobby: Er hatte sich dem Thema zuvor autodidaktisch angenähert und wusste genau, was er tat. Das Konzerterlebnis in der guten Stube war und blieb Motiv und Antrieb über Jahrzehnte.
Um die Zeit herum experimentierte Bruno Jeker mit direkter und indirekter Schallwellenausbreitung. Er richtete ein Paar Lautsprecher direkt aus sowie ein weiteres Paar in Richtung der Wand vor sich. Die Lautsprecherpaare erhielten dasselbe Musiksignal, aber mit unterschiedlichen Pegeln. Er stellte fest, dass sich bei einem bewusst erzeugten Indirektschall-Anteil von 10 bis 15 % ein Höreindruck ergab, der dem Klang eines Orchesters im Konzertsaal wesentlich näher kam. Es stellte sich ein Live-Gefühl ein. Er testete einen Prototyp in verschiedenen Räumen seiner Kunden, anfangs überwiegend bei Kollegen, die seine Lautsprecher kauften. Er fand sich mit diesem Prinzip bestätigt.


Pikant: Ein schon damals sehr bekannter US-Hersteller ersuchte ihn um eine Lizenz seiner Erfindung. Das verlief jedoch im Sand. Der Hersteller fand eigene Wege, das Prinzip umzusetzen, wenn auch mit einem extrem hohen Indirekt-Schallanteil. Man mag sich daran erinnern ...
Bruno Jeker wich nie mehr davon ab und perfektionierte das Prinzip bei vielen seiner Lautsprecher. Nach der offiziellen Firmengründung 1974 gelang ihm ein Hattrick: Seine JB Studio 50 Spezial wurde Testsieger an der Tonmeistertagung 1975 in Köln. Plötzlich wurde die Fachwelt auf ihn und seine Lautsprecher aufmerksam. Nebenbei sei gesagt, dass die Schweiz zu jener Zeit kaum wirklich bekannt war für Lautsprechermarken und -hersteller. Swiss Made wurde viel mehr im Bereich der Mechanik als aussergewöhnlich wahrgenommen.
* Von links nach rechts: Sandro Döös, Roger Döös, Bruno Jeker.
Erfolge und Rückschläge
Der Testsieg brachte den nötigen Rückenwind. Musik Hug wurde der wichtigste Wiederverkäufer für JB in der Schweiz und bestellte bis 120 Einheiten aufs Mal. Im Grunde war Musik Hug damit erfolgreich, aber das war mehr auf die Begeisterung eines Entscheidungsträgers zurückzuführen. Die JB-Lautsprecher wurden eher inoffiziell präsentiert, um die etablierten und bekannten Markenhersteller im Sortiment von Musik Hug nicht zu verärgern.

Man kann sich das Angebot als sprichwörtlichen «Geheimtipp des Chefs» bei besonders affinen Kunden vorstellen. Leider gab und gibt es diese Praxis immer noch. Die Kompetenz des Handels und die persönliche Überzeugung von einem Produkt und seiner Qualität wird durch Markenbekanntheit und Loyalität zu bewährten Lieferanten unterminiert.
Dem Endkunden wird nicht immer aus eigener Überzeugung das Beste geboten. Diese schon damals übliche Praxis belebt den Markt keineswegs. Das ist auch der Hauptgrund, weshalb innovative Hersteller den klassischen Handel immer öfter umgehen und direktere Wege zu den Endkunden suchen. Dies, damit grossartige Lautsprecher nicht im Hinterzimmer der Fachhändler verstauben, um es etwas deutlicher zu sagen.
Bruno Jeker arbeitete bis zu 96 Stunden pro Woche – inklusive Entwicklung, Produktion, Versand und am Sonntag die Buchhaltung. 1983 erfolgte der Umzug nach Liestal/BL. 1988 wurde die JB Professional A1 Midi Schweizer Testsieger in der Kategorie Kleinlautsprecher. 1990 wurde das Geschäft nach Wettingen verlegt und 1995 nach Niederrohrdorf.
Jeker war getrieben von seinem Perfektionismus und verbesserte seine Lautsprecher permanent. Es gab, etwas vereinfacht betrachtet, immer neue Modelle. Vermarktung und Payback waren für ihn, wie er heute nüchtern eingesteht, zweitrangig. Dadurch hielten sich die Stückzahlen in Grenzen und es wurde ruhiger um Bruno Jeker und die JB-Lautsprecher. Es gab sie immer, aber sie blieben ein Geheimtipp.
Livekonzert 2.0
Als Bruno Jeker und Roger Döös sich kennenlernten, entstand nach und nach die Idee, JB als JB swiss auf ein neues Fundament zu stellen. Die beiden erkannten ihre Kongenialität und die gemeinsame Passion des Konzerterlebnisses in jedem erdenklichen Wohnraum. Gesagt, getan.






Die neuen Geschäftsräume sind hell, modern und sehr gut strukturiert. Modernste Einrichtungen wechseln sich mit innovativen Betriebsmittel-Ideen ab. So dient beispielsweise die elektrische Hebevorrichtung eines Spitalbetts dazu, die Montagefläche zu heben und zu senken.
Die Lautsprechersysteme von JB swiss sind heute bereits für die Produktion standardisiert. Es gibt Stücklisten und Arbeitsanweisungen mit dem Ziel der Qualitätskonstanz. Die Aufzeichnungen, Baupläne, Messprotokolle, sprich, das gesamte Know-how liegt in einem eindrücklichen, feuerfesten Tresor.

Neue Lautsprecher, neue Märkte
Schon die nüchterne Reaktion von JB swiss auf die besondere Lage nach dem Lockdown, die Absage der wichtigen High End in München und die Absage vom Klangschloss Greifensee zeigen, dass man sich nicht vor Schwierigkeiten fürchtet. JB swiss denkt langfristig und konsequent. Neue Lautsprecher befinden sich gerade im Stadium der Erprobung. Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass eine neue Gehäusevariante hergestellt oder angeliefert wird.

Im Vordergrund stehen bei JB swiss High-End-Lautsprecher, die ein echtes Konzert- oder Live-Erlebnis in jedem Wohnraum ermöglichen, ohne dass akustische Massnahmen erforderlich werden. Denn wer will das schon in seinen eigenen vier Wänden machen ...
Dazu sind die neuen Lautsprecher auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten, z. B. beim Material. So können die im Normalfall CNC-gefrästen MDF-Gehäuse auch in Echtholz hergestellt werden. Das Holz für die Fronten werden manchmal sogar von den Kunden beigestellt. Es sind kaum Grenzen gesetzt, aber das darf man in der Preisregion auch erwarten.
Die zugelieferten Komponenten wie Schallwandler und Bauteile für Frequenzweichen werden kompromisslos ausgewählt. Das Beste ist gut genug und alleine die Materialkosten einer Frequenzweiche für die grosse Concerto sind abenteuerlich hoch. JB swiss entwickelt sich gerade zu einer Hightech-Manufaktur mit höchstem Qualitätsanspruch und professionellem Management, offen für neue Technologien und Varianten.
avguide.ch wird im Verlauf der kommenden Monate voraussichtlich drei Testberichte von JB-swiss-Systemen durchführen und publizieren. Der erste Eindruck, für den es bekanntlich keine zweite Chance gibt, war schlicht umwerfend.
Onlinelink:
https://www.avguide.ch/magazin/die-verheissungsvolle-wiedergeburt-von-jb-swiss-jb-swiss-betritt-die-buehne