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Publikationsdatum
9. November 2000
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Das Ganze mutet an wie ein schlechter Witz: Da lanciert eine Industrie ein neues, noch besser klingendes Tonformat und macht sich mit einem mehr oder weniger gut hörbaren Kopierschutz unglaubhaft.

Der Wurm im Wasserzeichen

DVD-Audio und die SACD werden mit sogenannten Wasserzeichen vor Piraterie geschützt. Während sich bei der SACD noch niemand über eine klangliche Beeinflussung durch diesen Kopierschutz beschwert hat, steckt im DVD-Wasserzeichen in doppelter Hinsicht der Wurm drin.
Wie praktisch jeder Sicherheitscode können auch die DVD-Watermarks geknackt werden. Erst letzten Herbst wurden die DVD-Audio Spieler vom Weihnachtsmarkt wieder zurückgezogen als zwei Jugendliche im Internet den Schlüssel für den Kopierschutz der DVD veröffentlichten. Inzwischen wurde eine von der Softwareindustrie weitgehend akzeptierte neue Lösung gefunden.
Zudem ist heute klar, dass diese Wasserzeichen hörbar sind und den Klang dieses audiophilen Mediums stören können.

Bob Stuart, der geniale Erfinder des Meridian Lossless Packing (MLP), einem Kompressionsverfahren, welches es ohne hörbare Nachteile ermöglicht, auch hochauflösende 5.1 Aufnahmen mit einer Dauer von 70 Minuten auf einer DVD-Audio-Disc zu speichern, äusserte sich kürzlich zu den Kopierschutz-Wasserzeichen.

Diese sind nicht so schlecht wie heute viele behaupten. Sie sind aber immer noch die letzte Hürde, die den Weg zur neuen DVD-Audio-Technologie versperren. Es ist möglich, diese Kopierschutz-Codes intermittierend in lauten Musikpassagen zu verstecken oder in die Stille (!) zwischen zwei Tracks zu legen, wo sie weniger stören. Stuart bemerkte weiter, dass die Watermarks optional seien und nach dem Willen des Künstlers und des Produzenten dorthin plaziert werden können, wo man sie haben will. Auch hält Stuart fest, dass die Störungen der Wasserzeichen bei Pop-Musik weniger gut hörbar seien, als bei kritischer klassischer Musik.

Sind Wasserzeichen hörbar?

Das SDMI (Secure Digital Music Initiative), ein Konglomerat von 180 Musik- und Elektronikfirmen, hat sich zum Ziele gesetzt, den Raubkopierern das Leben so schwer wie möglich zu machen. So gab man die Erstellung von sogenannten Wasserzeichen in Auftrag, die für den Hörer unhörbar sein sollten. Die SDMI führte in der Vergangenheit mit sogenannten Goldenen Ohren Hörtests durch um herauszufinden, welches nun der beste Wasserzeichen-Code sei.

Einer dieser Hörtests fand am 12. und 13. Oktober in Denny Purcells Georgetown Masters Studios in Nashville statt. Unter der Leitung des SDMI-Beraters Laurence Shear hörten sich ein Duzend Klangexperten drei von 16 noch übriggeblieben Wasserzeichen-Codes an. Eigentlich wollte man vier Codes anhören, doch einer war so gut hörbar, dass man ihn kurzerhand disqualifizierte.

Als Signalquelle wählte man eine Sonic Solutions USP 24/96 Workstation. Der Rest der Abhöranlage war das Beste vom Besten, der Abhörraum absolut frei von akustischen Störungen.

Die Treffsicherheit beim Erkennen des ersten Wasserzeichens war bei allen Hörern bedenklich schlecht. Ton-Ingenieur Chuck Ainley erkannte in einer ersten Runde alle wasserzeichenverseuchten Tracks, in einer zweiten Runde noch 3 von 8 und in der dritten noch 1 von 8.

Dies zeigt ganz klar, dass Ermüdungserscheinungen und Stress bei solchen Hörtests eine wichtige Rolle spielen. Zu Beginn hörte Chuck sehr gut, ermüdete dann aber relativ rasch. Den anderen Hörern ging es nicht besser. Die Wasserzeichen also solche klar und reproduzierbar zu erkennen, war für alle ein grosses Problem.
Auch bei den anderen zwei Wasserzeichentypen lag die Treffsicherheit der Hörjury schlecht.

Wie klingen die Wasserzeichen?

Doch war man sich einig, dass die Schwierigkeit auch darin bestand, dass niemand wusste, auf was man eigentlich hören sollte. Äusserten sich die Wasserzeichen als tieffrequentes Brummen, hochfrequentes Pfeifen oder gar als Clicksen?
Es wäre ein leichtes gewesen, den Hörern zuerst die Geräusche der Wasserzeichen separat abzuspielen. Doch frühere Hörversuche zeigten, dass die Wasserzeichen leicht also solche zu erkennen sind, wenn man weiss, wie sie klingen. Eines dieser Wasserzeichen äusserte sich als intermittierendes Tief-Midbass-Rumpeln. Leute die dieses Geräusch kannten, konnten es mit Leichtigkeit in jedem Musikstück erkennen.

So geben auch die SDMI-Leute zu, dass es immer eine kleine Minderheit von Hörern geben werde, welche Wasserzeichen hören und als solche erkennen können. Der perfekte Kopierschutz könne wohl nie realisiert werden.

Einer der sich ganz energisch gegen die Wasserzeichen wehrt, ist Jim Mageras, Gründer des Labels Surroundedby Entertainment. Er ist ein Fan des Raumklanges, insbesondere des 5.1-Tonformats von DVD-Audio.
Mageras verkündete, dass er nicht warten werde bis sich die Industriegiganten in dieser Sache die Hände schütteln. Er werde in Zukunft darauf verzichten Surroundedby Software mit Antipiraten-Signalen klanglich zu beeinträchtigen. Es werde immer Leute geben, die solche Signale hören können. Vor allem wenn man wisse, auf was man hören müsse, sei es ein Leichtes die Wasserzeichen zu erkennen. Und dies wolle er seiner Software und seinen Künstlern nicht antun.