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Publikationsdatum
4. Oktober 2015
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Wahrheit oder Schönheit? Ist das die richtige Frage? Nein, denn das eine schliesst das andere nicht aus. Damit ist das Thema nicht erledigt. Klangschönheit bei HiFi kann der Wahrheit der Aufnahme entsprechen, aber authentisch kann auch unschön klingen. Das will nur niemand.

Der Tontechniker oder Produzent setzt Wahrheit mit Schönheit gleich. Sein Ziel ist eine schöne Aufnahme, die er in der Tonbearbeitung wahrheitsgetreu abhören will. Wenn das Ziel erreicht würde, wovon der einzelne überzeugt sein dürfte, dann gäbe es nur schöne und wahre Aufnahmen (...). Wir lassen einmal beiseite, dass er bei der Aufnahme nicht immer zugegen war.

Auf der HiFi-Seite (Erklärung: High Fidelity = klangtreue Wiedergabe von Recorded Music) ist man weit weg von der Wahrheit, zeitlich und örtlich. Man vergleicht die gehörte Qualität mit individuellem Geschmack und Gewohnheit, nicht mit der Wirklichkeit des Ereignisses. Gewohnheit schliesst alles ein, was man einmal oder immer wieder an Live-Konzerten hört, wie es zuhause klingt (Akustik eingeschlossen) und wie es uns gefällt.

Ist es eingedenk solch fliessender Wirklichkeit möglich, mit HiFi-Geräten (u.a. Lautsprechern) die Wahrheit des Klangs zu erzeugen? Wohl kaum, und es ist auch kaum gewünscht. Gewünscht sind "seidige" Streicher, "warm knurrende" Celli und weiss der Himmel was noch alles. - Trockene Bässe und so.

Ist es nicht ein wenig zum Gähnen langweilig, wenn sich gewiefte Werbetexter eines Herstellers plötzlich der Klangwahrheit gewahr werden, die das neue Produkt (im Gegensatz zu den bisherigen) offenbaren soll. - Im Text dann auch schön polarisierend ausgelegt: "Hier klingt es richtig und nicht schönfärberisch". - Schönfärberisch wird zum Adjektiv, mit dem die Konkurrenz herabgesetzt wird.

Ist man sich bewusst, dass es dann auch von jemandem gekauft werden soll? Vor allem, wenn man aussagt, dass mangelhafte Aufnahmen "schonungslos aufgedeckt werden" oder übersetzt: Wenn's denn nicht gut klingt, musst du dir halt bessere Aufnahmen besorgen.

Die Hersteller sind manchmal unschuldig. Die Tester und Fachredaktoren bedienen sich auch solcher Semantik. Eigentlich möchten sie sagen: Es gefällt mir nicht, schreiben aber: Aufnahmemängel werden hier halt schonungslos offenbart.

Lassen wir die Kritik bei Seite, wenn ein Hersteller nach der Wahrheit sucht und Mängel früherer Konzepte behebt. Mit Technologie lässt sich so manches tatsächlich ausbügeln, gerade bei aktiven Lautsprechern. Wenn man es schafft "mit DSP eine koheränte Wellenfront aus einem akustisch exakt definierten Punkt zu erzeugen", dann "klingt" das schon einmal gut. Erfrischend ist aber, dass man dort auch einen Kontur-Drehschalter findet, mit dem man nach Hörgewohnheit 14 vorgegebene Klangcharakteristika wählen kann. Da hat jemand begriffen, dass es mit der absoluten Wahrheit nicht weit her ist und das man dagegen etwas tun kann.