Verführung
Test des Phono-Vorverstärkers Chord Huei

Es gibt einige Gründe, weshalb ich bei Phono-Vorverstärkern ein wenig überkritisch bin und schreibe. Zusammenfassend ist es vorwiegend das konservativ gehaltene Design der meisten Produkte. Mit Design meine ich die Entwicklung und nicht die Gestaltung. Die meisten Phono-Vorverstärker werden auf der Schiene «Klangqualität» angepriesen. Das ist gut und recht und wichtig, aber es gibt Aspekte, die in moderneren HiFi-Anwendungen ebenfalls wichtig sind und eher selten berücksichtigt werden.
Ein Beispiel sind symmetrische Ausgänge (XLR) zusätzlich zu den asymmetrischen RCA-Ausgängen (Cinch). Traditionell waren symmetrische Ausgänge nicht im Fokus. Heute schon, weil Aktivlautsprecher – auf dem Vormarsch – mit integrierter Lautstärkeregelung längere Kabel zum Phono-Vorverstärker benötigen als der klassische Vorverstärker in unmittelbarer Nachbarschaft. Symmetrische Kabel sind hier besser geeignet.
Auch ist die Signalverstärkung, also die eigentliche Verstärkung, sehr wichtig. Sie muss heute wählbar sein und im Maximum auch möglichst gross. Manch ein Phono-Vorverstärker ist heute in moderneren Anwendungen einfach zu leise.
Nach wie vor benötigt man bei einem ernsthaften Gerät eine vielstufige Anpassungsmöglichkeit an die Impedanz/Kapazität des Tonabnehmers und seiner Verkabelung bis zum Phono-Vorverstärker.
Und wenn das dann alles verwirklicht wird, dann bitte nicht mit diesen fummeligen «Mäuseklavieren», wie man diese Mikroschalter-Arrays nennt, die sich oft an unzugänglicher Stelle am Gerät befinden und mit deren Schaltkombinationen man sich ganz schön lange auseinandersetzen kann. Ganz zu schweigen vom fragwürdigen Bedienungskomfort.
Viele Hersteller halten aus Gewohnheit oder Überzeugung an diesen alten Zöpfen fest – und zwar, wie es mir scheint, immer mit dem Argument, dass es nur auf den Klang ankäme. Wir leben aber heute in einer Zeit, in der sich auch audiophile Musikhörer eine gewisse Bedienungsfreundlichkeit wünschen. Es muss ja nicht gerade eine App sein.
Aus jenen Gründen stach mir der Chord Huei zunächst ins Auge. Der macht das Beschriebene einfach alles richtig.

Nach Tradition des Hauses hat der Huei wie alle anderen Geräte von Chord auch optisch und haptisch viel zu bieten. Das Gehäuse besteht aus einer unteren und einer oberen Hälfte aus CNC gefrästem Aluminium und ist vom Boden her mit sechs Senkschrauben befestigt. Eine Lupe auf der Oberseite gibt Einblick ins Innere und auf die hochwertigst bestückte Platine – im Betriebszustand grün ausgeleuchtet.

Die gewählten Betriebszustände werden durch wechselnde Farben angezeigt. Das geht natürlich nur, wenn man die Farben mit dem User Manual (in Englisch) vergleicht. Das User Manual ist aber sehr praktisch als Karton-Leporello und mit schmutz- und wasserabweisender Beschichtung ausgeführt. Am besten deponiert man es in Griffweite.

Auf der Geräterückseite finden sich ein Stereo-Phonoeingang (RCA) und 2 Stereo-Ausgänge, einmal RCA (asymmetrisch) und einmal XLR (symmetrisch). Dazu eine hochwertige Klemmschraube für die Masseverbindung zum Tonarm und ein 12VDC-Eingang für das externe Kabelnetzteil mit einem kleinen und etwas fummeligen Netzschalterchen. Das Gerät muss natürlich nicht dauernd ein- und ausgeschaltet werden. Es dürfte meistens im Betrieb bleiben.

Das beigelegte Netzteil erfüllt seinen Zweck gut und ist qualitativ anständig. Die abgebildete Linear-Stromversorgung von Sbooster (NL) ist aber klar vorzuziehen und mit 359 CHF auch finanziell zu verkraften.
Der Chord Huei macht einen hervorragenden Eindruck mit seiner perfekten Verarbeitung, dem spannenden Einblick in sein Innenleben und das einfache Bedienungskonzept in Verbindung mit einer perfekt gestalteten Bedienungsanleitung (allerdings nur in Englisch).
Einstellungen
Zunächst wählt man MM oder MC. Bei MC kann man die Anschlussimpedanz von 3200 Ohm bis 100 Ohm in 6 Stufen einstellen und bei jedem Wert auch noch mit der Variante einer Kapazitätsanpassung mit 2,2 Mikrofarad wählen. Insgesamt sind also 12 Varianten möglich. Das dürfte für die meisten Tonabnehmer passen. Schliesst man eine MM-Tonzelle an, dann ist die Impedanzwahl natürlich nicht aktiv, weil man sie nicht benötigt.

Die Gain-Einstellungen haben es in sich. Bei MC (Moving Coil) kann man 8 Verstärkungen wählen. Maximal 76 dB am XLR-Ausgang und 70 dB am RCA-Ausgang und in 8 Stufen bis runter auf 55 dB bzw. 49 dB bei RCA. Damit verfügt der Chord Huei über eine sehr hohe maximale Spannungsverstärkung, höher als die meisten Phono-Vorverstärker. Es spielt also keine grosse Rolle, wie «laut» der Tonabnehmer ist. Diese Flexibilität ist fantastisch.
Auch bei MM-Tonabnehmern kann man den Gain in 8 Stufen wählen. Die MM haben natürlich eine viel höhere Ausgangsspannung, weshalb der Bereich von 27 dB bis 48 dB ausreicht (XLR) bzw. von 21 dB bis 42 dB (RCA).
Zudem kann man ein sehr effektives Rumpel-Filter aktivieren. Es ist als «Rauch Slope Rumble Filter» konzipiert und kompensiert Störgeräusche vom Plattenspieler vorwiegend im tieffrequenten Bereich ohne Beeinflussung der Klangqualität.
Technische Exzellenz
Die Entzerrung verläuft nach RIIA mit einer sehr engen Toleranz von +/- 0,1dB. Die maximale Ausgangsspannung beträgt 20V RMS. Die Eingangsimpedanz beträgt 47 kOhm für MM und wie erwähnt 100 Ohm bis 3,2 kOhm für MC. Das kleine Gerät wiegt stolze 657 Gramm.
Klangperspektiven
Im Unterschied zu früheren Tests verwendete ich meinen Thorens TD124 II aus dem Jahr 1966 mit einem Schick-Tonarm mit 12 Zoll Länge zwischen Abtastpunkt und Drehpunkt. Die Tonabnehmer waren ein Ortofon SPU Stereo MC und ein baugleiches Ortofon SPU Mono High Output MC. Letzteres wird am Phono-Vorverstärker als MM betrieben. So konnte ich die Tonabnehmer einfach wechseln und am Chord Huei von MM zu MC umschalten.

Wenn man zwei Plattenspieler oder zwei Tonarme mit unterschiedlichen Tonabnehmern betreibt, muss man natürlich jeweils am Chord Huei umstecken. Das ist aber wenig Aufwand, weil alle anderen Einstellungen über die Tipptasten komfortabel vorgenommen werden können. Die meisten Nutzer dürften ohnehin nur einen Plattenspieler/Tomarm/System betreiben.

Ich habe den Huei von Chord also abwechselnd mit einem SPU-Stereo-Tonabnehmer und mit der baugleichen Mono-Version gehört. Nach dem Wechseln des Tonabnehmers musste ich nur von MC zu MM umschalten, weil die Mono-Version als sogenanntes High-Output-MC-System ausgeführt ist. Das war dann eher ein Praxistest.
Die Klangeigenschaften des Huei sind ganz ausgezeichnet: Es klingt sehr neutral und fügt keine Eigenschaften hinzu. Die Transparenz im Hochtonbereich ist fantastisch und im Bass spielt es druckvoll und ausgeglichen. Mit dem Linearnetzteil von Sbooster bekommt man für vernünftiges Geld noch eine gute Prise dazu. Ich würde darauf – oder auf ein gleichwertiges Linearnetzteil – nicht verzichten.
Hervorstechend war meine Erfahrung mit Henryk Szeryings Violine auf der Philips-Pressung von Mendelssohn/Schumann, eine Mercury-Aufnahme unter Leitung von Antal Dorati, die nach der Übernahme von Mercury (Living Presence) durch Philips zu Beginn der 1960er-Jahre neu aufgelegt wurde – und zwar in einer etwas milderen Fassung mit weniger Ecken und Kanten. Seine Geige kam mit Sehnsucht und Schmelz und ohne Röhren als Stütze.
Die Musikalität des Huei ist grandios. Hans Theessinks «Slow Train» kam dann mit dieser natürlichen und unverfälschten Wucht im Bass und präsentierte sich im Raum mit sehr viel Atmosphäre, einer der grossen Stärken der Aufnahme. Mit Mono bespielt konnte ich mich auf die zwei Dimensionen, die Mono zulässt, also Tiefe und Grösse der Akteure auf der Bühne, konzentrieren. Ich war ziemlich hin und weg. Gerade in dieser Disziplin gibt es bei den Analog-Freaks fast so viele Präferenzen wie Personen.
Den Chord Huei etwas herablassend als «Allrounder» zu bezeichnen, würde ich nicht unterstützen. Der Begriff steht ja quasi Pate für den unausweichlichen Kompromiss. Der Chord Huei kann hingegen nichts dafür, dass er bei jeder Aufnahme, die ich mir anhörte, wirklich grossartig aufspielte – oder präziser, seinen wichtigen Beitrag zu einem grossartigen Musikerlebnis leistete.
Fazit

Der Huei von Chord gehört zu den besten modernen Phono-Vorverstärkern, die mir bisher unter die Nadel gekommen sind. Seine musikalische Raffinesse, Natürlichkeit und perfekte Transparenz, gepaart mit komfortablen und durchdachten Einstellungsmöglichkeiten suchen einen Vergleich. Die Anfassqualität und die geheimnisvolle visuelle Ausstrahlung lassen nicht einmal Röhren vermissen. Einschränkung: Ein hochwertiges lineares Netzteil trägt entscheidend zum Musikerlebnis bei und kostet einen lohnenden Aufpreis.
Verarbeitung
Bedienung / Anpassung
Sehr hohe Ausgangsspannung
Sehr gutes Rumble-Filter
Top-Klangeigenschaften
Onlinelink:
https://www.avguide.ch/testbericht/test-des-phono-vorverstaerkers-chord-huei-verfuehrung