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Und wer hats erfunden?

Test Heil A.M.T. Kithara

Publiziert am 11. Oktober 2012 - Martin Freund
Gebaut im Tessin: Die Heil A.M.T KitharaGebaut im Tessin: Die Heil A.M.T Kithara

A.M.T. steht für Air Motion Transformer. Dieses System wurde vom genialen Physiker Dr. Oskar Heil, Erfinder des Feldeffekttransistors, erschaffen, 1973 patentiert und erstmals in den legendären ESS-Lautsprechern verbaut. 1985 bis 1987 entwickelte Heil den A.M.T. weiter und schuf damit einen neuen Schallwandler mit überarbeiteter Folie und Magnetstruktur, den er dem Ehepaar Mieko und Martin Dürrenmatt anlässlich eines Besuches in Kalifornien vorspielte. Dürrenmatt (Precide SA) hatte schon ESS in Europa vertrieben und besass zu diesem Zeitpunkt bereits Erfahrung in der Herstellung von Folienstrahlern, nämlich dem legendären Kopfhörer Jecklin Float.

Man kam überein, den neuen A.M.T. zu einem Serienprodukt zu entwickeln, und Heil weilte des Öfteren im Tessin, um Dürrenmatt sein Wissen über den Bau des Air Motion Transformer zu vermitteln. Der erste damit bestückte Lautsprecher, Kithara, wurde ab 1990 gebaut und zunächst exklusiv in der Schweiz vermarktet. Nach positiven Langzeiterfahrungen mit den Materialien und einer fünfjährigen Verkaufsgeschichte hat Precide SA dann zwei Modelle (Kithara und Aulos) ab 1995 auch exportiert.

22 Jahre Erfahrung

Die Precide SA besitzt 22 Jahre Erfahrung in der Herstellung des Air Motion Transformers nach Physiker Dr. Oskar Heil. Die Precide SA besitzt 22 Jahre Erfahrung in der Herstellung des Air Motion Transformers nach Physiker Dr. Oskar Heil.

Inzwischen können die Tessiner auf über 22 Jahre Fertigung von Air Motion Transformer nach dem Original-Heil-Prinzip zurück­blicken. Dieser Schallwandler hat sich so be­währt, dass er auch im Kopfhörer Ergo A.M.T. Verwendung findet, wo er den gesamten Frequenzgang abdeckt. Nachdem vor einigen Jah­ren das Patent des Air Motion Transformer auslief, dauerte es zwar noch geraume Zeit, bis sich auch andere Hersteller an diesem Schallwandlerprinzip versuchten (und versuchen).

Seine prinzipbedingten Vorteile sind aber so hoch, dass inzwischen diverse nahmhafte Hersteller darauf setzen. Spricht man Dürren­matt auf die Konkurrenz an, so hat er nur ein Schmunzeln übrig, denn ein wirklich gut klingender Air Motion Transformer lässt sich wohl nicht von heute auf morgen entwickeln. Tatsa­che ist, dass Precide mit dem Original Heil A.M.T. im Frequenzgang eine so grosse Bandbreite abdeckt wie kein anderer nach diesem Grundprinzip arbeitender Schallwandler.

Be­reits das kleinere, im Heil Aulos (avguide.ch Testbericht: Heil Aulos) eingesetzte Modell beeindruckte punk­to Feinauflösung und Klangschönheit. Umso mehr waren wir gespannt, wie der grössere A.M.T. diesbezüglich abschneiden würde.

Geniale Idee

Innenleben des Air Motion Transformers

Im Vergleich zu einem üblichen Folienstrahler (Bändchen/Magnetostat) hat der Air Motion Transformer diverse grundlegende Vorteile: Seine Membrane ist nicht plan, sondern vor­hangähnlich gewellt. Die Leiterbahnen sind parallel zueinander in den Falten der Kunstoff­folie platziert und liegen permanent in einem starken Magnetfeld.

Fliesst nun ein Signal in der Form von Wechselstrom durch die Leiter­bahnen, so werden die Falten im Takt der Mu­sik beim Plussignal zusammen- und beim Mi­nussignal wieder auseinandergedrückt. Dies hat zur Folge, dass das elektrische Sig­nal sehr effektiv in Schall umgesetzt wird: Die Luft wird mit sehr hoher Geschwindigkeit aus den Falten gepresst und wieder „eingesogen“, was zu einer mehr als fünfmal effizienteren Schallerzeugung führt als bei einer flachen Fo­lie gleichen Grundquerschnitts. Aus diesem Grund heisst dieser Schallwandler denn auch treffend „Luft-Bewegungs-Transformator“.

Ein weiterer grosser Vorteil: Die Grundresonanz des Heil A.M.T. liegt prinzipbedingt deutlich tiefer als bei einem vergleichbar grossen Bänd­chen und ist ausserdem stärker bedämpft. So tritt sie akustisch kaum in Erscheinung, und der A.M.T. überträgt sage und schreibe bis zu 300 Hertz hinunter.

Aus Gründen der Belast­barkeit wird er in der Kithara per Frequenz­weiche mit 12 dB/Oktave bei rund 600 Hertz abgekoppelt. So werden aber immer noch mehr als fünf Oktaven durch einen einzigen Treiber homogen und frei von Phasendrehung übertragen. Eine noch grössere Bandbreite schaffen wohl nur Elektrostaten.

Schneller Spielpartner

Unterhalb des vertikal eingebauten Air Motion Transformers bearbeitet ein 25 cm Basschassis aus dem Profibereich den Frequenzkeller.Unterhalb des vertikal eingebauten Air Motion Transformers bearbeitet ein 25 cm Basschassis aus dem Profibereich den Frequenzkeller.

Die überarbeitete Version der Kithara unter­scheidet sich äusserlich nur unwesentlich von der Vorgängerin: Das quadratische Bassgehäu­se verfügt nach wie vor über einen Grundquerschnitt von 40 x 40 Zentimetern. Optional gibts für die in Nussbaum, Kirsche, Ahorn oder Schwarz erhältliche Kithara eine schöne Bodenplatte.

Verti­kal mit der Membranfläche noch oben hin ein­gebaut findet sich ein 25-Zentimeter-Bass­chassis. Hier setzt Martin Dürrenmatt neu­erdings auf ein relativ hart aufgehängtes Profichassis, das sich nicht nur durch einen ho­hen Wirkungsgrad, sondern auch durch eine besonders langzeitstabile Sicke auszeichnet. Es arbeitet in einer Bassreflexkonstruktion mit Öffnung zum Boden hin.

Mit einem im Furnier perfekt passenden Holzrahmen aufs Tieftongehäuse aufgesetzt, arbeitet der HeilA.M.T. nach hinten offen als Dipolstrahler. Da auch der Tieftöner rundum abstrahlt, haben wir es bei der Kithara insge­samt mit einem Lautsprecher zu tun, der eine ganz andere Richtcharakteristik aufweist als ein herkömmlicher Direktstrahler.

Dennoch erwies er sich in unseren Hörtests punkto Plat­zierung als gar nicht heikel. Insbesondere die wandnahe Aufstellung führte nicht zu aggressiverem Klang aufgrund von rückwärtigen Re­flexionen. Gleichwohl kann man mittels Expe­rimentieren bei der Aufstellung einiges an Wiedergabequalität herausholen. Wir gewan­nen bei relativ nahem Hörabstand und nur leichter Anwinkelung der Boxen einen ver­blüffend dreidimensionalen Raumeindruck.

Die zarteste Versuchung seit...

Der Sudgen Master Class IA 4 Vollverstärker mit 2 x 35 Watt Class A Leistung erwies sich als idealer Spielpartner für die Heil A.M.T Kithara.Der Sudgen Master Class IA 4 Vollverstärker mit 2 x 35 Watt Class A Leistung erwies sich als idealer Spielpartner für die Heil A.M.T Kithara.

Wir hörten die Kithara über den Klasse-A-Vollverstärker Sugden Master Class IA 4, mit dem zusammen sie eine regelrechte Charme-Offensive startete.

Im Vergleich zu konventionellen, direkt strah­lenden Lautsprechern klingt die Kithara auf Anhieb weniger vordergründig und scheinbar nicht so anspringend. Wo viele Boxen einem die Musikdetails mehr oder weniger scho­nungslos in den Gehörgang pusten, hält sich die Tessinerin diskret zurück und lädt sanft, aber nachdrücklich dazu ein, aktiv in die Mu­sik hineinzuhören.

Und siehe da: Auf ihre Weise zeigt sie genauso viele Klangnuancen wie auf maximale Transparenz gezüchtete Boxen. Nur die Art, wie sie diese offeriert, unter­scheidet sich gänzlich: So offenbart sie eine Zartheit und Leichtigkeit der Ansprache, mit der akustische Instrumente jeglicherCouleur wie auch Vokalisten zu einer äusserst charmanten Vorstellung befähigt werden.


„SüsserGeigen nie klingen“ war schon das Motto, mit dem die Heil Aulos punktete. Dies gilt auch für die Kithara, der jeglicher aggressi­ve Beigeschmack völlig fremd ist. Während es warm und eher sanft klingenden Lautspre­chern jedoch oft an Feinzeichnung mangelt, beweist sie, dass es auch anders geht und dass „High Definition“ nicht mit überzeichneter Hochtonwiedergabe einhergehen muss. Hat man sich erst einmal auf den diskreten tonalen Grundcharakter der Kithara eingelassen, so entdeckt man, dass sie eine anrührende Unmittelbarkeit des musikalischen Erlebens kre­iert.

Diese Tugend verdankt sie nebst der ihr eigenen Klangfarbenpracht vor allem auch ei­ner überragenden Feindynamik: Der A.M.T. setzt Impulse ansatzlos und ohne jegliche Trägheit in Musik um. Dies führt zu einer Leichtig­keit, fast schon Schwerelosigkeit der Wieder­gabe, wie man sie sonst nur von legendären Elektrostaten à la Quad her kennt.

Im Unterschied zu diesen lässt die Kithara aber bei hohen Pegeln nichts anbrennen und bringt auch eine Jazzcombo klaglos in Origi­nallautstärke in den Hörraum. Die filigranen Mitten und Höhen werden im Übrigen von ei­nem wohldosierten und gut durchzeichneten Grundtonbereich ausbalanciert.

Im Tiefton agiert die Standbox bei freier, wandferner Aufstellung eher schlank. Wohler fühlt sie sich bei einer typischen, wohnraumgerechten Platzie­rung bis rund einen Meter von der Rückwand entfernt. Die Bässe bleiben selbst bei wandnaher Aufstellung ausgesprochen sauber und weisen dann genügend Druck und Tiefgang auf.

Triumphe feiert die Kithara bei der räumli­chen Abbildung: Ich kenne nur wenige Laut­sprecher, die eine so überzeugende Stereoauf­fächerung und von den Boxen losgeslöste Plastizität in den Hörraum zaubern.

 

Fazit

Für aggressive Sounds ist sie der völlig falsche Spielpartner. Wer aber auf eine charmante Mu­sikwiedergabe ohne jegliche Härten steht, der es dennoch nicht an Definition und räumlicher Durchhörbarkeit mangelt, der wird kaum et­was Bessers finden als die Kithara.

STECKBRIEF
Modell:
Kithara
Profil:
Klangästhet mit richtig Klasse. Unglaublich zarter, fein zeichnender Klang.
Pro:
hervorragendes Impulsverhalten
ausgezeichnete Räumlichkeit mit breiter Stereohörzone
gediegende Verarbeitung
guter Wirkungsgrad
Contra:
für harte Pop- und Rockmusik weniger geeignet
Preis:
6,800.00 CHF
Hersteller:
Jahrgang:
2012
Vertrieb:
Masse:
400 x 400 x 1100 mm
Gewicht:
35 kg
Farbe:
Nussbaum, Kirsche, Ahorn, Schwarz und Esche schwarz
Bass:
25 cm Konusmembran
Bauprinzip:
2-Weg Bassreflex
Empfohlene Leistung:
5 - 200 Watt
Frequenzgang:
28 - 23000 ± 3dB
Impedanz:
Minimum 4 Ohm
Mittelton:
Breitband Heil Air Motion Transformer
Wirkungsgrad:
94 dB

Onlinelink:
https://www.avguide.ch/testbericht/und-wer-hats-erfunden-test-heil-amt-kithara