Swiss Top-High-End
Test Piega MLS 3

Hinter der MLS 3 steckt jahrelange Erfahrung mit Lautsprechern mit Linienschallquellen (Line Source) und Dipol-Abstrahlung. Obwohl die MLS 3 im Prinzip einer etwas verkleinerten MLS 2 entspricht, ist sie völlig neu konstruiert. Aufgrund der schmaleren Front mussten neue Bändchen-Mittel-Hochtontreiber entwickelt und gebaut werden.
Bei der Konstruktion des komplexen, aus Holz und Aluminium bestehenden Gehäuses mit seiner rückseitig angebrachten akustischen Linse, wurde auf höchste Freiheit von unerwünschten Vibrationen geachtet. Die akustische Linse sorgt dafür, dass hinter der Box ein absolut diffuses Schallfeld entsteht. Das beachtliche Gewicht von 65 kg beweist, dass hier nicht an Material gespart wurde.
Fast alles neu ...

Die neuen Bändchen-Mittel-Hochtöner huldigen nicht wie die bekannten koaxialen Bändchensysteme dem Abstrahlprinzip der Punktschallquelle, sondern der Linienschallquelle. Wo dabei die Unterschiede liegen, erklärt Kurt Scheuch im nachfolgenden Interview.
Die extrem verwindungssteifen Membranen der Tieftöner und Passivtreiber verändern je nach Durchmesser ihre Dicke. Ganz aussen an den Membranen ist zudem ein kleiner Wulst angebracht, der die Steifheit der Membranen nochmals erhöht. Die quer über die Gummisicke verlaufenden Versteifungen bewirken, dass die Sicke bei grossen Auslenkungen formstabil bleibt und nicht einknickt. Dadurch ist eine lineare und taumelfreie Führung der Membrane gewährleistet.
Eine Basseinheit besteht aus zwei aktiven und zwei passiven Chassis mit je 18 cm Durchmesser, die in einem Gehäuse von lediglich 32 Litern ihre Arbeit verrichten. Ob dieser recht kompakte Antrieb der Box ein genügend potentes Bassfundament verleihen kann, wird der Hörtest zeigen.
Mittels Schaumstoffeinsätzen, die sich in die Schlitze der akustischen Linse einsetzen lassen, kann der rückwärtige Schallpegel dosiert werden. So ist es möglich, die MLS 3 auch relativ nahe an eine Rückwand zu stellen.
Hochpräzise gefertigt

Die MLS 3 kosten 35'000 Franken pro Paar. Wer diese hervorragend gefertigten Lautsprecher aus der Nähe betrachtet und gesehen hat, wie auch die Bändchen-Systeme im eigenen Hause hergestellt werden, wird rasch realisieren, dass Piega damit nicht mehr allzu viel an diesem Projekt verdient. Während Altmeister Kurt Scheuch für die Konzeption der MLS 3 verantwortlich zeichnet, ist die Konstruktion und die klangliche Abstimmung und damit auch die Auslegung der Weiche das Werk des langjährigen Mitarbeiters Daniel Raymann.
Weil die wichtigsten Fragen betreffend Funktion dieses Lautsprechers im Interview von Kurt Scheuch beantwortet werden, fassen wir uns kurz und begeben uns in den Konzertsaal – pardon in den Vorführraum von Piega mit wohnraumgerechter Akustik. Dort angekommen hören wir uns die neusten Werke in aller Ruhe und mit der eigenen Software in High-Resolution über folgende Komponenten an: Vorverstärker T+A P 3000HV, CD-Player T+A MP 3000HV, 2 Stück Endstufe 3000HV, Netzteil PS 3000HV. Als Schallquelle dient der bewährte HiRes-Player Pioneer XDP-300R mit erstklassigen HiRes-Aufnahmen von Klassik über Jazz bis zu Rock-Pop.
MLS 3 in Concerto

Ein bei jedem Test obligates Musikstück, das sich seit Jahren als knallharter Test für Gehäusevibrationen bewährt hat, ist Rebecca Pidgeons glockenreine Stimme in «Fhear a Bhata». Und sogleich wird klar: Das Gehäuse ist praktisch frei von unerwünschten Vibrationen. Kein einziger Ton sticht aus der simplen Melodie heraus und verunstaltet die Linie. Die Homogenität des Klanges ist perfekt.
Die Räumlichkeit des Klangbildes ist absolut phänomenal. Bei geschlossenen Augen glaubt man doch tatsächlich im Konzertsaal und nicht vor lediglich zwei Standboxen zu sitzen. Bei der Art und Weise, wie hier Mozarts Klaviertrio (Guarneri Trio, harmonia mundi) in den Abhörraum gestellt werden, meldet sich auch bei einem abgebrühten High-End-Freak wieder einmal der kalte Schauer, der wohlig den Rücken herunterrieselt. Exzellent ist die Feinzeichnung Cenek Pavliks Violine, einer Guarneri aus dem Jahre 1735, wie auch Marek Jeries Cello, das ebenfalls von Guarneri stammt und im Jahre 1684 hergestellt wurde. Elegant perlend dann der von Ivan Klansky meisterhaft gespielte Flügel. Absolut verblüffend ist, wie hier mit nur zwei Lautsprechern die Akustik dieses mittelgrossen Kammermusik-Saals mit all seinen feinen Schallrückwürfen in den Abhörraum dargestellt wird.
Bei grossräumiger, symphonischer Musik zeigen die MLS 3, dass sie auch betreffend Weiträumigkeit und Dynamik ganz gross aufspielen können. Nicht nur Kesselpauken, auch die Kontrabässe erscheinen mit Druck und Tiefgang und wirken erst noch lupenrein. Bei der Wiedergabe sakraler Orgelmusik glaubt man die Kühle und die Stimmung eines grossen Domes leibhaftig erleben zu können.
Dass es allerdings Boxen im Piega-Programm gibt, die den Tiefstbass noch druckvoller bringen können, und die so richtig die Zwerchfelle der Zuhörer massieren, zeigt die Wiedergabe David Sanbornes «Tequila». Das Kontra C des Basses erscheint wohl tief und auch klar, aber nicht mit dem umwerfenden Druck, den man etwa bei einer Coax 711 zu hören kriegt. Doch mit welcher Kraft und Dynamik über den gesamten Frequenzbereich die MLS 3 rockige Sounds bringt, kann auch Pegelfetischisten überzeugen.
Absolut begeisternd sind Brillanz und Attacke, wie die Bändchen-Mittel-Hochtöner den Trompetensatz von Big Bands oder etwa auch Harry James Solo-Trompete in livegerechten Schallpegeln in den Hörraum stellen. Aber auch bei einem Jazz-Trio wie Ray Brown, Monty Alexander und Russel Malone glaubt man, dass die Musiker leibhaftig im Abhörraum stehen.
Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass die MLS 3 trotz ihrem grossartigen Klangbild nicht verdimensionieren. Damit ist gemeint, dass das Stimmorgan einer Sopranistin nicht überdimensional, sondern in natürlicher Grösse dargestellt wird und zum Beispiel eine Gitarre nicht vom Fussboden bis zur Decke reicht. So zu hören bei den meisten grossen Flächenstrahlern.
Kurt Scheuch zur MLS 3

Die MLS 3 huldigt, wie auch die MLS und MLS 2, der Linienschallquelle als Abstrahlprinzip. Dies ganz im Gegensatz zu Ihren koaxialen Bändchen-Systemen, die dem Prinzip der Punktschallquelle huldigen. Wo liegen denn die Vor-und Nachteile der beiden Abstrahlprinzipien?
Die beiden Systeme stehen für die zwei Gedankenmodelle des idealen Lautsprechers. Das eine Gedankenmodell beschreibt die Linienquelle als ideal, mit welcher der gesamte Schall als eine kohärente Zylinderwelle vom Boden bis zur Decke abgestrahlt wird. Das andere Modell, die Punktschallquelle, steht für einen Schallwandler, bei dem das ganze Spektrum aus einem einzigen Punkt, sowohl in der X-, Y-, aber auch Z-Achse aus abgestrahlt wird. Von Vor- und Nachteilen zu sprechen, wäre falsch. Die Anwendung ist nicht die gleiche. Die Linienquelle erfordert einen etwas grösseren Hörabstand, schliesst dafür aber Reflexionen von Boden und Decke aus. Die Punktschallquelle lässt auch sehr geringe Hörabstände zu und ist somit auch für Monitoring bestens geeignet. Ihre Berechtigung und ihren spezifischen Reiz haben beide Modelle.
Die MLS 3 bedient sich der dipolen Abstrahlung, die einen guten Teil des Schalls auch nach hinten abgeben. Dies ganz im Gegensatz zu den meisten Ihrer Boxen, die den Schall nur nach vorne abstrahlen. Wo liegen denn hier die Vor-und Nachteile und wieso haben beide Prinzipien ihre Daseinsberechtigung?
Der Dipolstrahler erfordert in der Regel etwas mehr Sorgfalt bei der Aufstellung im Raum. In problematischen Räumen ist ein Direktstrahler sicher einfacher zu platzieren. Dafür bietet der Dipol ein einzigartiges Klangbild und eine fantastische Raumabbildung. Wenn alles passt, hört man damit nicht einfach nur Musik, sondern man ist mitten in der Musik drin. Ganz famos, das muss man einmal gehört haben.
Ist die MLS 3 einfach eine verkleinerte MLS 2, oder sind da noch neue Ideen eingeflossen?
Im Prinzip beruht die MLS3 auf der gleichen Konstruktion wie die MLS2. Da der Lautsprecher aber auch für kleinere Räume gedacht ist, besteht die Möglichkeit, den rückwärtig abgestrahlten Schallanteil zu variieren.
Ich hatte ja Gelegenheit, einen Prototypen der MLS 3 anzuhören. Dabei waren doch noch Resonanzen hörbar. Was haben Sie verbessert, damit die Boxen nun praktisch frei von unerwünschten Vibrationen sind?
Die gesamte Gehäusekonstruktion wurde noch einmal überarbeitet und auf maximale Steifigkeit und Dämpfung hin optimiert.
Hat die MLS 3 ein Metall- oder Holzgehäuse? Und wie ist es konstruiert?
Die MLS3 hat ein Holzgehäuse mit vollflächig verklebter, massiver Aluminium-Schallwand. Die Konstruktion ist ziemlich komplex, aber die hervorragenden Resultate rechtfertigen den Aufwand.
Sind die neuen, extra für die MLS 3 konstruierten Line-Source-Bändchen Mittel-Hochtöner vom Typ LS 111 einfach verkleinerte Systeme der MLS 2, oder sind auch da neue Ideen/Verbesserungen eingeflossen?
Im Prinzip entspricht der kleinere Line-Source-Driver dem grossen.
Wieso sollte auf der Rückseite der Box ein vollkommen diffuses Klangbild resultieren? Bei der MLS ist das doch auch nicht der Fall?!?
Die MLS wird in der Regel in grossen Räumen und mit einem grossen Abstand zur Rückwand betrieben. Die MLS 3 soll aber auch in normalen Wohnräumen und wandbezogener Aufstellung funktionieren. Deshalb ist ein rückwärtig diffuses Klangbild ein grosser Vorteil.
Was bewirken die Schaumstoffsegmente, die man in die Schlitze der rückseitig angebrachten Lamellen stecken kann?
Damit lässt sich der rückwärtig abgestrahlte Schall optimal dosieren.

Welches sind die technischen Highlights der neuen Tieftöner, und wer stellt diese nach Ihren Vorgaben her?
Der Piega L19 UHQD wird bei Seas hergestellt. In diesem Basstreiber steckt eigentlich alles, was heute möglich ist. Ein spezieller Antrieb, Aufhängung, Korb und Membrane lassen die Auslegung auf extreme Thiele/Small-Parameter zu. Deshalb ist die MLS 3 trotz sehr kleinem Bassgehäuse in der Lage, wie ein viel grösserer Lautsprecher aufzuspielen.
Sind die Passivmembranen auf der Rückseite einfach dieselben Basschassis ohne Magnete? Oder sind sie vollkommen anders konstruiert?
Eigentlich ja, aber die Aufhängung wurde auf noch grössere Hübe ausgelegt, da dies bei Passivmembrane gewünscht ist.
Die Herstellung der MLS 3 ist extrem aufwendig, nicht nur in Sachen Material, sondern auch betreffend Arbeitsaufwand. Verdient da Piega überhaupt noch etwas? Oder ist das ein reines Image-Produkt, um zu zeigen, was Piega heute alles kann?
In der Tat sind die Herstellungskosten der MLS 3 ein Problem für uns. Wir denken aber, dass wir dies mittelfristig durch Optimierung der Herstellungsprozesse verbessern können.
Könnte man die MLS 3 noch eine Grössenordnung kleiner machen, sodass sie auch in meinen eher kleineren Abhörraum zu Hause passen würde?
Im Moment sehe ich – bei vergleichbarer Performance – keine Möglichkeit, die MLS 3 noch kleiner zu machen.
Wie wird die Konstruktionsarbeit heute zwischen Ihnen und Herrn Raymann, da Sie ja offiziell pensioniert sind, aufgeteilt?
Daniel Raymann ist verantwortlich für den Grossteil der Entwicklungsarbeiten. So ist z. B. die MLS 3 fast vollständig sein Werk. Ich stehe nur noch beratend und ab und zu mit einer Idee zur Seite.
Fazit & Video
Die MLS 3 von Piega sind Line-Source-Lautsprecher mit Dipol-Abstrahlung, die höchste Feinzeichnung mit einem völlig von den Boxen gelösten Raumklang verbinden. Ein grundmusikalisches Schweizer High-Tech-Produkt an der Grenze des heute Machbaren.
Sie haben richtig geraten!
Antwort auf die Quizfrage von Seite eins:
Gratulation! Wie Sie vermutet haben, ist das linke Chassis vom Typ C 111 ein koaxiales Bändchen, das nach dem Prinzip der Punktschallquelle abstrahlt. Das C 111 wird zum Beispiel in den Lautsprechern Coax 511, Coax 311 und Coax Center 111 eingesetzt. Das rechte Chassis vom Typ LS 111 wird ausschliesslich in der MLS 3 verbaut und huldigt somit dem Prinzip der Linienschallquelle.
exzellente Feinzeichnung
extreme Räumlichkeit
hohe Dynamik
bei allen Musikarten im Element
Onlinelink:
https://www.avguide.ch/testbericht/swiss-top-high-end-test-piega-mls-3