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Schweres Kaliber

Test Vollverstärker McIntosh MA 8000

Publiziert am 09. Mai 2016 - Lothar Brandt
Der typische McIntosh-Look mit den dominierenden Leistungsanzeigen.Der typische McIntosh-Look mit den dominierenden Leistungsanzeigen.

Mit ihm hat man es bestimmt nicht leicht. Nicht mit 45,4 Kilogramm Integrated Amplifier. Nicht mit diesem McIntosh MA 8000, der auch finanziell schwer wiegt. Der grösste Vollverstärker, den die US-Amerikaner je gebaut haben, kostet 13'500 Franken. Das ist wirklich viel Geld. Doch wenn man den Big Mc erst mal aus der immens aufwendigen Verpackung geschält, ihn an den silbrigen Metallgriffen an seinen Platz geschleppt hat, wenn man ihn mit dem fast genauso imposanten Stromkabel ans Netz angeschlossen und erstmals eingeschaltet hat, dann weiss man genau: Dies ist kein gewöhnliches Gerät. Und man staunt, welches Strahlen so zwei azurblau illuminierte Volume Units Meter in den oft grauen Testalltag bringen können.

"Wer einmal in die blauen Augen, jene vom zuckenden horizontalen Wimpernschlage des zierlichen Zeigers belebten Leistungsanzeigen eines McIntosh geschaut hat, wird in diesem förmlich versinken." So könnte man auch sagen. Ein bisschen sehr lyrisch, oder?

Doch zunächst ganz prosaisch: Was bekommt man eigentlich für das viele Geld ausser zwei zappelnden Anzeigen für die abgegebene Ausgangsleistung? Zunächst einmal eine ganze Menge Ausgangsleistung. Wobei eine schnöde Watt-Angabe nur wenig aussagt.

Die Endstufe

Wohl kaum ein Vollverstärker der HiFi-Welt hat diese Ausmasse.Wohl kaum ein Vollverstärker der HiFi-Welt hat diese Ausmasse.

Es geht um Leistung als das Produkt von Spannung und Strom. Und von beidem können die jeweils zwölf Endtransistoren pro Kanal reichlich ausgeben. An jeder noch so niedrigen Impedanz und noch so starken Phasendrehung. Denn die komplexe Last, als die sich ein Lautsprecher beziehungsweise seine Frequenzweiche darstellt, kann unter Umständen genau diese Schwierigkeiten bereiten. Für den MA 8000 kein Problem. Bei den Messungen konnte er bis hinunter zu zwei Ohm und bei Phasendrehungen bis zu 60 Grad 35 Volt stabil abgeben – die Impulsleistung liegt dann bei 600 Watt an 2 Ohm. Das dürfte wohl für jeden Lautsprecher reichen.

Apropos standhaft: Die Amerikaner halten ungerührt fest an Ausgangsübertragern, bei McIntosh "Autoformer" genannt. Diese Art Transformator macht gewöhnlich aus hoher Spannung hohe Ströme. Sie sind deshalb fast unentbehrlich für Röhrenverstärker, so diese normal wirkungsgradschwachen Boxen antreiben müssen.

Halbleiterverstärker indes brauchen die Übertrager eigentlich nicht. Zwar baute beispielsweise Telefunken noch bis in die 1960er Transistor-Amps damit, doch inzwischen wählt (fast) nur noch McIntosh diesen vermeintlichen Umweg zwischen Leistungstransistor und Lautsprecher-Ausgang. Einfach, um über verschiedene Abgriffe auf der Sekundärseite die optimale Anpassung an 2-, 4- oder 8-Ohm-Lautsprecher zu leisten. Das Design der Mc-Zwölfzylinder erinnert an die genauso hubraumstarke und potente Endstufe MC 302, die ähnlich kurzschlusssicher und laststabil ist. Die Power-Guard-Schaltung greift schon beim geringsten Verdacht von Clipping ein.

Die gewaltigen Kräfte, die im MA 8000 stecken, werden übrigens immer langsam geweckt, um nicht mit extremen Einschalt-Strömen die heimischen Netzsicherungen zu überfordern. Immerhin kann der allein 12,7 Kilogramm wiegende Netztransformator aus den 230 Volt Netzspannung dauerhaft 13 Ampère Dauerstrom liefern, was mal knapp 3 Kilowatt Leistungsaufnahme ergibt. Dabei entsteht aber erstaunlich wenig Abwärme. Im "Leerlauf" führt sich das Grosskaliber nur 75 Watt zu Gemüte, im Standby gerade mal 0,2 Watt.

Die Vorstufe

Zahlreiche digitale und analoge Anschlüsse, Dataports sowie die Abgriffe für 2-, 4- und 8-Ohm-Lautsprecher auf der Rückseite.Zahlreiche digitale und analoge Anschlüsse, Dataports sowie die Abgriffe für 2-, 4- und 8-Ohm-Lautsprecher auf der Rückseite.

Doch in einen Integrated Amplifier gehört ja auch eine Vorstufe – im grossen Mc übrigens von der Endstufe trennbar und per Jumper am Anschlussfeld verbunden. Die Vorstufe im MA 8000 vereint den Nutzwert der hauseigenen C 1000 und C 50. So dürfte der MA 8000 ziemlich jeden Anspruch erfüllen. Da gibt es eine auch messtechnisch überzeugende Phonosektion für Vinylfreunde, die ihren MM- oder MC-Tonabnehmern sogar noch optimale Kapazitäten beziehungsweise Abschlusswiderstände zuschalten können: per Menü über die Fernbedienung.

Nach kurzer Eingewöhnung erfreut man sich der zahlreichen Programmier-Möglichkeiten, der vielen Hochpegel-Eingänge, der per Reed-Relais gesteuerten Eingangsumschaltung und sogar an der neumodischen Lautstärkeregelung. Dieses bei Kohlebahnen alter Zeiten stets rauschverstärkende und balanceverschiebende Nadelöhr wird längst mit einer elektronischen Präzisionsschaltung umgangen, wo der Steller nur noch als Impulsgeber fungiert.

Wie selbstverständlich McIntosh im Digitalzeitalter angekommen ist, zeigt die Implementierung eines ausgewachsenen DA-Wandlers, der über USB Hochaufgelöstes mit zu 192 Kilohertz Abtastfrequenz verdaut. Die Raten zeigt er im Display an.

Für zentraleuropäische Hörgewohnheiten mehr eine Zugabe ist das Klangregelnetzwerk, das tatsächlich noch analog über Operationsverstärker und Filterbänke funktioniert. Was Puristen die Stirn runzeln lässt, sehen Kunden in USA oder Fernost viel entspannter. Dort wird gern mal der Frequenzgang höhenarmer oder bassdröhnender Tonträger equaliziert. Acht Frequenzbereiche lassen sich um bis zu 12 Dezibel absenken oder anheben.

Eine wohl überall gern gesehene Zugabe ist der Kopfhörerausgang. Dahinter sitzt ein ausgewachsener Amp, der problemlos auch spannungshungrige Ohrlautsprecher antreiben kann.

Der Hörtest

Ungewöhnlich ist der integrierte Acht-Band-Equalizer, dessen Regler den mittleren Teil der Front beherrschen.Ungewöhnlich ist der integrierte Acht-Band-Equalizer, dessen Regler den mittleren Teil der Front beherrschen.

Doch im Test galt es ja, auch grosskalibrige Boxen unter Dampf zu setzen. Aber erst mal mit Gefühl. Der japanische Dirigent Masaaki Suzuki wird zu Recht für seine Bach-Interpretationen gelobt, exzellent für SACD produziert vom schwedischen Label BIS. Diese zeugen nicht nur von enormer Sensibilität, sondern fordern genau diese auch von der Wiedergabekette. Kein Problem für die exzellenten Hybrid-Elektrostaten Martin Logan Montis (auch hier im AV Guide schon getestet). Mit vorbildlichem Eifer und Feinsinn dröselte der hier nur als Mittel-Hochtonverstärker geforderte McIntosh die komplexe Chor-Polyphonie im "Gloria" der Lutherischen Messe BWV 235 auf. Die enorm sorgfältig ausgearbeitete Binnendynamik des Bach Collegium Japan füllte so intensiv den Raum, dass man einen exzellenten Röhrenamp am Werke wähnte. Die tänzerische Energie zog einen förmlich in die Kobe Shoin Women’s University Chapel, wo sie aufgenommen wurde. Die Raumaufteilung, die Klangfarben beispielsweise der von Bach so geliebten Oboe d’amore blühten regelrecht auf.

Natürlich kam später auch der ganz vorzügliche Phono-Verstärker zum Zuge. Er erwies sich als enorm dynamisch, aber nie vorlaut. Die höchst akkurate Feinzeichnung, die etwa ein Clearaudio Stradivari am Tangentialtonarm TT 5 (Test auch hier im AV Guide) in die vergoldeten Anschlüsse schickte, blieb vollständig erhalten. Dieser Big Mc serviert Feinkost.

Auch über den Digital-Analog-Wandler, der sich mittels ausgesuchtem High-Resolution-Audio-Material gleichfalls als ausgesprochen wohl abgeschmeckt entpuppte. Zwar tendierte er zu minimal dunkleren, weniger offenen und detailreichen Räumen als mancher separate Super-DAC. Von "schlechter" konnte man da aufgrund der akustischen Noblesse aber kaum sprechen.

Nach so viel Klangkultur hiess es dann: Volldampf voraus. An der hochanalytischen Bowers & Wilkins 802 D3, die auch extrem hohe Pegel erzeugen kann. Bei der Fanfare eingangs von "Also sprach Zarathustra" (Einspielung William Steinberg, Boston SO) züngelten die blau beleuchteten Drehspulinstrumente – so unlyrisch kann man die auch benennen – auch mal rechts aussen um die 300-Watt-Marke, desgleichen beim hymnischen "A Better Life" von Dream-Theaters neuem Meisterwerk "The Astonishing". Ob mächtig schwellendes Blech oder knallige Double-Bassdrums, ob Orchester-Vollfettstufe oder hart rockende Band – der MA 8000 blieb unerschütterlich souverän, hielt die Räume offen, dickte nicht ein und schien richtig Spass zu haben, immer noch mehr Schub zu geben. Bei Bedarf waren Donnerschläge blitzschnell gezündet. Das konnte einen schon mal in andere Hörwelten katapultieren.

Das Fazit

Klanglich kann dieses feinfühlige Kraftpaket mithalten mit den besten Vollverstärkern der Welt.Klanglich kann dieses feinfühlige Kraftpaket mithalten mit den besten Vollverstärkern der Welt.

Im McIntosh MA 8000 gehen stattliche Leistungsreserven einher mit einer modernen Vorstufe, die kaum einen Wunsch offen lässt. Optisch ziehen einen die blauen Anzeige-Instrumente förmlich in den Bann. Klanglich kann dieses feinfühlige Kraftpaket mithalten mit den besten Vollverstärkern der Welt, von denen es aber die meisten in der Leistungsausbeute und der Ausstattung übertrifft. Es kann einen definitiv zum Abheben bringen, dieses schwere Kaliber.

STECKBRIEF
Modell:
MA 8000
Profil:
Transistor Vollverstärker mit grosser, aber kontrollierter Kraft und sehr guter Ausstattung
Pro:
dürfte wohl jeden Lautsprecher antreiben können; sehr souveräne Klangentfaltung, sehr reiche Klangfarben und viel Nuancen; sehr guter Phonoverstärker, guter DAC
Contra:
Fernbedienung wirkt wenig wertig; hohes Gewicht, hoher Preis
Preis:
13,500.00 CHF
Hersteller:
Jahrgang:
2015
Masse:
445 x 240 x 559 mm
Gewicht:
45.4 kg
Analog Input:
Phono MM/MC, 6 x Line RCA, 2 x XLR
Digital Input:
USB, S/PDIF (Toslink und Coax)

Onlinelink:
https://www.avguide.ch/testbericht/schweres-kaliber-test-vollverstaerker-mcintosh-ma-8000