Schwedisches Foto-Handwerk
Kurztest Mittelformatkamera Hasselblad X1D

Ein knuddeliges Hündchen springt aus dem geparkten Cabrio und beschnuppert meine X1D, die ich vor rund einer Stunde für einen Praxistest abgeholt habe. "Möchten Sie meinen Hund fotografieren?", fragt plötzlich eine attraktive Blondine hinter mir. Etwas verdutzt bejahe ich ihre Frage und schon habe ich mein erstes "Modell" vor der Linse. Nun schaut sich die Dame interessiert meine Kamera an und möchte Genaueres darüber wissen.
Die Marke Hasselblad ist bei Fotoprofis vor allem für ihre professionellen Mittelformatkameras im Preisbereich jenseits von 20'000 Franken bekannt. Mit der X1D stellt die schwedische Firma jetzt nicht nur im Preis ein radikal neues Konzept vor.
Die X1D gilt als weltweit erste spiegellose Kamera im Mittelformat, die im Vergleich zu herkömmlichen digitalen Mittelformatkameras weniger als die Hälfte wiegt. Die Neuentwicklung mit ihrem 50-Megapixel-Sensor wird vom Hersteller denn auch als Paradigmenwechsel in der Welt der Fotografie bezeichnet.
Mit einem Preis von unter 10'000 Franken für das Kameragehäuse darf das neue Modell beinahe schon als Schnäppchen im Mittelformatbereich bezeichnet werden. Die Schweizer Hasselblad-Vertretung Light+Byte AG in Zürich stellte avguide.ch eine X1D-50c für einen Kurztest zur Verfügung.
Wer die X1D das erste Mal in die Hand nimmt, wird von den kompakten Abmessungen erstaunt sein. Das spiegellose Design ermöglicht ein viel kleineres Gehäuse im Vergleich zu normalen Mittelformatkameras. Gegenüber einer Vollformat-Spiegelreflexkamera fällt der X1D-Body mit seinen Abmessungen von 150 x 98 x 71 mm sogar noch kleiner aus.
Auch die Wertigkeit des Gehäuses fällt auf. Es wirkt extrem robust, ist gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet und liegt trotz eines Gewichts von nur etwas über 700 Gramm sicher in der Hand. Dazu trägt auch der gummierte, komfortable Kameragriff bei. Die Aluminium-Oberfläche fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes "cool" an.
Schlicht und unauffällig
Die Farbgebung bei unserer Testkamera ist ebenfalls dezent und unauffällig. Es herrschen Schwarz und Silber vor, einzig der bronzefarbene Auslöser hebt sich als neckischer Farbpunkt davon ab.
Die X1D präsentiert sich sehr aufgeräumt, fast schon minimalistisch. Keine hervorstehenden Teile, keine mit Tasten und Knöpfen überfrachtete Oberfläche. Sogar der Akku flutscht ohne zusätzliche Abdeckung in die Kamera und schliesst bündig mit der Unterseite ab.
An der Frontseite befinden sich im Kameragriff der Auslöser und darunter das vordere Einstellrad. Gleich daneben liegt das Autofokus-Hilfslicht. Unter dem Objektivanschluss sitzt noch eine Abblendtaste, und auf der gegenüberliegenden Seite der Objektiv-Entriegelungsknopf.
Ebenso schlicht fällt die Rückseite aus. Am meisten Raum nimmt der fest eingebaute Bildschirm ein. Mittig darüber ist der elektronische Sucher mit Augensensor eingebaut, daneben der AE-Lock-Knopf, die AF-Taste und das hintere Einstellrad. Am rechten Bildschirmrand gibt es fünf weitere, senkrecht untereinander angeordnete Kontrolltasten.
Auf der Oberseite befinden sich der Blitzschuh, weiter rechts die AF/MF- sowie die ISO/WB-Taste. Daneben das Modus-Einstellrad und darunter der Ein-/Aus-Schalter.
An der Kameraseite beim Display findet man die beiden SD-Speicherkarteneinschübe und darunter die Verbindungen zur Aussenwelt: Die Mini-HDMI- und USB-3-Anschlüsse sowie Mikrofon- und Kopfhörer-Buchsen. Hasselblad empfiehlt SD-Karten mit einer minimalen Schreibgeschwindigkeit von 60 MB/s (400x) oder höher.

Neue Objektivreihe
Für die X1D wurde die neue XCD-Objektivreihe mit integriertem Zentralverschluss und Autofokus entwickelt. Für den Kurztest standen mit dem XCD 90 mm f3.5 ein leichtes Teleobjektiv und mit dem XCD 45 mm f3.5 ein moderates Weitwinkel zur Verfügung. Das Weitwinkelobjektiv XCD 30 mm f3.5 findet sich ebenfalls im Hasselblad-Angebot. Das sind alles Festbrennweiten. Wer sich damit ein Motiv näher heranholen möchte, muss mit dem Turnschuh-Zoom vorliebnehmen, also mit seinen eigenen Füssen.
Beim Umrechnen auf Kleinbildformat-Brennweiten gibt es diesmal keine Verlängerung. Durch den grösseren Sensor der X1D werden die Optiken im Gegenteil kürzer. Das 90-er-Objektiv entspricht einem Bildwinkel von 71 mm auf KB, das 45-er 35 mm und das 30-er 24 mm.
Die neue Kamera ist mittels Adapter mit allen zwölf Objektiven und dem Objektivzubehör aus Hasselblads professionellem H-System kompatibel. Eine WLAN-Funktion besitzt die X1D ebenfalls. Für die Koordinatenspeicherung der Fotos gibt es einen GPS-Adapter zum Aufstecken. Filmen kann die Kamera im Full-HD-Videoformat.
Das gefällige Äussere, die Qualität und die Ergonomie der Kamera haben auch die "Red Dot Award"-Jury überzeugt. Die Hasselblad X1D-50c hat kürzlich den Top-Preis beim Produktdesign gewonnen. Sie wurde mit "Best of the Best" für ihr innovatives Design ausgezeichnet. Auch meiner Dame mit Hund gefällt das fotografische Schmuckstück.

Bewusst fotografieren

Wer bislang mit dem Smartphone, mit einer Kompakt- oder einer Spiegelreflexkamera Bilder eingefangen hat, muss sich bei der X1D in mehreren Belangen umgewöhnen, und gleich einige Gänge zurückschalten. Schnell mal ein Foto aus der Hüfte schiessen kann man mit ihr getrost vergessen.
So dauert es nach dem Einschalten mehrere Sekunden, bis die Kamera schussbereit ist. Durch die wenigen Bedienungselemente erfolgt die Handhabung danach jedoch zügig und zielgerichtet. Unterstützt wird sie durch einen 3 Zoll (7,6 cm) grossen TFT-LCD-Monitor, auf dem die Menüpunkte durch Berühren ausgewählt werden. Wischen und per Finger vergrössern und verkleinern wie beim Smartphone ist ebenfalls möglich.
Während der direkte Mitbewerber der Hasselblad X1D-50c, die Fujifilm GFX 50S, über mehrere Knöpfe, Drehregler, Schalter, einen Joystick und ein zusätzliches Display auf der Kameraoberseite verfügt, erscheint das minimalistische Bedienkonzept der X1D dagegen schon beinahe puristisch. Erwähnt man noch den elektronischen Sucher, werden viele Profis wohl die Nase rümpfen. Vor allem, wenn sie es gewohnt sind, für beinahe jede Einstellung einen eigenen Knopf direkt an der Kamera zu finden.
Mit der X1D muss man sich etwas vom gewohnten Mittelformat-Fotografierstil verabschieden. Die kompakte Kamera ist viel beweglicher und erlaubt ganz neue Blickwinkel. Also: Mutig drauflos experimentieren.
Am grossen Einstellrad wählt man den gewünschten Kameramodus. Neben den PSAM-Einstellungen gibt es einen manuellen Schnellmodus, einen Automatik-Modus, den Videomodus und drei Programmspeicher für benutzereigene Settings.
Das Modus-Einstellrad lässt sich ebenso einfach wie zweckmässig sperren: Einmal nach unten drücken, und es verschwindet beinahe bündig mit der Oberfläche ins Kameragehäuse. Nochmals drücken, und das Rad kommt zur Bedienung wieder hervor. Für meine grossen Finger ist das leider etwas zu wenig. Ich konnte es oft nicht sicher fassen und drehen.
Mit dem Touch-Display auf der Rückseite hatte ich hingegen keine Probleme. Der aufgeräumte Bedienungsstil geht auch bei den Menüanzeigen weiter. Die überschaubaren Symbole des Hauptmenüs werden gross und klar dargestellt und sind auch ohne Brille problemlos erkennbar. Kein Vergleich zu den winzigen Menüpunkten anderer Kameras. Was auch positiv auffällt: Kein Menüpunkt geht tiefer als zwei Untermenüs.
Weissabgleich, ISO-Wert, Fokus-Umschaltung, Blende und Verschlusszeit sowie AF/AE-Lock können direkt mit Tasten und Rädchen oder über die Kontrollsymbole am Touch-Display verändert werden. Diese Symbolanzeige lässt sich einfach mittels Wischen über das Display aufrufen und schliessen.
Das Display selbst reagiert schnell auf Berührungen, seine Helligkeit kann angepasst werden und das Livebild vom Sensor wird angenehm zügig übertragen. Seine 920'000 Bildpunkte erlauben eine problemlose Bildkomposition, hinken jedoch genau wie der elektronische Sucher mit seinen 2,35 Megapixel etwas dem Stand der Technik hinterher.
Hier wird die X1D klar von der Fujifilm GFX übertroffen. Diese besitzt nicht nur eine grössere Sucher- und Display-Auflösung, auch das Display in OLED-Technik bringt eine bessere Bilddarstellung. Zudem ist der Fujifilm-Monitor kipp- und schwenkbar. Die Kompaktheit der X1D hat auch gewisse Einschränkungen zur Folge.
Diese machen sich besonders beim Überprüfen der Aufnahmen unterwegs bemerkbar. Das erstellte Foto lässt sich natürlich sofort am Monitor betrachten und auch vergrössert darstellen. Möchten es mehrere Personen anschauen, ist ein schwenkbares OLED-Display dank seinem breiteren Betrachtungswinkel gegenüber einer herkömmlichen, fest eingebauten LED-Anzeige aber vorteilhafter.
Und ein weiterer Punkt spricht für einen besseren Monitor: Der elektronische Sucher der X1D hat zwar eine grössere Auflösung als der Monitor, doch leider lassen sich die Fotos zur Kontrolle nicht über den Sucher anzeigen.
Nun könnte man dazu einen externen Bildschirm über die HDMI-Verbindung anschliessen, doch das zusätzliche Equipment stellt wieder die angestrebte Mobilität in Frage.
Slow down

Als Grundeinstellung zeigt die Kamera auf dem Touch-Display das Livebild an. Über dieses lassen sich Aufnahmedaten, Gittereinblendung und Wasserwaage in unterschiedlichen Ansichten einblenden. Zweimal kurz draufgetippt und das Motiv wird in einer 100-Prozent-Ansicht angezeigt. Dies ist beim manuellen Scharfstellen zusammen mit der farbigen Kantenhervorhebung ("Focus Peaking") sehr hilfreich.
Beim Autofokus setzt Hasselblad genau wie Fujifilm auf die Kontrasterkennung. Die ist gegenüber einer Phasenvergleichsmessung zwar nicht rasend schnell, doch für die meisten Motive ausreichend und präzise genug. Eine X1D ist gewiss nicht als Actionkamera gedacht. Dazu fehlt ihr auch ein kontinuierlicher Autofokus. Eine Serienbild-Einstellung ist vorhanden. Damit sind maximal 2 Bilder pro Sekunde in manueller Einstellung möglich.
Eine grüne AF-Anzeige in Sucher und Monitor zeigt an, ob die Schärfe korrekt gefunden wurde. Standardmässig wird in der Mitte ein einzelner AF-Punkt als 4 x 4 mm grosses Rechteck angezeigt. Dieses kann auf jede der 35 AF-Positionen bewegt und manuell ausgewählt werden.
Doch dazu braucht es wieder etwas Geduld. Denn zuerst muss die AF/MF-Taste eine Sekunde (!) lang gedrückt gehalten werden. Erst dann werden alle 35 Fokuspunkte angezeigt. Sie können ausgewählt werden, indem auf das Touch-Display getippt oder die Einstellräder bewegt werden. Ein künftiges Firmware-Update verspricht die Erhöhung auf 63 AF-Punkte sowie das Fokussieren per Fingertipp, denn bislang ist "Touch Focus" noch nicht möglich.
Wer die Schärfe lieber manuell einstellt, kann dies jederzeit tun, auch im Autofokus-Modus. Man braucht dazu nur den Fokusring am Objektiv zu drehen. Diese sofortige manuelle Überbrückungsfunktion sorgt für eine bequeme Arbeitsweise: Automatisch vorfokussieren und bei Bedarf umgehend manuell nachkorrigieren.
Der Auslöser wird durchgedrückt und das Bild aufgenommen. Und wieder dauert es im Vergleich zu Kompakt- und Spiegelreflexkameras seine Zeit, bis die Kamera für das nächste Foto bereit ist. Besonders, wenn man die Qualität auf "RAW + JPG" eingestellt hat. Wer nur RAW-Bilder schiesst, kann schneller weiterfotografieren. Der RAW-Arbeitsablauf wird nicht nur deshalb von Hasselblad empfohlen. Doch dazu später mehr.
Die "langsame" Kamera zwingt seine Benutzer, bewusster zu fotografieren. Man hat plötzlich mehr Zeit, sich auf das Bild zu konzentrieren und die Komposition entspannter wahrzunehmen. Mir ging es jedenfalls so. Vielleicht nervt es am Anfang, doch dieses "slow down" wird schlussendlich zu besseren Bildern führen.
In der Ruhe liegt die Kraft
Das neue Hasselblad-System kennt keine Bildstabilisierung, weder in der Kamera noch in den Objektiven. Diese versprechen durch ihren Zentralverschluss zwar weniger Vibrationen, doch ihre schiere Grösse braucht eine sehr ruhige Hand, wenn man ohne Stativ unterwegs ist. Die Blendensteuerung erfolgt elektrisch. Es gibt keinen Blendenring an den XCD-Objektiven.
Ein elektronischer Verschluss ist gemäss Hasselblad in Planung, ebenso die Möglichkeiten für Zeitraffer-Aufnahmen und Belichtungsreihen (AEB).
Wer also gestochen scharfe Aufnahmen aus der Hand wünscht, sollte für die Belichtungszeit mindestens den berühmten Kehrwert der Brennweite einstellen, besser noch etwas kürzer. Und die richtige Atemtechnik dazu schadet auch nicht. Sonst sorgen Zittern und Verwackeln schnell für Bewegungsunschärfe und unsaubere Wiedergabe von Details.
Der grosse Sensor bringt neben einer fantastisch hohen Bildauflösung auch eine sehr schmale Schärfentiefe. Und dies nicht nur bei Offenblende, sondern über einen weiten Blendenbereich hinweg. Man tut also gut daran, den gewünschten Schärfepunkt sehr genau zu bestimmen. Dann wird man mit wirklich knackigen Bildern belohnt.
Die Bestätigung im echten Leben kommt sogleich. Ich fotografiere die Dame mit Hündchen mit dem 90-mm-Objektiv bei Blende f/5.0. Der Hund am Boden – inzwischen habe ich erfahren, dass er eine sie ist und auf den Namen Bubu hört – ist knackscharf. Doch schon wenige Zentimeter dahinter hört die Schärfentiefe auf und die Dame wirkt ganz leicht verschwommen. Dies fällt am kleinen Bildschirm kaum auf, ist aber bei Eins-zu-Eins-Vergrösserung deutlich sichtbar.
Wer sich einmal an das etwas langsamere Fotografieren gewöhnt hat, wird mit der X1D gut zurechtkommen. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist nicht gerade berauschend, doch wenn man die Datenmenge von über 100 MB pro RAW-Bild in Betracht zieht, ist sie eigentlich erstaunlich.
Sonnenlicht und Studioblitz
Draussen habe ich tagsüber vor allem durch den Sucher fotografiert. Auf dem Display sieht man im Sonnenlicht nicht viel. Dann ist man froh um die wenigen Knöpfe an der Kamera, die man ertasten kann, ohne das Auge vom Sucher nehmen zu müssen.
Mit dem elektronischen Sucher lässt sich sehr gut arbeiten. Bei weniger Licht werden sich manche dennoch einen optischen Sucher wünschen. Ist wohl eine Gewohnheitssache, vor allem zu Beginn, oder wenn mit verschiedenen Kameras fotografiert wird.
Im Studio wiederum kommt man per Fingerdruck auf den Kontrollbildschirm am Touch-Display schneller zum Ziel. Studioblitzanlagen zündet man mit drahtlosen Blitzauslösern oder externen Blitzgeräten am Blitzschuh der X1D. Eine PC-Sync-Buchse für Kabelanschluss gibt es an der Kamera nicht. Die X1D kann mit ausgewählten Nikon-Blitzgeräten im TTL-Modus verwendet werden.
Wer "tethered", also vernetzt fotografieren möchte, lädt die kostenlose Software Hasselblad Phocus Digital Imaging herunter und verbindet die Kamera mittels Kabel über den USB-3.0-Anschluss. Oder er arbeitet völlig drahtlos mit der Phocus Mobile App für iPhone und iPad. Damit ist auch ferngesteuertes Betrachten von Bildern und Steuern der Kamera möglich, was ich jedoch nicht ausprobiert habe. Ich lebe in der Android-Welt.
Die X1D besitzt einen manuellen Modus für schnelles Aufnehmen. Dieser funktioniert am besten, wenn die Kamera auf einem Stativ steht. Dann werden zuerst der Fokus und die Bildkomposition in einem der übrigen Modi, und danach dieser "Mq-Modus" eingestellt. Die Kamera löst nun schneller und geräuschloser aus, weil der Verschluss bereits geschlossen ist und sich weniger bewegen muss. Zudem ist der Live-View-Modus nicht in Betrieb und es wird Energie gespart.
Eine weitere Energiesparfunktion, die mich besonders beim Stativ-Einsatz nervte, ist das automatische Abschalten des Live-Views nach rund 15 Sekunden, wenn keine Bedienung an der Kamera erfolgt. Man kann zwar die Zeit für die Abschaltung von Kamera und Monitor bei Inaktivität einstellen, aber für die Live-View-Abschalt-Automatik habe ich keinen Menüpunkt gefunden.
Videofilmen
Dieses Kapitel ist schnell besprochen. Knapp zwei Seiten widmet das Handbuch dem Thema Videofilmen. Das Videomenü lässt die Wahl zwischen den beiden HD-Formaten 720p und 1080p. Das war es dann.
Die Aufnahme erfolgt immer mit 25 Vollbildern pro Sekunde bis zu einer maximalen Dauer von 5 Minuten je Clip. Dieser wird h.264-komprimiert (MPEG-4 AVC) und im MP4-Container abgespeichert. Die Schärfe muss manuell "gefahren" werden.
Video passt einfach nicht zu dieser Kamera. Mir scheint, es wurde nur deshalb eingebaut, weil es andere Hersteller auch machen. Irgendwie lustlos.

Fantastische Bilder

Es kommt doch auf die Grösse an. Jedenfalls bei Fotosensoren. Die X1D liefert mit ihrem 50 Megapixel grossen CMOS-Bildwandler erstaunliche Ergebnisse. Mit einer Fläche von 1441 Quadratmillimetern ist der Sensor rund 67 Prozent grösser als bei einer Kleinbildkamera, und sogar viermal grösser als das APS-C-Format.
Die über 50 Millionen Bildpunkte haben im Vergleich zu einem Vollformat-Sensor mit ähnlich hoher Auflösung mehr Fläche pro Pixel und können mehr Licht einfangen. Dies erlaubt neben einem geringen Rauschen auch eine grössere Dynamik. Hasselblad gibt einen fast unglaublichen Dynamikumfang von 14 Blendenstufen an.
Naturgetreue Farbwiedergabe, feinste Detailzeichnung und realistische Highlights sind hier nicht nur Marketinggeschwafel, sondern wirklich erlebbar und auf einem beeindruckend hohen Niveau. Auch die Wiedergabe von Tonwerten ist ausgezeichnet – und durch die hohe Auflösung von effektiven 8272 x 6200 Pixel sind grosse Ausdrucke oder starke Ausschnittsvergrösserungen kein Problem.
Was nicht nur mir beim Betrachten und vor allem beim Vergrössern der X1D-Bilder auf 100 oder mehr Prozent aufgefallen ist: Die feinen Details von Ästen und Zweigen an Bäumen und Sträuchern im Bildhintergrund sind noch klar erkennbar. Bei vergleichbaren Aufnahmen aus Kameras mit kleineren Sensoren wirken dieselben Sujets unscharf, verpixelt oder einfach farblich "vermatscht" und ohne erkennbare Strukturen.
Bildbearbeitung
Hasselblad-RAW-Dateien werden zunächst im 3FR-Format gespeichert, dem geschützten Format von Hasselblad für die temporäre Speicherung von Aufnahmen. Eine 3FR-Datei enthält die komplette digitalisierte Rohaufnahme, wie sie von der Kamera erfasst wurde.
Die eigentliche Entwicklung und das Feintuning der Aufnahmen geschieht danach in einer speziellen Software wie Hasselblad Phocus, Adobe Camera Raw, Adobe Lightroom oder Apple Aperture.
Wer "nur" JPG-Dateien direkt aus der X1D benötigt, wird dennoch nicht enttäuscht. Der Bildprozessor HNCS (Hasselblad Natural Colour Solution) spart Zeit und ermöglicht eine hohe Farbqualität bei Haut- und bestimmten Produktetönen, die automatisch und akkurat gerendert werden. Die JPG-Dateien sind HNCS-profiliert, daher können diese in erstaunlicher Qualität direkt ausgedruckt werden.
Interessanterweise werden JPG-Dateien immer mit 4128 x 3096 Pixel gespeichert, und nicht wie beim RAW-Format mit 8272 x 6200 Pixel. Die X1D ist also auf den RAW-Workflow optimiert. So sucht man Einstellungen zur direkten Bildveränderung in der Kamera vergebens. Es gibt weder Bildstile, Panorama-Erstellung, Kreativmodi noch "Verschönerungs"-Effekte und auch keine Geburtstagseingabe für Babys oder Haustiere.
Die RAW-Aufnahmen kommen übrigens schon so ausgezeichnet aus der Kamera, dass in Phocus oder Lightroom in vielen Fällen überhaupt keine Korrekturen nötig sind. Ich musste jedenfalls noch nie so wenig an Belichtung, Tiefen, Lichtern oder Rauschreduzierung "schrauben" wie bei den Aufnahmen aus der X1D.
Die Kamera erlaubt einen ISO-Bereich von 100 bis 25'600. Für die volle Auflösung bleibt man möglichst bei der nativen Empfindlichkeit von ISO 100. Höhere Werte bis ISO 3'200 sind jedoch auch kein Problem. Und wenn es nicht grad ein Riesenposter mit hoher Detailwiedergabe sein muss, kann auch ein Versuch mit ISO 12'800 nicht schaden. Die Reserven gegenüber Kleinbild- und Systemkameras sind immens.
Die Bilder in diesem Beitrag wurden alle mit Lightroom-Standardeinstellung entwickelt und, wo nichts anderes steht, nur in der Grösse reduziert, aber sonst unverändert als JPG-Datei gespeichert.


Fazit

Mit dem neuen Modell von Hasselblad sollen für die Fotografie gänzlich neue Dimensionen eröffnet werden, so die Aussage der Firma. An der fantastischen Farbtreue und Detailwiedergabe der X1D-Bilder gibt es nichts zu rütteln, auch die optische Qualität und die Umsetzung der spiegellosen Technologie auf das digitale Mittelformat ist einzigartig und auf geniale Weise gelöst worden.
Das leichte und robuste Gehäuse der X1D ist Wetter- und Staubgeschützt. Dem Einsatz als ständiger Begleiter und idealer Reisegefährte steht also nichts entgegen.
Die klassische Designtradition der Marke Hasselblad wurde ebenfalls berücksichtigt. Die Kamera besticht durch eine einfache, schnörkellose Form, durch Ergonomie sowie Kompaktheit. Trotzdem darf man sich fragen, ob sich alles dem Design unterzuordnen hat.
Praktische Dinge wie ein ausklappbarer Monitor oder ein eingebauter Blitz würden der Kamera gut anstehen, wenn man schon vom Studio unabhängig Richtung mobiler One-Man- oder -Woman-Einsätze gehen möchte.
Man kann mit der X1D schnell fotografieren, doch je mehr man pressiert, desto frustrierter wird man über die Ergebnisse sein. Man sollte mit ihr wesentlich bewusster fotografieren als mit einer System- oder Spiegelreflexkamera mit kleineren Sensoren.
Der Arbeitsablauf bei der Bearbeitung der RAW-Aufnahmen bleibt wie gewohnt, nur bringt die X1D neben der besseren Fotoqualität auch viel grössere Daten mit. Eine Aufrüstung seiner Computer-Hardware wird man in Betracht ziehen müssen.
Die Videofunktionen der X1D sollten entweder verbessert oder ganz weggelassen werden.
Die deutlich niedrigeren Anschaffungskosten im Vergleich zu bisherigen digitalen Mittelformatkameras werden auch jüngere oder nicht so gut betuchte Fotografen die Welt der Hasselblad-Mittelformatfotografie öffnen.
Die Kamera kann natürlich auch gemietet werden. Hier ist die Firma Light+Byte in Zürich ein kompetenter Ansprechpartner.
Die Hasselblad X1D-50c ist in der Schweiz für 9595 Franken (inkl. MwSt) erhältlich. Das Weitwinkelobjektiv XCD 45 mm kostet 2795 Franken, das Teleobjektiv XCD 90 mm 3295 Franken.
Ach ja, die Dame mit der Hundedame Bubu war von der Kamera und meinen Fotokünsten begeistert. Vielen Dank, Hasselblad.
Hervorragende RAW-Bildqualität
Kompaktes Design
Wetter- und staubgeschützt.
Grosses Touch-Display
Verschlusszeiten von 60 min bis 1/2000 s bei uneingeschränkter Blitzsynchronisation
Zwei Speicherkartensteckplätze
USB- und WLAN fernsteuerbar
Langsame Einschaltzeit
Nur kleine JPG-Auflösung
Automatische Live-View-Abschaltung
Monitor nicht ausklappbar
Onlinelink:
https://www.avguide.ch/testbericht/schwedisches-foto-handwerk-kurztest-mittelformat-kamera-hasselblad-x1d