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Publikationsdatum
30. April 2000
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Kurt Scheuch - der Entwickler des ersten koaxialen Bändchenlautsprechers.

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Idyllisch an den Gestaden des Zürichsees bei Horgen gelegen, produziert die Firma Piega mit 13 Mann seit 1987 rund 10000 Lautsprecher pro Jahr, die nicht nur klanglich, sondern auch puncto Design keinen Vergleich mit der internationalen Konkurrenz zu fürchten haben. Als eine echte Weltneuheit hat Piega-Entwickler Kurt Scheuch als erster einen koaxialen Bändchenlautsprecher konstruiert. In einem Interview erklärt er Hans Jürg Baum wie seine Konstruktion funktioniert.

«Der Lautsprecher ist der schwierigste Teil»




AVGUIDE: Die neuen Tonträger wie SACD (Super Audio CD) und die kommende DVD-Audio bieten eine drastisch gesteigerte Klangqualität. Welche Audiokomponente hat es nun nach Ihrer Meinung am meisten nötig verbessert zu werden?

Scheuch: Der Lautsprecher ist, obwohl die Entwicklung in den letzten 10 Jahren wirkliche Verbesserungen gebracht hat, der schwierigste Teil in einer Wiedergabeanlage.

AVGUIDE: Ihr neues Chassis basiert ja auf dem seit Jahrzehnten bekannten Koaxialsystem bei welchem ein Hochtöner im Zentrum eines grösseren Chassis liegt. Was ist denn nun wirklich neu daran?

Scheuch: Neu daran ist, dass es ein Bändchensystem ist, welches koaxial aufgebaut ist. Grundsätzlich lässt sich mit diesem Prinzip ein koaxialer Treiber entwickeln, der die Nachteile der heute üblichen dynamischen Systeme nicht aufweist.

AVGUIDE: Versucht sonst noch jemand auf dieser Welt ein solches System zu bauen?

Scheuch: Nein. Ich habe auch noch nie eine Publikation über dieses System gesehen.

«Die bewegte Masse ist beim Bändchensystem extrem klein»

Die Herstellung des koaxialen Bändchen entspricht der Präzisionsarbeit im Uhrmacherstil.
Die Herstellung des koaxialen Bändchen entspricht der Präzisionsarbeit im Uhrmacherstil.

AVGUIDE: Würden Sie mir bitte erklären, was das koaxiale System bewirkt und weshalb Ihr Bändchensystem besser klingen soll?

Scheuch: Die bewegte Masse ist beim Bändchensystem extrem klein, was dazu führt, dass die federleichte Membran dem Musiksignal sehr genau folgen kann. Das koaxiale Prinzip bewirkt, dass die verschiedenen Schallanteile das Gehör gleichzeitig erreichen. Es gibt keine Laufzeitunterschiede und damit keine Auslöschungen gewisser Frequenzen.

AVGUIDE: Wie ist das System aufgebaut?

Scheuch: Im Prinzip ist es ein Chassis, bei dem die Membran unterteilt ist in eine Hochton- und eine Mitteltoneinheit, welche die Hochtoneinheit umgibt. Da der Zeitversatz unter den beiden Systemen gleich Null ist muss die Frequenzweiche keine Zeitkorrekturfunktion übernehmen, sondern lediglich jeder Einheit das richtige Klangspektrum anbieten.

AVGUIDE: Ihr neues Chassis ist sehr teuer in der Herstellung und wird nur in sehr teure Boxen verbaut werden. Was kostet nun diese Box?
Scheuch: Ein Stereo-Paar wird rund sFr. 40000.- kosten, wobei die Kalkulation noch nicht genau festliegt.

AVGUIDE: Wird Ihr Koaxialsystem eines Tages auch in für Jedermann erschwingliche Boxen eingebaut werden?
Scheuch: Dies ist durchaus denkbar, aber es ist heute noch zu früh um Termine zu nennen. Leider ist eine neue Technologie immer eine sehr aufwendige und damit teure Sache.

«Die Schweiz ein sehr guter Produktionstandort»


AVGUIDE: Wird das System vollumfänglich in der Schweiz hergestellt?

Scheuch: Ja. Dies ist vollumfänglich der Fall. Sogar die sehr leistungsstarken Neodymium Magnete werden in der Schweiz produziert. Die gesamte mechanische Bearbeitung wird ebenfalls in der Schweiz getätigt. Solange es sich um höchstwertige Materialien handelt ist die Schweiz ein sehr guter Produktionstandort.

AVGUIDE: Die neuen Medien wie DVD-Audio und die neue Super Audio CD (SACD) gehen frequenzmässug bis 50kHz oder sogar 100 kHz. Wie hoch geht Ihr System?:

Scheuch: Messungen mit den besten Bruel&Kjaer Mikrofonen haben gezeigt, dass unser koaxiales Bändchen linear bis 50 kHz geht.

AVGUIDE: Gibt es auch Nachteile?

Scheuch: Der eigentliche Nachteil liegt in der aufwendigen technischen Konstruktion, die nicht billig werden kann. Da wird sehr viel unter der Lupe gearbeitet. Das ganze ist Präzisionsarbeit im Uhrmacherstil.

AVGUIDE: Herr Scheuch, besten Dank für das Informative Gespräch.

Wie klingts?

Der Autor hatte anlässlich seines Besuches bei der Firma Piega Gelegenheit einen Prototypen ausgiebig anzuhören. Der Klang des Bändchen-Koaxialsystems verblüfft. Es zeichnet unglaublich exakt jedes Detail ohne dabei scharf oder gar aggressiv zu nerven. So erklingen Streichinstrumente äusserst fein gezeichnet und klanglich völlig homogen. Die Musik erscheint wie aus einem Guss und zerfällt nicht in verschiedene Teilbereiche. Gerade bei nicht optimal konstruierten Mehrweg-Lautsprechern wechselt ein Instrument je nach Tonhöhe seinen grundsätzlichen Klangcharakter, was sehr unnatürlich wirkt.

Was weiter auffällt, ist die sehr präzise räumliche Darstellung der Klangbühne. Auch die Dynamik des Systems überzeugt: Nicht nur hauchfeine Streicherklänge werden meisterhaft reproduziert, auch Brass-Ensembles und Drum-Impulse verarbeitet es bis zu erstaunlich hohen Schallpegeln absolut unverzerrt.

Der ideale Lautsprecher

Der ideale Lautsprecher würde den Schall von einem einzigen Punkt aus abstrahlen, hätte keine Richtwirkung und besässe eine winzig kleine Membran mit unendlich kleiner Masse. Zudem könnte er beliebige Schallpegel mit sehr kleinen Verstärkerleistungen abgeben. Doch dieser Wandler ist, wenn überhaupt machbar, noch lange nicht in Sicht. Es ist also ein grosser Irrtum zu glauben, ein Lautsprecher sei umso besser, je mehr riesengrosse Chassis er besitze. Auch die Watt- und die Ohmzahlen sagen nichts über die Klangqualität eines Lautsprechers aus. Weil zahlreiche auf einer Frontplatte montierte Lautsprecherchassis auch unterschiedliche Distanzen zum Gehör des Zuhörers aufweisen, kommt es zu Auslöschungen und Klangverfärbungen. Der koaxiale Lautsprecher kommt dem Ideal aber doch einen grossen Schritt näher, bringt er es doch zustande, den Schall im wichtigsten Hörbereich von einem einzigen Ort aus abzustrahlen.