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Publikationsdatum
9. September 2015
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Jeder der drei Redaktoren von avguide.ch an der IFA hat seine Spezialgebiete. Mit geschultem Blick für technische Entwicklungen und einem besonderen Augenmerk auf ihre Spezialgebiete haben sie die Messe besucht.

Kurt Haupt, Du verfolgst insbesondere die Bereiche Multiroom und Heimvernetzung. Was ist Dir da aufgefallen an der IFA?

Immer mehr Hersteller steigen bei Multiroom-Audio ein. So hat beispielsweise Yamaha mit seinem MusicCast ein komplettes Angebot an Geräten, von Lautsprechern über HiFi-Anlagen bis zu AV-Receivern gezeigt. Die Lösungen werden dabei immer komfortabler, integrieren immer besser verschiedene Streamingdienste und befriedigen zunehmend auch audiophile Ohren. Auch Samsung will mit ihren neuen 360-Grad Lautsprechern einen Anteil am Multiroom-Markt erobern.

Erstaunlich wenig Neues gab es übrigens beim Multiroom-Leader Sonos zu sehen. Die feilen weiterhin an ihren Apps rum, verpassen aber irgendwie Hi-Res-Audio und Akku-Lautsprecher.

Eine komplett neue Multiroom-Idee zeigte Philips mit seinen Izzy-Lautsprechern. Die brauchen weder WLAN-Router noch App noch Handbuch, sind also idiotensicher. Man koppelt sein Handy per Bluetooth an einen Izzy-Lautsprecher. Dann stellt man irgendwo einen zweiten Lautsprecher auf und drückt eine Taste, damit auch dort derselbe Sound abgespielt wird. Es gibt sogar einen Izzy mit CD-Laufwerk und FM-Radio. Bin gespannt, ob sich dieses Multiroom für „App-Hasser“ durchsetzt.

Wie sieht es bei der Vernetzung der Unterhaltungselektronik aus?

Bei der Heimvernetzung war „Smart Home“ praktisch an jedem Stand ein Thema. Plötzlich will jeder Türsensoren, Bewegungsmelder, Feuermelde, Schlafsensoren, Lichter, Steckdosen, den TV und die Kaffeemaschinen integrieren. Vor allem Samsung zeigte unendlich viele Ideen, aber kaum Produkte.

Dabei will jeder der Chef im Smart-Home werden. Die Fernbedienung Harmony von Logitech will das genauso sein wie die neuen NAS von WD. Jeder behauptet, er könne mit jedem zusammenarbeiten, in der Praxis klappt das aber meist nur mit Klimmzügen. Den witzigsten Smart-Home-Stand hatte Digitalstrom. Da konnte man mit einem Lächeln einen Kaffee und mit Zunge-Raustrecken einen Espresso kriegen. Oder gegen den Messe-Lärm anbrüllen „James, I like a glass of water“ und schon schaltete sich der Wasserhahn ein.

Trist ist das Smart-Home noch immer in Küche und Waschküche. Bestenfalls hat man die Bedienelemente auf dem Handy. Bei Siemens kann man zwar den Barcode der Tiefkühlpizza scannen und so den Backofen programmieren. Aber wer will das wirklich?

Was wünschts Du Dir von Smart Home?

Ein smartes Home braucht Standards. Neue Geräte oder Sensoren müssen sich so leicht einbinden lassen, wie wir uns das heute beim WLAN (WiFi) gewohnt sind. Ich will einerseits alles in einer Oberfläche, andererseits sollen auch Gäste eine Lampe ohne App bedienen können. Letzlich soll das smarte Home auch wirklich smart sein. Wenn ich den TV einschalte, soll also das Stubenlicht und die Stereoanlage aus, aber die Fernsehlampe eingeschaltet werden. Heute habe ich viele smarte Inseln. Es wird Zeit, dass jemand Brücken zwischen diesen Inseln baut.

Hast du Ansätze für diese Brücken an der IFA gesehen, oder wurstelt jeder für sich?

Ansätze zur Vereinheitlichung gibt es von Funk-Allianzen wie Zigbee, Zwave und Bluetooth-LE. Viele Hersteller hängen sich aber nur an einen dieser Standards. Apple und Google haben übergreifende Standards versprochen. Enstprechende Lösungen und Geräte waren aber kaum zu sehen.

Zurück zu Multiroom: Die gezeigten Lösungen bieten komfortable Funktionen. Können sie auch beim Klang mithalten? Sind sie tatsächlich HiFi- und Heimkino-tauglich?

Multiroom-Systeme bieten Audioqualitäten für alle Anspruche. Das simple System Philipps Izzy kann mit Bluetooth-Einspeisung und günstigem Preis natürlich keine audiophilen Ohren entzücken, aber ist dafür extrem simpel zu bedienen. Auf der anderen Seite finden sich Systeme wie Yamaha Musiccast, die neben 192 kHz/24 Bit Hi-Res Audio auch DSD-Audio unterstützen und ein autonomes WLAN aufziehen können. Die Frage der Audioqualität richtet sich aber auch nach dem Einsatz. Im Badezimmer brauche ich nichts Audiophiles, da genügt mir mein Spotify. In der Stube habe ich aber vielleicht andere Anforderungen und erweitere deshalb meine bestehende HiFi-Anlage mit einer Multiroom-Bridge. Letztlich definiert sich die Qualität aber über die Musikquelle. Wer seine CD losless rippt, hat andere Ansprüche als der Spotify-Abonnent. Der Lossless-Freund muss dafür aber nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Zeitaufwand, Arbeit und Investionen in eine komplexere Infrastruktur in Kauf nehmen.

Wenn du über deinen Gartenzaun schaust, was hat Dich an der IFA sonst noch begeistert?

Besonders beeindruckt war ich von den VR-Lösungen. Bei dieser sogenannten virtuellen Realität steckt man sein Smartphone in eine Halterung mit zwei Lupen und hat für jedes Auge ein autonomes Bild. Bewegungssensoren im Handy sorgen dafür, dass sich das Bild anpasst, wenn man den Kopf bewegt. Meine Kollegin war von der HTC-Lösung absolut begeistert, bei der man sich sogar im Raum frei bewegen kann; mir war die Warteschlange vor dem Stand zu lange. Ich glaube, VR hat sehr viel Potential. Handys mit 4K-Schirmen machen eigentlich nur für VR Sinn, aber dort können sie dann herrliche Bildeindrücke liefern.

Ich freu mich immer auch auf den Besuch der Halle 25, wo chinesische Anbieter in einer Art Bazar zeigen, woran sie tüfteln. Vom musikgesteuerten Springbrunnen bis zum Schlüsselbund-Beamer gibt es da praktisch alles. Zur Pflicht gehört für mich auch immer die TecWatch. Wo sonst sieht man schon ein Veloschloss, das sich automatisch verriegelt, sobald ich mich mit dem Handy vom Velo entferne. Oder man sieht die per App steuerbare beheizbare Schuhsohle.

Letztlich waren die vielen Quadcopters eine Freude für das Kind im Manne. Die neusten Modelle dieser Mini-Hubschrauber verfolgen den Besitzer automatisch mittels Bilderkennung. Das erzeugt dann bei mir so ein Mischgefühl zwischen technisch faszinierend und aber auch ein bisschen gruselig.