Der US-amerikanische Audio-Hersteller Bel Canto ist uns in den vergangenen Jahren immer wieder positiv aufgefallen. Ganz besonders mit dem kürzlich veröffentlichten Test des Vollverstärkers Bel Canto E1X. Zuvor waren es Komponenten aus der e.One-Linie. Die Elektronik von Bel Canto hat der Musik in den Hörtests immer wieder zu einer Art magischen Präsenz verholfen und so lag die Begeisterung nicht nur beim CH-Importeur Audiosphere (Enzo Nolli), sondern auch bei uns, namentlich Daniel Schmid und mir.
Die Pandemie hat uns kommunikativ fit getrimmt und Enzo Nolli verabredete für avguide.ch ein Zoom-Meeting mit John Stronczer in Minneapolis. John ist der Gründer, Geschäftsführer und auch der leitende Entwickler von Bel Canto. Wir waren sehr gespannt, was er uns zu sagen hat und sehr beeindruckt, was am Ende des Gesprächs auf dem Tisch lag.
Auf unserer Seite beteiligten sich Daniel Schmid (avguide.ch), Enzo Nolli von Audiosphere und Christian Wenger. John sprach mit uns aus seinem Homeoffice in Minneapolis, Minnesota.
Können Sie unseren Lesern die Entwicklungsgeschichte von Bel Canto erzählen?
Das ist 40 Jahre her. Ich gründete Bel Canto 1991; das erste Produkt war ein SET-Verstärker (Single Ended Triode). Vorher lebte ich einige Zeit in Frankreich und machte Bekanntschaft mit Jean Hiraga. Ich entdeckte meine Liebe zu Hornlautsprechern, Eintakt-Verstärkern mit Leistungs-Trioden usw. Ich empfand diese Systeme musikalisch unwiderstehlich und besser als die High-End-Audio- Systeme, die ich aus den USA kannte – wie etwa Mark Levinson etc. Ich entwickelte damals meinen eigenen 20-Watt-SET-Verstärker für meine Spendor-Lautsprecher.
Schliesslich kam ein DAC hinzu, mit extrem tiefen Jitter-Werten – übrigens eine unserer Tugenden bei Bel Canto. Der SET-Verstärker wurde dann als Produktions-Version auf den Markt gebracht und damit begann die Geschichte von Bel Canto.
Ich beschreibe mich als experimentierender Entwickler/Ingenieur, der die akustischen und emotionalen Eindrücke verarbeitet und für die wahrgenommenen Veränderungen Erklärungen sucht. Ich muss wissen, warum sich eine Veränderung ergeben hat. Ich muss die technische Ursache dafür kennen.
1999 begann ich mich für die Tripath-Technologie (Schaltverstärker oder Class T / bzw. D) zu interessieren. Ich erkannte/vermutete, dass die Class-D-Verstärker die Zukunft sein könnten, weil sie insgesamt viel mehr zu bieten hatten als die bekannten Class-A- und A/B-Verstärker, die man kannte. Und so fasste ich den Entschluss, mich von den 40-kg/20-Watt-Verstärkern hin zu moderneren und zukunftsgerichteten Verstärkern zu entwickeln.
Was hat Sie an Tripath- und Class D fasziniert? Was gab den Ausschlag?
Die Trioden waren in der Lage, die musikalische Botschaft sehr gut zu transportieren. Und zwar betrifft das vor allen Dingen den Mitteltonbereich, das wichtigste Frequenz-Spektrum um Emotionen zu transportieren, und natürlich den Stimmbereich.
Bei den ersten Schaltverstärkern (Tripath) hatte ich ein ähnliches Gefühl wie bei den Trioden, ich hörte eine ähnliche «Qualität». Das war vielleicht auch der Einfachheit der Schaltungen geschuldet – die Ausgangsstufe besteht aus nur wenigen Komponenten, optimal eingesetzt. Trotz der offensichtlichen kleinen Schwächen wie den Höhen, welche manchmal etwas abschreckend waren, hörte ich eine Qualität, die mit den mir bekannten, typischen Transistorverstärkern selten zu hören war. Ich dachte mir, da scheint etwas sehr richtig daran zu sein.
Heute benutzen wir übrigens den Hypex NCore. Der NC500 Power Modulator erscheint mir, vielleicht etwas pervers gesprochen, wie die moderne 845 Triode (lacht!). Das ist ein unwiderstehlicher Audioverstärker und eine offene Plattform für den Entwickler, der damit arbeitet. Wir arbeiten mit Class D seit etwa 20 Jahren und so lange – etwas länger als erwartet – hat es auch gedauert, bis wir heute mit Class D angekommen sind.
Haben Sie bei den NCore Modifikationen vorgenommen?
Der NC500 Power Modulator ist nicht modifiziert, aber die Eingangsstufe wurde modifiziert, vor allem mit sehr hochwertigen Widerständen.
»Der NC500 Power Modulator von Hypex erscheint mir – vielleicht etwas pervers gesprochen – wie die moderne 845-Triode« (John Stronczer)