MAGAZIN
Seite 5 / 7

Technologie-Hinterlassenschaft

Das digitale Aufnahmegerät Nagra Seven ist einer der Nachfahren der Tonabandgeräte.Das digitale Aufnahmegerät Nagra Seven ist einer der Nachfahren der Tonabandgeräte.

avguide.ch: Nagra begann mit Tonbandgeräten mit komplexer Mechanik und höchster Präzision. Was ist von dieser Ur-Technologie eigentlich noch übrig, abgesehen vom Modulometer?

Latour: Ein wichtiger Aspekt ist "low consumption": geringer Leistungsbedarf. Vor allem natürlich bei den digitalen Aufnahmegeräten. Es ist mit der heute verfügbaren Technologie nicht so schwierig, hohe Qualität zu erzielen, aber kombiniert mit geringem Leistungsbedarf ist das schwierig. Dann auch das Knowhow, kompakte Geräte zu bauen. Wir denken sehr dreidimensional. Die Nutzung des verfügbaren Raums ist hoch. Bei den CD-Playern spielt exzellente Mechanik natürlich eine entscheidende Rolle.

Nagra war der erste Schweizer Hersteller mit CNC-gefrästen Gehäusen, und wir waren die Ersten, die SMD-Technik einsetzten. Das mechanische Design hat Tradition bei uns. Wir machen auch alle Leiterplatten selbst, und wir sind gut darin. Wir machen das Leiterplatten-Design auch von Hand. Die Leiterbahnen und die Platzierung der Komponenten erfolgt von Hand, und das ist sehr wichtig für die Klangqualität, wenn man die Erfahrung hat.

Wir haben grosse Erfahrung mit Audio-Transformern und stellen die meisten selbst her. Das kommt noch von den Tonköpfen der Bandmaschinen, damals entscheidendes Knowhow von Nagra. Leistungstransformatoren werden teilweise extern beschafft, aber nicht alle.

Unsere Mitarbeitenden arbeiten oft viele Jahre hier, auch bis zur Pension und manchmal mit Teilzeitpensum darüber hinaus. Das Knowhow bleibt im Unternehmen.

Dazu gibt es bei uns diesen Respekt gegenüber den Künstlern, den Musikern und den Tontechnikern. Wir engagieren uns im Aufnahmebereich am Montreux Jazz Festival, nur um ein Beispiel zu nennen. Das hat Tradition. Stephane Kudelski spielte jeden Tag Musik und hörte mit grossen Studiolautsprechern in seinem Büro. Er hat viele Musiker als Freunde. Wir möchten so nahe wie möglich an der Musik dran sein.

avguide.ch: Die Musiker haben oft eine andere Wahrnehmung als die Musikhörer.

Latour: Ja, sie konzentrieren sich sehr stark auf ihr Instrument, haben aber ein untrügliches Gefühl für die Authentizität, dafür, was sie durch Musik empfinden. Es ist immer wieder interessant, zusammen mit Musikern Musik zu hören, aufgrund unterschiedlicher Wahrnehmungen. Auch bekannte Musiker sind oft erstaunt, auf welchem Niveau man Musikaufnahmen heute hören kann. Es ist erstaunlich, dass gerade die Leute, die das Material beisteuern, davon wenig wissen – trotz der Technik in den Aufnahmestudios.