TESTBERICHT
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Publikationsdatum
30. Januar 2006
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Wie schlank und wie hoch darf man einen Lautsprecher machen, damit er auch im Tiefbassbereich noch akzeptabel klingt und nicht von einem Windhauch umgeblasen wird?

Die Antwort geben die XT4 von B&W.

Bei Lautsprechern gelten heute ähnliche Ideale wie für weibliche Fotomodelle: Schlank und an der Grenze zur Magersüchtigkeit...

Extrem schlanke Säulenboxen sind nichts Neues. Es gibt von verschiedenen Herstellern Lautsprecher, die eher einem überdimensionierten Strohhalm als einem Schallwandler gleichen.

Bei den meisten dieser Systeme handelt es sich aber um Satelliten eines Homecinemas, die nur zusammen mit einem Subwoofer funktionieren.

Oder dann sind es klanglich nicht mehr ernst zunehmende Designkonstruktionen mit ausgehungert wirkendem Bassbereich.

Vom britischen Lautsprecherspezialisten B&W darf man aber Anderes erwarten.

Die XT4 wird vom Hersteller denn auch als „kompletter“ 3-Wege-Lautsprecher bezeichnet, der mittels zweier 13 cm-Tieftöner mit Papier-Kevlar-Membran eine ernstzunehmende Bass-Performance bieten will.

Ob dies auch tatsächlich zutrifft, soll dieser Test zeigen.

Mit der XT4 wendet sich B&W an eine spezielle Käuferschicht, die besonders hohe Anforderungen ans Design stellt, dabei aber auf guten Klang nicht verzichten will.

Mit beachtlichen 115 cm Höhe und lediglich 15 cm Breite bewegen sich die neuen Sound-Wolkenkratzer von B&W denn auch hart am Limit der physikalischen Gesetze und nehmen eine Extremstellung im heutigen Angebot qualitativ hochwertiger Fullrange-Säulenlautsprecher ein.

Hoher Staunfaktor

Ob in einem Homecinema oder in einer reinen Stereokombination eingesetzt, die XT4 von B&W zieht alle Blicke auf sich.Ob in einem Homecinema oder in einer reinen Stereokombination eingesetzt, die XT4 von B&W zieht alle Blicke auf sich.
Die schlanke und hohe XT4-Säule steht auf einer relativ kleinen, sich nach hinten stark verjüngenden Standfläche von lediglich 15,2 cm Breite und 20 cm Tiefe.

Mittels im Fussbereich der Boxen angebrachten Bleiplatten wird der Schwerpunkt wie bei einer Formel-1-Bolide nach unten verlagert und damit die Kippstabilität drastisch erhöht.

Dennoch ist dieses Extremprodukt nicht fürs Kinderzimmer mit herumtollenden Jugendlichen, sondern für den elegant gestylten Livingroom gedacht.

Eines wurde schon zu Beginn dieses Tests klar: Wer die ultraschlanke XT4 mit dem sozusagen als Krone aufgesetzten Hochtöner und dem dezent matt glänzenden Aluminiumgehäuse in den Wohnraum stellt, hat die Aufmerksamkeit aller Besucher auf sicher.

Der Staunfaktor wird nochmals drastisch erhöht, wenn sich der futuristisch anmutende Subwoofer PV1 dazu gesellt. Und falls dann der Sound noch stimmt...

Geballte Technik

Nicht nur optisch fasziniert die erstklassig verarbeitete XT4. B&W hat jahrzehntelange Erfahrung im Lautsprecherbau darin einfliessen lassen.

Da wäre der auf der Nautilus-Technologie basierende Hochtöner, bei welchem der nach hinten abgegebene Schall auf perfekte Art und Weise unschädlich gemacht wird.

Durch die freie Montage des Hochtöners verhindert man Reflexionen an den Gehäusekanten und kann zudem das zeitgerechte Abstrahlen der Hochtonsignale realisieren, wie es bei einer Montage aller Chassis auf einer simple Frontplatte nicht möglich ist.

Zunächst in kugelsicheren Westen erfolgreich eingesetzt, fanden die hochfesten, gewebten Kevlar-Fasern beim Mitteltöner den Weg zur Musikwiedergabe.

Wie damals die alten Geigenbauer ihre Rezepte zur Herstellung ihrer Instrumentenlacke niemandem Preis gaben, hüten die Membranen-Hersteller heute die Zusammensetzung ihrer geheimen Harz-Mischung zum Verkleben der Kevlar-Fasern.

Gerade dem Mitteltöner kommt in Sachen Verfärbungsfreiheit eine zentrale Rolle zu.

Das mit dem „Geheimharz“ verstärkte, quadratische Gewebe der Mitteltonmembran macht stehenden Wellen den Garaus und lässt die Membran sauber und ohne Aufbrechen im mittleren Frequenzbereich arbeiten.

Erstklassige Chassis

Klangverfärbungen hört man am besten im Mitteltonbereich. Die Membran des Mitteltöners besitzt deshalb ein durch ein Spezialharz verstärktes Kevlargeflecht. Sie bewegt sich kolbenförmig und ist praktisch frei von Partialschwingungen.
Die XT4 besitzt nicht weniger als 4 Chassis: einen 25 mm-Aluminium- Kalottenhochtöner, einen 13 cm Kevlar-Gewebe Mitteltöner und zwei 13 cm-Papier/ Kevlarmembran Tieftöner.

Das Alugehäuse hat nicht nur aus Designgründen diese Form erhalten. Den Gehäusen der Meeresschnecken nachempfunden (Nautilus lässt grüssen!), verhindert man mit diesen Rundungen potentielle Schwachpunkte und kommt dem schalltoten Gehäuse sehr nahe.

Die Empfindlichkeit der XT4 ist mit 86 dB Schallpegel (1 Meter Distanz, bei 2.83 Volt Input) nur durchschnittlich – ein potenter Verstärker ist gewiss von Vorteil.

Für unsere Hörtests wählten wir die Komponenten PM-15S1 und SA-15S1 von Marantz.

Sensationelle Räumlichkeit

Die eleganten Verrundungen des Alu-Gehäuses machen auch akustisch Sinn und verhindern potentielle Schwachstellen.
„Sensationelle Räumlichkeit, verbunden mit perfekter Mittenortung“ war auf dem Blatt eines Testhörers zu lesen.

Tatsächlich war es absolut verblüffend, wie sich das auch in Sachen Tiefenstaffelung aufgefächerte Klangbild von den Boxen löste und sich frei, dennoch stabil vor dem Hörer aufspannte.

Die Hochtonwiedergabe erinnerte fast schon an diejenige der Diamant-Hochtöner von B&W: fein gezeichnet und ohne unnatürliche Schärfe, Klangschönheit verbunden mit hoher Präzision.

In den Mitten und tieferen Lagen eher weich agierend, entschärften die XT4 hart geratene CDs etwas. Dafür brachten die den Klang überaus sympathisch, ja geradezu samtig.

Dass punkto Dynamik aus solchen Klangsäulen keine Wunder zu erwarten sein würden, war bals jedem Hörer klar. Und das änderte sich auch nach dem Anhören sehr dynamischer Drumsolos nicht.

Bass Plus

Die XT-Familie umfasst neben den XT4 Standboxen die Regalboxen XT2 und den Center-Lautsprecher XTC. Wer sehr tiefe und druckvolle Bässe liebt, leiste sich den dazu passenden Subwoofer PV1.
Knallharte Bassattacken gehören sicher nicht zu den Stärken dieser Boxen.

Dennoch ist es erstaunlich, was sie bei grossräumiger Orgel- und Orchestermusik an Klangvolumen bieten können.

Auch bei poppigen Klängen gefällt der angenehme brillante, nie grelle Sound.

Selbst ohne einen zusätzlichen Subwoofer kann man mit der XT4 somit glücklich werden, wenn man auf eigentlichen „Knall“ im Bass verzichten kann.

Kommt im Laufe der Zeit dann doch der Wunsch nach druckvolleren Tiefstbässen auf, hat B&W die erwünschte Ergänzung parat: Der PV1 erweitert das Klangspektrum der XT4 nach unten und liefert in kleineren bis mittelgrossen Räumen zusätzlich Druck und Dynamik im Tiefstbass.

Fazit

Höher und gleichzeitig schlanker als die XT4 von B&W kann man eine Fullrange-Box mit heutiger Technologie wohl kaum konstruieren.

Die B&W XT4 steht designmässig „hart am Limit“ und verkörpert das Extreme in Sachen Vollbereichs-Säulen-Lautsprecher.

Selbst wenn sich im Bass Grenzen zeigen, ist ihr Klang ist auch ohne die Unterstützung eines zusätzlichen Basslautsprechers sehr ansprechend.

Hoher Lifestyle-Faktor verbunden mit kultivierter, raumfüllender Wiedergabe prädestinieren die XT4 für eine Käuferschaft, die das Angenehme für Auge und Ohr bevorzugen.
STECKBRIEF
Preis:
4000 Franken pro Paar
Profil:
Designmässig „hart am Limit“ stehender Vollbereichs-Säulen-Lautsprecher mit ausgeprägt räumlichem Klangbild
Pro:
+ elegantes Design
+ faszinierende Räumlichkeit
+ Klangbild fein gezeichnet
+ transparenter Klang
+ erstklassig verarbeitet
Contra:
- Bass nicht sehr druckvoll
- mässiger Wirkungsgrad
Ausstattung:
Anzahl Wege: 3

Ausführungen:
Gehäuse Aluminium, Abdeckung schwarzer Stoff
Technische Daten:
Masse (BxHxT): 15,2 x 113,8 x 20 cm

Empfohlene Verstärkerleistung: 50 - 150 Watt

Impedanz: 8 Ohm