MAGAZIN
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Erster Eindruck eines neuartigen Lautsprechersystems

Das bunte Tuch dient nicht der Geheimhaltung, sondern verhindert die subjektive Beeinflussung, weil man keine Lautsprecher vor sich sieht.Das bunte Tuch dient nicht der Geheimhaltung, sondern verhindert die subjektive Beeinflussung, weil man keine Lautsprecher vor sich sieht.

Ich schoss das Bild exakt aus meiner Hörposition, aus knapp 3 Metern Entfernung.

Zunächst hörte ich eine binaurale Live-Aufnahme einer Brass-Band, die im Freien aufgenommen wurde. Das Live-Erlebnis war absolut erstaunlich. Der Raum, in dem man sitzt, verschwindet komplett aus dem Bewusstsein. Man befindet sich am Aufnahmeort. Die Instrumente gruppierten sich auf 180° vor mir und waren extrem klar umrissen und in allen Dimensionen fassbar. Die Dynamik war ebenfalls sehr ähnlich, wie ich so ein Konzert in Erinnerung habe.

Gefühlsmässig war es ein etwas gespenstiges Erlebnis. Man ist sich das überhaupt nicht gewohnt. Das bewusste Musikhören kommt fast vollständig abhanden. Die unbewusste Ebene nimmt Überhand. So fiel es mir schwer, die tonalen Qualitäten, mit denen wir uns so gerne und ausgiebig auseinandersetzen, zu beurteilen. Es überzeugte mich, von einem Musikerlebnis als Ganzes erfasst zu werden.

Bei konventionellen Stereoaufnahmen war die Erfahrung dann ganz ähnlich, wenn es sich um direkte Aufnahmen mit 2 oder 3 Mikrofonen handelte. Zum Beispiel ältere Aufnahmen oder solche mit Jecklin-Scheibe oder generell Single-Point-Stereo-Aufnahmen. Bei Multi-Miking-Studio-Produktionen stellten sich auch verwirrende Raumeffekte ein, die so nicht beabsichtigt waren.

Das Klangbild war recht ausgewogen, ein Etappenziel scheint erreicht. Daniel Weiss ist noch nicht zufrieden, da es manchmal tonale Verdichtungen gibt, die vom Crosstalk Cancelling stammen. Ähnlich wie bei Stereo entscheidet der Sweet Spot, aber nicht mit chirurgischer Präzision. Ich konnte mich ruhig seitlich etwas bewegen, ohne dass der Raum auseinanderfiel.

Ich kann mir gut vorstellen, dass hier eine neue Art des Musikhörens "erschaffen" wird. Eine neue Erlebnisdimension sozusagen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass audiophile Stereo-Hörer viel stärker umdenken müssten als unbedarfte Menschen, die sich mit dem Thema noch nicht so auseinandergesetzt haben. Eben dort, und genau dort, könnten sich neue Märkte auftun. Dort wo der immerwährende Sound dann nicht mehr als Dauerberieselung von der Tapete tropft.

Genau das verstehe ich unter einem visionären Ansatz. Das Sprengen von eingeübten Wahrnehmungen, getrieben von der Furcht vor alten Ideen. Da ist was dran.