Audio-Occasionen
Tipps für den Gebrauchtkauf

Die Idee, sich auf dem Gebrauchtmarkt nach einem guten Occasionsgerät zum Schnäppchenpreis umzuschauen, ist ja nicht neu. Aber noch nie waren die Preise für Second-Hand-HiFi- und Heimkino-Equipment so niedrig wie heute. Da lohnt sich ein Blick in die einschlägigen Versteigerungsportale, Gratisanzeiger und auch auf Händler-Occasionsseiten. Wir haben für sich nachgeschaut, welche Angebote wirklich lohnen und worauf es beim Gebrauchtkauf ankommt.
Zwar erleben Audio und HiFi einen regen Aufschwung, was Neuerscheinungen betrifft, und auch das Preisniveau ist bei vielen neuen Produkten wirklich vernünftig. Wer neu kauft, kann sich zudem sicher sein, ein Gerät auf dem aktuellen Stand der Technik zu erwerben. Nicht immer ist das aber für eine Kaufmotivation wirklich ausschlaggebend: Wer nach einer Occasion Ausschau hält, wird oft auch von Nostalgie geleitet.
Die begehrte HiFi-Ikone, die man sich als Lehrling oder Student nicht leisten konnte, ist als gebrauchte erschwinglich und strahlt immer noch den gleichen, wenn nicht sogar einen höheren ideellen Wert aus. Geräte aus der goldenen Zeit des High-Fidelity – sprich: aus den 80er- und 90er-Jahren – sind vom Material her oft sehr aufwendig gefertigt und verkörpern auch aufgrund ihres üppigen Erscheinungsbildes mit vielen klassischen Bedienelementen eine hohe Wertigkeit.
Da nimmt man unter Umständen gerne ich Kauf, dass sich sogenannte "Vintage"-Komponenten in Bezug auf die resultierende Klangqualität meist signifikant von neuen Gerätschaften unterscheiden. Anders sieht dies bei modernem Gebraucht-Equipment aus: Hier hat der preisbewusste Käufer tatsächlich die Chance, viel zu sparen und Topklang für wenig Geld zu ergattern.
Echte Oldies

HiFi-Equipment aus den 60er-Jahren ist oft mit Röhren bestückt – die ersten Transistorgeräte kamen erst ab 1965 auf den Markt. Stereo gabs aber schon im Röhrenzeitalter, und tatsächlich stammen einige der bestklingend Verstärker aller Zeiten aus dieser Epoche. Dazu zählen beispielsweise die Endstufen MC 240 und MC 225 und von McIntosh, die leider nur sehr selten und zu sehr hohen Preisen gebraucht angeboten werden.
Von den legendären MC275 gibt es inzwischen ja diverse Neuauflagen, die auch schon mal als Occasionen angeboten werden. Am passenden Lautsprecher tönt es nach wie vor faszinierend schön und durchaus dynamisch-vital. Als klanglich am feinsten erweist sich die MC225, die aus 2x zwei Röhren des Typs 7591 je 25 Watt zauberten. Erfreulicherweise wird dieser ehemals vergriffene Röhrentyp mittlerweile wieder hergestellt.
Auch eine andere Ikone des amerikanischen Verstärkerbaus wird dann und wann als Occasion angeboten: Von der legendären HiFi-Marke Fisher gab es das verbreitete "Volksmodell" X-100A, das seinerzeit offiziell (von Egli, Fischer in Zürich) in die Schweiz importiert wurde. Dieser schmucke Vollverstärker holt aus je zwei Röhren des Typs EL-84 zwar lediglich 2 x 12 Watt (wahlweise an 8 oder 16 Ohm), zeichnet sich aber auch heute noch durch einen unglaublich losgelösten, transparenten Klang aus. Und dies bei erfreulicher Rauschfreiheit.
Inbegriff für britisches HiFi sind die Quad-II-Monoblöcke, die öfter mal gebraucht angeboten werden. Auch sie entfalten am passenden (wirkungsgradstarken) Lautsprecher einen unglaublichen Reichtum an Klangfarben, dessen Reiz man sich auch heute noch nur schwer entziehen kann. Allerdings sind sie von Haus aus auf das Zusammenspiel mit dem passenden Vorverstärker Quad 22 ausgelegt, der nicht ganz über das gleiche Klangniveau verfügt. Wer die Quad II in eine moderne Anlage integrieren möchte, sollte sie deshalb mit einem Cinch-Eingang aufrüsten und an einem modernen Vorverstärker betreiben.
Generell gilt für echte Oldies, dass man sie ausschliesslich in revidiertem Zustand kaufen sollte. Nicht nur den Röhren, sondern insbesondere auch den Netzteilen gebührt besondere Aufmerksamkeit. Geräte aus den 60er-Jahren sind ja noch für 220 Volt ausgelegt und können an unserem 230-Volt-Netz Probleme bereiten. Hier muss dann der Service-Profi ran und gegebenenfalls Gleichrichter und Elkos tauschen.
Auch bei Transistorgeräten aus den 70er-Jahren sollten bestimmte elektronische Bauteile wie Kondensatoren altersbedingt ersetzt werden. Im Unterschied zu Röhrengeräten lohnt sich der Aufwand hier jedoch oft nicht, da die klanglichen Eigenschaften meist nicht wirklich zu mehr als nostalgischen oder Sammlerzwecken reichen. Erst gegen Ende der 70er-Jahre war die Transistortechnik so weit, dass die Klangqualität bei Verstärkern wirklich mit derjenigen guter Röhrengeräte mithalten konnte.
Gutes Beispiel für den Fortschritt: Der britische Endverstärker Quad 405 (ab 1975), dem man – im Unterschied zu seinem Vorgänger Quad 303 – auch nach heutigen Massstäben audiophile Tugenden bescheinigen kann. Zu den am besten klingenden Vorverstärkern zählt der C29 von Mcintosh (ab 1978), den man auch heute noch gelegentlich antrifft.
Geniale Konstruktionen aus den 60er- und 70er-Jahren finden sich auch in anderen Gerätegattungen: Beispiele dafür sind die elektrostatischen Lautsprecher ESL-57 von Quad, oder der Swissmade-Plattenspieler Thorens TD 124, die heutzutage von Spezialisten wieder auf Vordermann und so auf ein erstaunliches Klangniveau gebracht werden.
Goldene Ära

Die 80er- und 90er Jahre bildeten die goldene Ära des High-Fidelity, in der japanische Marken wie etwa Accuphase, Luxman oder auch Sansui aus dem Vollen schöpften und edle Gerätschaften schufen, die durchaus mit den amerikanischen Originalen mithalten konnten. Gerade Geräte von Accuphase sind sehr gesucht und werden zu exorbitanten Liebhaberpreisen angeboten.
Weit mehr lohnt sich ein Blick auf HiFi-Komponenten beispielsweise von Sony und Yamaha: Sony brachte unter dem ES-Siegel eine ganze Reihe wirklich schöne Vollverstärker auf den Markt, deren Verarbeitung und Ausstattung auch heute noch faszinieren. Die ehemaligen Topmodelle wie der TA-F770ES und der TA-F707ES verfügen über sehr gute Phono-Eingänge (auch für Moving-Coil-Abtaster) und sind als Gebrauchte eine Überlegung wert. Ebenfalls empfehlenswert die relativ oft angebotene Vor-/Endstufen-Kombi TA-E80ES/TA-N80ES, die heute noch viel Klang fürs Geld offeriert.
Yamaha brachte eine ganze Reihe an Vor-/Endverstärkern auf den Markt, die durch Top-Ausstattung und klassisches Design punkteten. Reizvoll sind auch hier die vielfältig anpassbaren Phono-Eingänge. Aus den 80er-Jahren empfehlenswert sind die Vorverstärker C-60 und C-80 bzw. deren Nachfolgemodelle C-65 und C-85 sowie die passenden Endverstärker M-60/65 und M80/85. Nach einer (meist notwendigen) Revision klingts prächtig, wenn auch vintagetypisch mit eher diskreten Höhen und üppig-druckvollem Bass, dem es nach heutigen Massstäben vielleicht etwas an Konturen mangelt.
Wer es etwas moderner, aber immer noch klassisch mag, kann die Vollverstärker AX-590/592/594 bwz. AX-1030/1050/1070 aus den 90er-Jahren ins Auge fassen, die bereits mit einer Fernbedienung daherkommen und nebst toller Ausstattung (inklusive Phono MM/MC) auch mit guter Klangtransparenz aufwarten.
Das gilt auch für vergleichbare Vollverstärker von Pioneer, deren Baureihen ab 1987 (Modell: A-717) bis etwa 1993 (Modell: A-701R) als besonders langlebig und auch klanglich hochwertig gelten. Bestes Beispiel für den hohen Aufwand, den die Japaner damals betrieben: Der A-717 mit resonanzarmen Kühlkörpern in Wabenstruktur, zwei (!) gekapselten Trafos und Vollmetallknöpfen.
Vinyl-Evergreens

Topaktuell angesichts des anhaltenden Vinyl-Booms sind Plattenspieler aus den 70er- und 80er-Jahren. Gerade vor der Einführung der Compact-Disc trieben die Hersteller einen enormen Entwicklungsaufwand, da die Schallplatte das beste Wiedergabemedium darstellte. Hier konnte auch die Schweiz mit Marken wie Lenco, Sonex und Thorens ein Wörtchen mitreden.
Gerade von Thorens finden sich heute noch viele Occasionsmodelle, die man mit etwas Pflege durchaus fit fürs Vinylvergnügen machen kann. Nebst einer gründlichen Reinigung der Antriebselemente ist meist ein Austausch des Antriebsriemens erforderlich. Deshalb vor dem Kauf erkundigen, ob ein solcher noch erhältlich ist. Auch das gefederte Subchassis muss oft gerichtet werden. Den sehr verbreiteten TD-160 gabs in verschiedenen Varianten, bis hin zu einer "MK V"- und "Super"-Version. Deshalb ist es für den Nicht-Kenner etwas schwierig, Thorens-Occasionen nachhaltig zu beurteilen. Hier ist der Rat eines Kenners sinnvoll.
Sehr verbreitet in der Schweiz waren Plattenspieler von Dual. Dieser Hersteller aus dem Schwarzwald war Ende der 70er-Jahre der drittgrösste der Welt und baute unzählige Modelle, sowohl mit Riemen- wie auch mit Direktantrieb. 1982 ging der Traditionsbetrieb Konkurs. Bis dahin erfand Dual den ULM-Tonarm (Ultra Low Mass), der insbesondere im Zusammenspiel mit den passenden Leichttonabnehmern von Ortofon eine äusserst vinylschonende Plattenwiedergabe sicherstellte.
Die zuletzt produzierten Direktantriebler CS 714Q (Halbautomat) und CS 731Q sowie die riemengetriebenen CS 514 und CS 515 können leider nur mit den Original-Tonabnehmern betrieben werden. Immerhin gibt es dafür noch Ersatznadeln. Sehr oft und für wenig Geld angeboten wird der für Einsteiger empfehlenswerte CS 505 mit Riemantrieb, von dem es vier Editionen gab. Einen Pluspunkt bildet auch hier die automatische Endabschaltung.
Schweizer Industriegeschichte verkörpern Lenco-Plattenspieler, die in den 60er- und 70er-Jahren grosse Erfolge feiern konnten. Highlights waren die Modelle L 77, L 75 und L 78, die mit aufwendig gefertigtem, perfekt justierbarem Tonarm und starkem (bei entsprechender Pflege erstaunlich rumpelarm agierendem) Reibradantrieb auftrumpfen konnten. In einer schön erhaltenen Holzzarge kann ein L 75 als Designikone seiner Zeit gelten.
Mehr auf Quartz-geregelten Direkt- anstelle von Riemenantrieb setzten die japanischen Hersteller, deren Modelle oft mit Halb- oder Vollautomatik ausgestattet waren. Von den damals führenden Herstellern wie Denon, JVC, Kenwood, Sony, Technics und auch Yamaha gab es statthafte und top-verarbeitete Modelle, die mit sehr guten Tonarmen bestückt waren. Wer hier ein gut erhaltenes Occasionsexemplar findet, kann auch heute noch damit glücklich werden.
Immer vorausgesetzt, man kombiniert einen modernen Tonabnehmer (beispielsweise von Benz Micro, Denon, Grado oder Ortofon) hinzu: Brauchbare MM-Modelle gibt es bereits ab rund 100 Franken (Grado Black, Ortofon 2M Red), gute MC-Tonzellen ab rund 300 Franken (Denon 103, Ortofon MC Quintet Red). Damit tönen die Plattendreher-Oldies wieder ganz frisch und lebendig.
Alte Lautsprecher lohnen meist nicht

Hand aufs Herz: Bei aller Liebe zum Vintage-Sound – Boxen-Oldies klingen meist nicht mehr up to date. Allzu stark fallen da die technologischen Defizite gegenüber neueren Vertretern ihrer Gattung ins Gewicht. Dennoch haben bestimmte Lautsprecher-Legenden auch heute noch ihren Reiz. Seien es alte Elektrostaten von Quad oder Acoustat, wirkungsgradstarke Hornlautsprecher von Klipsch oder JBL, klassische HiFi-Boxen von Bowers & Wilkins oder Infinity – bei allen gilt, dass sie zwar im Originalzustand meist nicht mehr wirklich gut tönen, aber bei entsprechender Revision und Modifikation zu akustischen Höhenflügen antreten. Leider ist dies mit entsprechendem finanziellem Aufwand verbunden, so dass sich dies nur für dezidierte Liebhaber empfiehlt.
Deutlich besser sieht es bei Occasionslautsprechern neueren Datums aus: Wer nach einem ehemaligen "Testsieger" jüngeren Datums Ausschau hält, wird oft für wenig Geld fündig. Bis mehr als die Hälfte des ehemaligen Neupreises kann man einsparen, wenn man nicht das Allerneuste in der Wohnstube haben möchte. So lohnt es sich vor allem, im höheren Qualitätssegment gebrauchte oder auch Auslaufmodelle zu suchen. Hier stimmt dann auch die Verarbeitung, denn das Auge hört bekanntlich mit. Findet man ehemalige Top- und Oberklassemodelle der führenden Hersteller wie etwa B&W, Canton, Heco, KEF, Magnat, Piega und Quadral (um nur einige zu nennen), so bekommt man hier durchweg sehr hohe Wiedergabequalität zu einem fairen Preis.
Wer sicher gehen will, kauft beim Händler

Occasionskauf ist mit einem Risiko verbunden, das man nicht unterschätzen sollte: Wenn wenige Monate nach dem Kauf das ehemalige Schmuckstück Probleme bereitet, steht ein Privatverkäufer nicht dafür gerade. Bei einem Fachhändler kann man meist drei bis sechs Monate Garantie aushandeln. Dies lohnt sich, da Reparaturen ins Geld gehen können. Im Fachgeschäft findet man zudem im Preis reduzierte Vorführmodelle, die mit voller Garantie abgegeben werden.
Ebenfalls sehr attraktiv sind Auslaufmodelle, die vom Importeur über den Handel abverkauft werden. Meist unterscheidet sich die Vorgängergeneration nicht grundlegend von ihren Nachfolgern, so dass man hier fast ohne Nachteile rund einen Drittel beim Verkaufspreis einsparen kann. Beispiel gefällig? AV-Receiver bilden eine Gerätekategorie, die jedes Jahr wegen neuen Features in der Filmindustrie neu aufgelegt werden. Wer hier beispielsweise auf Dolby Atmos verzichten kann, findet sehr gut klingende Topkomponenten zum Schnäppchenpreis.
Fazit
Occasionskauf ist oft mit einem gewissen Risiko verbunden. Insbesondere wer aus Nostalgiegründen mit einem Oldie liebäugelt, sollte den Zustand des Geräts und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen berechnen. Viel Geld sparen kann man bei gebrauchten Geräten und Lautsprechern jüngeren Datums, wie sie in Occasionsbörsen oder auch im Handel angeboten werden. Es muss nicht immer das Neuste sein, um das klangliche Glück im kleinen oder grossen Stil zu verwirklichen.
Wie sieht es bei Ihnen zu Hause aus? Welche Oldies und Gebrauchtgeräte können Sie empfehlen? Diskutieren Sie mit und posten Sie im Anhang ihre persönlichen Occasions-Highlights…
Onlinelink:
https://www.avguide.ch/magazin/audio-occasionen-tipps-fuer-den-gebrauchtkauf