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Publikationsdatum
9. Dezember 2004
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… the new Nautilus 800 Series. Lange hat man sich bei Bowers & Wilkins Zeit gelassen.

Nun ist es so weit: Die Top-Range des renommierten englischen Traditionsherstellers wurde komplett überarbeitet und kommt jetzt auf den Markt.

avguide.ch war bei der Weltpremiere in London für Sie mit dabei und konnte anschliessen die Lautsprecherfertigung in Worthing begutachten.

Wegweisende Features

B&W Schweiz Prominenz vor der Tower Bridge: Geschäftsführer Fritz Fabig (links) und Consultant Alfred Trunz
Nicht weniger als 7 Jahre lang ist die Nautilus 800 Series praktisch unverändert auf dem Markt gewesen.

Ende 1997 debütierte sie mit vielen wegweisenden Features, die zum Trendsetter und auch von anderen Herstellern adaptiert wurden.

Eindrücklichstes Beispiel: Die gerundete Gehäuseform, die akustische Vorteile hat, weil sie stehende Wellen weniger zulässt. Oder die Matrix-Bauweise, eine durchgehende, strukturierte Innenversteifung, die allerdings bei B&W schon viel länger zum Inventar gehört.

Andere Features blieben „unique“. So die Kevlar-Membranen für die Mittel- und Tiefmitteltöner oder auch die aus der (notabene immer noch produzierten) Ur-Nautilus abgeleiteten, sich nach hinten verjüngenden „Schneckengehäuse“ für die Mittel- und Hochtöner.

Improoved

Dass sich eine Lautsprecherreihe so lange unverändert behaupten kann, ist sicher aussergewöhnlich.

Allerdings trat B&W vor 3 Jahren selber den Beweis an, dass es noch besser geht. Mit der 800 Signature und – etwas später – 805 Signature kamen zwei Modelle, die sich durch verbesserte Feinzeichnung und räumliche Offenheit auszeichneten, allerdings auch deutlich mehr kosteten als die Standard-Nautilus-Typen.

Jetzt wurde die gesamte Nautilus-Reihe komplett überarbeitet.

Überraschung?!

Die versammelte Journalistenschar im British Museum staunte bei der Nautilus 800-Premiere nicht schlecht, waren doch die neuen Modelle auf den ersten Blick kaum von den alten zu unterscheiden…
B&W hatte die europäischen Fachjournalisten ins British Museum geladen, wo die neue Nautilus-Palette standesgemäss im kultivierten Ambiente präsentiert wurde.

Dabei staunte die versammelte Journalistenschar nicht schlecht: Schön säuberlich nebeneinander aufgereiht, unterschieden sich die überarbeiteten Modelle auf den ersten Blick kaum von ihren Vorgängern.

Erst bei näherem Hinsehen – und endgültig während dem ausführlichen Fachvortrag von Chefentwickler Gary Geaves – wurde klar, dass es sich um grundlegend renovierte Lautsprecher handelt.

Die Unterschiede

Äusserlich sind die neuen Modelle 800D bis 802D daran zu erkennen, dass der Hochtöner weiter vorne auf dem kugelförmigen Mitteltongehäuse aus Merlan-Kunststein plaziert ist.

Wer ganz nahe rangeht, sieht ausserdem, dass die Hochtonkalotte der Spitzenmodelle in einem anderen Farbton glitzert als bisher. Keinen direkten Vorgänger hat das neue Modell 803D mit 3 Basschassis.

Neu sind auch die Center-Speaker HTM 1 bis HTM 4, wobei beim Spitzenmodell erstmals das Merlan-Kugelgehäuse zum Einsatz kommt.

Eine weitere Innovation sind die Aktiv-Subwoofer mit 1000-Watt-Class-D-Endstufe und digitaler Raumanpassung.

Entscheidend: Detailoptimierung

Die neuen Nautilus-800-Basstreiber sind mit geschäumten „Rohacell“-Carbonfaser-Verbundmembranen ausgestattet. Diese sind sehr steif und dennoch relativ leicht.
Bei allen Modellen beibehalten wurden die nach hinten gerundeten Gehäuse. Um deren Lieferbarkeit sicherzustellen, hat B&W vor einem Jahr kurzerhand die darauf spezialisierte Fabrik in Dänemark gekauft, die nach Erfüllung der noch offenen Verpflichtungen ausschiesslich für B&W produzieren wird.

Neu ist, dass der gekrümmte Teil des Gehäuses aus durchgehendem Mehrschicht-Multiplex und nicht mehr aus zwei Teilen besteht. Das erhöht die Stabilität und verringert den Verlustfaktor. Ausserdem wurden die Gehäuse intern noch besser bedämpft sowie die Aerodynamik der Bassreflexöffnung weiter optimiert.


Nun kommen als Basschassis neu entwickelte Treiber mit „Rohacell“-Carbonfaser-Verbundmembranen zum Einsatz. Rohacell ist ein geschäumtes Material aus der Flugindustrie, welches sich durch geringes Gewicht bei hoher Steifheit auszeichnet. Satte 8 mm dick sind denn auch die Tieftonmembranen des 800er Spitzenmodells, die zusammen mit dem ultrastarken Antrieb satte, impulssaubere Bässe produzieren sollen.

Der bekannte FST-Kevlar-Mitteltöner bekam die Verbesserungen aus der Signature-Entwicklung (Neodym-Magnet und Alu-Phaseplug) sowie ein optimiertes Chassis-Design spendiert. Kevlar ist nach Meinung von B&W nach wie vor das beste Material für den Mitteltöner, da es ein im Vergleich zu anderen Membranen grundlegend anderes Partialschwingungsverhalten an den Tag legt und insgesamt schneller bzw. akustisch problemloser „ausklingt“. Natürlich spielt die patentierte sickenlose Aufhängung ebenfalls eine entscheidende Rolle.

D für Diamond

Links im Bild die herkömmliche Alukalotte, die man getrost anfassen kann. Rechts die exklusive Diamantkalotte, die man vorsichtig handhaben sollte.
Die grösste Innovation – und einen echten Meilenstein in der Lautsprecherentwicklung – bildet zweifellos der neue Hochtöner der vier Topmodelle Nautlius 800D, 801D, 802D und 803D.

Das „D“ steht nämlich für „Diamond“, und B&W hat es tatsächlich geschafft, einen Kalottenhochtöner mit echter Diamantmembrane zu entwickeln. Im Hochtonbereich stand man vor dem Problem, dass neue Tonträger mit erweitertem Frequenzbereich wie die SACD höhere Anforderungen an das Übertragungsverhalten stellen.

Nun ist es nicht so einfach, dem mittels Metallmebranen Rechnung zu tragen, da die Materialresonanzen irgendwo zwischen 20 und 40 kHz liegen und sich hier durch starke Überhöhungen und unsauberes Ausschwingen negativ bemerkbar machen.

Praktisch resonanzfrei

Der Vergleich: blau - Aluminium mit ausgeprägter Resonanz bei 30 kHz. rot - Diamant fällt kontinuierlich ab.
B&W forschte intensiv mit neuen Materialien für Hochtonkalotten und kam schliesslich zum Resultat, dass Diamant das beste Material ist, da es sich durch enorme Verwindungssteifheit, geringste Partialschwingungen und entsprechende Impulstreue auszeichnet.

Als Hauptvorteil gegenüber Aluminium, Titan und Berillium erwies sich aber, dass eine Diamantkalotte im ultrasonischen Bereich kaum aufbricht oder Überschwinger produziert. Ihr Frequenzgang fällt oberhalb von 20 kHz sanft und kontinuierlich ab.

Nach langen Hörversuchen kamen die B&W-Leute zur Erkenntnis, dass ein möglichst ideales, praktisch partialschwingungsfreies Verhalten unter 20 kHz wichtiger ist als ein bis 40 kHz erweiterter Frequenzgang, der mit mehr oder weniger starkem, hochfrequentem „Ringing“ erkauft werden muss.

Grossflächige Diamantstruktur

Superstar mit Diamant-Hochtöner: B&W 800D
Vor ersten Hörversuchen musste man jedoch das Problem lösen, dass die Industrie bis anhin keine so grossflächige, durchgehende Diamantstrukturen herstellen konnte.

B&W fand jedoch mit „Element 6“ – einem führenden britischen Kunstdiamanthersteller – den Entwicklungspartner für das Vorhaben und schaffte es tatsächlich, eine (inzwischen patentierte) 25-mm-Diamantkalotte mit den gewünschten Eigenschaften herzustellen.

Eines der zu lösenden Probleme war, dass man ja nicht nur die Kalotte in einem Stück benötigte, sondern zusätzlich die vertikal „geknickte“ Basis, an die sich überhaupt erst eine Schwingspule kleben lässt.

Hochtöner nach vorne geschoben

In den Hörversuchen erwies sich die finale Diamantkalotte als dermassen überlegen, dass bald auch die Wahl der Frequenzweichenbauteile ins Blickfeld der Entwickler geriet.

Schliesslich kristallisierte sich heraus, dass sich mit lediglich einem extrem hochwertigen Kondensator (es kommt ein ölgetränkter MKP des deutschen Herstellers Mundorf zum Einsatz) die besten klanglichen Resultate – optimale Transparenz und räumliche Abbildung – erzielen liessen.

Wegen dem elektrischen 6-dB-Filter (akustisch 12-dB-Linkwitz) musste nun aber der Hochtöner weiter nach vorne wandern, damit das „Time Alignment“ ohne Plus/Minus-Umpolung wieder stimmte. Letztere wollte man zugunsten eines sanften Phasenverlaufs im Übergangsbereich zum Mitteltöner nämlich vermeiden.

Fazit

Modell 805 S
Es mag schon erstaunen, mit wie viel Elan und Innovationen es Bowers&Wilkins immer wieder schafft, die Fachwelt in Erstaunen zu setzen.

Dabei setzt B&W bei der neuen Nautlius-Reihe weniger auf äusserliche Renovation, als vielmehr auf innere Werte. Grösstes Highlight ist sicher der Diamanthochtöner, der aber in der Fertigung leider so teuer ist, dass unter den Standboxen nur die vier Topmodelle damit ausgestattet sind.

Diese kosten denn leider auch etwas mehr als ihre Vorgänger, so das Topmodell 800D 32000 Franken. Erfreulich hingegen für Nautilus-Einsteiger: Die Modelle 805S bis 803S sind in ähnlichen Preisgefilden zu haben wie ihre Vorgänger (ab 4000 Franken), bieten jedoch klanglich deutlich mehr, da bei ihnen die Technologie der Signature-Reihe (u.a. deren Mittel- und Hochtöner) adaptiert wurde.

Da darf man auf die ersten Hörtests echt gespannt sein…